Über Anton Dreyssigs Singakademie

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Korrespondenz und Notizen.
Aus Dresden.

– – – – – – des Musikalisch neuen gibt es so eben nicht vielΔ bei uns. Fremde Künstler scheinen ihre Rechnung nicht immer zu findenΔ.

Zur Freude aller wahren Verehrer der Kunst, gedeiht aber eine musikalische AnstaltΔ täglich mehr, die die schönsten FrüchteΔ für die Folge verspricht, und deren sich, außer Berlin, wohl wenige Städte Deutschlands zu rühmen haben mögen, ¦ ich meine die von dem Hoforganisten Hrn. DreyßigΔ errichtete Singakademie*. Der zunehmende Verfall der Gesang- und vorzüglich derΔ Chormusik, und das Beispiel jener herrlichen Anstalt in Berlin, bestimmte Hrn. Dreyßig zu dem Entschluß, eine SingakademieΔ zu gründen, in welcher ausschließend Kirchenmusik betrieben werden sollte. In der katholischen Hofkirche wird gewöhnlich immer nur solche Musik aufgeführt, die von in Dresden angestellten Kapell- und Musikmeistern geschrieben ist. Die übrigen protestantischen Kirchen geben wenig oder gar keine Musik, und eine reiche Ausbeute harrte unser, da die klassischen Meisterwerke Händels, Mozarts, Haydns u.s.w. gegeben wurden.Δ Dieses sowohl als auch nothwendige Berücksichtigung mancher Verhältnisse, bestimmteΔ Hrn. Dreyßig sich vorderhand auf den Kirchenstyl zu beschränken.

Mit sechs oder sieben Personen begann er im März 1807 seine Uebungen. Nach und nach, sehr langsam wuchs die Zahl der Theilnehmenden. Eine Δ Menge von Vorurtheilen erhoben sich dagegen, und war zu bekämpfen. Indessen konnte 1809Δ die Gesellschaft dochΔ schon einen kleinen Saal beziehenΔ, und endlich gelang es der eisernen Beharrlichkeit des Unternehmers, es so weit zu bringen, daß im verflossenen Jahre der größere Postsaal gemietet wurde, und Δjetzt das Singpersonale aus sechszehn Sopran-, zwölf Alt-, eilf Tenor- und zwölf Baßstimmen besteht.

Alle Donnerstage Abends um 6 Uhr versammelt man sich, und die Akademie dauert gewöhnlich bis gegenΔ 8 Uhr. Außerdem ist noch der Montag um 5 Uhr dazu bestimmt, Lernbegierige, Ungeübtere, in Hrn. Dreyßigs Wohnung zu unterrichten, und das den Donnerstag vorzunehmende mit ihnen durchzugehen. – Die Soloparthien werden von dem Direktor an die dazu fähigen abwechselnd vertheilt*.

ZurΔ Bestreitung der Unkosten, als Musikalien, Beleuchtung und Heizung u.s.w.Δ, gibt jedes Mitglied den geringen Beitrag von acht Thalern jährlich. Es ergibt sich hieraus von selbst, daß kaum die Kosten gedeckt sind, und der Gründer der Anstalt bis jetzt noch nicht den geringsten Nutzen gezogen, noch zu erwarten hat. Dieser rühmliche, ausdauernde, durch keine kleinliche Rücksichten aufzuhaltende Eifer des Hrn. Dreyßig, gereicht ihm zur entschiedensten Ehre, und es muß jedem MusikfreundeΔ innig wohl thun zu sehen, daß es auch jetzt noch Männer gibt, die mit eigener Aufopferung für das Fortschreiten und Pflegen der Kunst besorgt sind.

Auch entspricht der Erfolg den Anstrengungen des Direktors. Wer die Schwierigkeiten kennt, ein Chorpersonale von Liebhabern mit einem bloßen Fortepiano so weit zu bringen, daß sie die theils sehr schwierigen Chöre und FugenΔ der bekanntesten Meisterwerke, rein und mit Präzision singen, – derΔ wird gewiß mit einem angenehmen Gefühl die Singanstalt verlassen, mit Dank das Streben Hrn. Dreyßigs erkennen, und ihm Heil, Unterstützung und Anerkennung wünschen. Δ

Melos.

Editorial

Summary

die 1807 nach Berliner Vorbild gegründete Gesangsvereinigung begann mit wenigen Personen, wuchs aber zunehmend; Proben im Postsaal; Verein speist sich aus Mitgliederbeiträgen und präferiert Kirchenmusik

General Remark

Zuschreibung: autographer Entwurf (s. Überlieferung); vgl. Bartlitz, S. 66; Sigle (Melos.); lt. TB, 27. September 1812 an Müller geschickt; vgl. auch TB Übersicht September 1812.

Knapp zehn Jahre später befasste sich Weber auf Bitten der Witwe mit Dreyssigs Musikaliensammlung; vgl. ThemenkommentarT.

