Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Dresden
London, Dienstag, 16. Mai 1826 (Nr. 28)

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Heute hätte ich dir so vielerley zu erzählen, und ich werde kaum dazu kommen dir nur ein Lebenszeichen geben zu können. so drängt sich jezt schon alles zusammen. Muß versuchen wie weit ich komme.

Da es seit einiger Zeit mit meinem Appetit nicht recht fort will, so behauptet Dr. Kind es liege am Arrow rooth* welches zu sehr sättige und den Magen abstumpfe, was sollte ich wieder probiren? — Kaffee! Nun, ich thats d: 13t es war eine Haupt und Staats Aktion, ich war ganz neugierig wie mir dabei zu Muthe sein würde, und siehe da, es war mir schlecht zu muthe. er war mir förmlich zuwieder geworden, und echauffirte mich entsezlich. Mittag machte ich in einer Restauration, und dirigirte in dem Oratorium, den Freyschützen und die Jubel Ouverture. d: 14t Sonntags versuchte ich zum 2t male Kaffee, mußte es aber wieder aufgeben. das Wetter war sehr schön, und Smart bekam die Idee wir sollten eine Parthie nach Greenwich machen. ich war dabei, mit Fürstenau, und wir verlebten einen herrlichen Tag. schon die Farth nach Greenwich ist sehr schön /: 1 ½ Stunde :/ dann dort das herrliche Hospital für die Seeleute. mit der großen Halle, wo alle ihre Seehelden stehen, und Gemälde der berühmtesten Schlachten. Alles über alle Begriffe großartig und herrlich und dicht an der mit Schiffen besäeten Themse.      Wir speißten sehr gut da, hatten unsern Tisch dicht am Fenster, und da gerade die Fluthzeit war, so kamen hunderte von Schiffen aller Größen mit vollen Segeln an. das reizende dieses Anblikes, der klare Sonnenhelle Tag dazu — ich war recht erquikt und erheitert, und seufzte nur 1000 mal daß du das nicht auch mitgenießen konntest. um 7 Uhr waren wir wieder zu Hause. und ich zog mich um, um um 9 Uhr zur Herzogin von Kent zu fahren. da hieß es spielen. um 12 Uhr aber wurde ich doch wieder entlaßen. und ich kroch etwas angegriffen in mein Betterl. schlief sehr süß, hatte mich aber doch ein bißel erkältet, denn den andern Tag hatte ich ein bißel Lax*.       Gestern d: 15t gab es nun viel zu thun mit Concert Arrangements, und ich hatte keinen Augenblik für mich.

Gegen Mittag kam dein liebes Briefel vom 3 und 4t May No: 17 /: muß heißen No: 20 :/ aber ich kam nicht dazu ihn zu beantworten, abends gings ins Philharmonische Concert*.      Du hast ganz recht, mein Herz, bei der Kälte nicht hinaus zu ziehen, es ist hier auch entsezzlich.       Ueber meine Briefe bin ich ganz rabiat, daß die Fürstenau [zweimal] in der Woche welche bekömt und du nur einmal, und wir geben sie hier in demselben Postbureau ab!, und gewiß zu rechter Zeit. ich begreiffe es nicht, und wir müßen uns in Geduld faßen und in unsere Tugend hüllen.

Nach dem Kaffee habe ich nun so einen Reiß Absud versucht. pfuy, das geht gar nicht, und heute habe ich gewöhnlichen Cacao angefangen. willkommen H: Bruder, es schmekt sehr schlecht, aber vielleicht gewöhne ich mich doch daran.      bin ich nicht ein armes Thier? vom frühen Morgen an, nichts was mir angenehm wäre. — Geduld —

Ja, ja, mit Kellers bauen, habe ich es nicht immer gesagt?

Du bist neugierig was ich in England verdiene, zu wißen? ich bitte dich um Gottes willen mache dir keine übertriebenen Begriffe, und laß dich nicht von dummen Leuten die die Verhältniße nicht kennen zu großen Summen hinauf|schrauben. ein Benefitt muß ganz außerordentlich sein, wenn 200 £ übrig bleiben sollen. eben so ein Concert*. Besondere Geschenke fallen wohl vor bei beliebten Sängern, aber ich werde wohl darauf nicht rechnen können. nehme ich noch dazu an, daß ich niemals Glük in solchen Dingen hatte, und hier 1000 Dinge nicht thue und nicht thun kann, die eigentlich sein sollten so müßen wir es dem guten Glük anheim stellen, was mein Name überhaupt thut, und thun kann.

Der König ist in London. leidet aber am Podagra*, und sieht nur die Minister in seinen Zimmern. ich glaube kaum daß ich ihn sehen werde. ja wohl ist mir der Höchste gewogen, und hat mich ausgestattet reich vor Tausenden. wofür ihm Preiß und Dank!!!

Du sprichst schon von entgegen komen? geliebte Mukkin dazu ist noch lange Zeit das abzumachen, und du weißt ich liebe es nicht recht, es ist mir so eine Freude gleich mit Euch zu Hause zu sein.

Kemble hat 500 £ für den Klavier Auszug bekommen, dafür ist aber der Dichter enorm mit 400 £ honorirt.      Gott, Kinder, quält Euch und mich nicht mit so übertriebenen Geschichten. was ist, ist, und muß mit Dank genoßen werden, nicht daß man sich hinsezt und sich ärgert und sagt, ja vielleicht hätte es so viel sein können.       Doch nun muß ich schließen, und muß ins Cramers Morgen Concert*.

Gott segne Euch ihr Geliebten + + + bleibt Gesund und heiter, immer näher rükt die Zeit des Wiedersehens. dann sind alle Leiden und Strapazen vergeßen, und wir ruhen friedlich im Graße und eßen Rettig und trinken Bier!! ich umarme Euch innigst, besonders dich meine gute alte treue SorgenLina, sey ruhig und ängstige dich nicht um mich, du siehst ich bin tüchtig auf den Beinen. Ewig dein treuester Carl.

Alles Erdenkliche an meinen guten Roth.

Grüße auch die Leute von mir.

Editorial

Summary

Gesundheitliches (bes. mangelnder Appetit und Schwierigkeiten mit der engl. Küche); Bericht über Ausflug nach Greenwich; Konzerttätigkeit in London; Finanzen; Pläne zur Heimreise

Incipit

Heute hätte ich so vielerlei zu erzählen

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Mus. ep. C. M. v. Weber 235

    Physical Description

    • urspr.1 DBl. (2 b. S. o. Adr.), Bl. 2 bis auf 1 cm Rand abgeschnitten
    • Rötel-Randmarkierung von Max Maria von Weber

    Provenance

    • Weber-Familiennachlass

    Corresponding sources

    • ED: Reise-Briefe, S. 199–202

Thematic Commentaries

Text Constitution

  • 2“1” overwritten with “2
  • ß“s” overwritten with “ß
  • “Graße”sic!

Commentary

  • “… es liege am Arrow rooth”Zum Arrow Root vgl. auch den Brief vom 8.–11. April 1826.
  • “… hatte ich ein bißel Lax”Durchfall.
  • 20recte “22”.
  • “… abends gings ins Philharmonische Concert”Vgl. den Kommentar zum Tagebucheintrag.
  • “… sollen. eben so ein Concert”Webers Benefizkonzert am 26. Mai 1826 brachte nicht einmal 100 ₤ ein; vgl. die Abrechnung.
  • “… . leidet aber am Podagra”Gicht am Großzehengrundgelenk.
  • “… muß ins Cramers Morgen Concert”Vgl. u. a. den Bericht im Harmonicon, Bd. 4/1, Nr. 42 (Juni 1826), S. 131.

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