Creation

27. September 1812 (laut A und TB)

Tradition in 2 Text Sources

  • 1. Text Source: Zeitung für die elegante Welt, Jg. 12, Nr. 198 (3. Oktober 1812), col. 1581–1582

    Corresponding sources

    • mit Ergänzungen nach dem Entwurf in: Kaiser (Schriften), S. 29–31 (Nr. 49)
  • 2. Text Source: Draft: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Mus. ms. autogr. theor. C. M. v. Weber WFN 6 (V), Bl. 38a/r–38a/v

    Physical Description

    • über dem Manuskript “Dresden.”; Incipit: “- - - des Musikalisch neuen giebt es wenig bey uns,”; datiert: “Gotha d: 27t. Sept. 1812.”; unterzeichnet: “Melos.”
    • auf Bl. 1r und v von DBl. (Format 34,4x20,6 cm, grünliches Papier, WZ: Ornament mit Horn, Gegenmarke: BK, Kettlinien ca. 2,5 cm); mit Webers Pag. 65–66; mit Webers Vermerk zum ED: “Abgedruckt in No: 198 am 3. 8b. 1812. mit Weglaßung der eingeklammerten Stellen”

    Corresponding sources

    • MMW III, S. 68–70

Text Constitution

  • “das”sic!

Commentary

  • “… Hoforganisten Hrn. Dreyßig errichtete Singakademie”Weber vermerkte seinen Besuch der Sing-Anstalt, vgl. TB 13. Februar 1812.
  • “… die dazu fähigen abwechselnd vertheilt”Seinen ersten öffentlichen Auftritt hatte der Chor am 9. November 1812 in der Dresdner Dreikönigskirche; aufgeführt wurden Mozarts Requiem und die Motette „Nach einer Prüfung kurzer Tage“ von Schicht; vgl. Th. Seemann, Geschichte der Dreyssig’schen Singakademie in Dresden, Dresden 1882 (Digitalisat ), S. 33.

Readings

  • Text Source 1: so eben nicht viel
    Text Source 2: wenig
  • Text Source 1: scheinen ihre Rechnung nicht immer zu finden
    Text Source 2: finden hier so wenig ihre Rechnung, daß sie stets seltener werden, und uns wohl endlich ganz aufgeben mögen
  • Text Source 1: aber eine musikalische Anstalt
    Text Source 2: eine MusikAnstalt
  • Text Source 1: schönsten Früchte
    Text Source 2: schönste Ausbeute
  • Text Source 1: von dem Hoforganisten Hrn. Dreyßig
    Text Source 2: des Hoforganisten Dreyßigs
  • Text Source 1: der
    Text Source 2: No text present.
  • Text Source 1: Singakademie
    Text Source 2: Singanstalt
  • Text Source 1: In der katholischen Hofkirche wird gewöhnlich immer nur solche Musik aufgeführt, die von in Dresden angestellten Kapell- und Musikmeistern geschrieben ist. Die übrigen protestantischen Kirchen geben wenig oder gar keine Musik, und eine reiche Ausbeute harrte unser, da die klassischen Meisterwerke Händels, Mozarts, Haydns u.s.w. gegeben wurden.
    Text Source 2: Die klassischen Meisterwerke Händels, Mozarts, Haydns pp waren für uns neu und nie gehört. in der Katholischen HofKirche darf nach einem königl. Befehl blos Musik aufgeführt werden, die in Dresden oder von in Dresden angestellten Kapell und MusikMstrn geschrieben ist. Die übrigen Protestantischen Kirchen geben wenig oder gar keine Musik und eine reiche Ausbeute stand uns bevor.
  • Text Source 1: bestimmte
    Text Source 2: bestimmten
  • Text Source 1: No text present.
    Text Source 2: ungeheure
  • Text Source 1: Indessen konnte 1809
    Text Source 2: In dem hier mehr als an irgend einem andern Orte bemerkbaren scharfen Abschnitt der Stände, vorzüglich aber die Vorliebe für alles Fremde und besonders Italienische, waren die Haupthinderniße des schnellen Gedeihens. Uneingedenk das 2 der größten Sängerinnen Mara und Häser Deutsche sind, hält es gewiß der größte Theil des deutschen Publikums für unmöglich, daß ein Deutscher singen – noch weniger Singunterricht geben kann. 1809 konnte
  • Text Source 1: doch
    Text Source 2: No text present.
  • Text Source 1: beziehen
    Text Source 2: miethen
  • Text Source 1: No text present.
    Text Source 2: daß
  • Text Source 1: gegen
    Text Source 2: No text present.
  • Text Source 1: Zur
    Text Source 2: Zu
  • Text Source 1: als Musikalien, Beleuchtung und Heizung u.s.w.
    Text Source 2: der Beleuchtung, Heizung, Musikalien pp
  • Text Source 1: Musikfreunde
    Text Source 2: Musikfreund
  • Text Source 1: Chöre und Fugen
    Text Source 2: Fugen und Chöre
  • Text Source 1: der
    Text Source 2: No text present.
  • Text Source 1: No text present.
    Text Source 2: Beynah hätte ich vergeßen Ihnen noch von einer intereßanten Erfindung zu sprechen. H: Mechanikus Kaufmann hat eine Maschine, einen Trompeter verfertigt, der auf einer natürlichen Trompete, vermöge der künstlichen Verrichtung im Mundstükke, nicht nur Fanfaren und Dusch bläßt, sondern auch Doppeltöne erzeugt, und zwar so deutlich und gleich stark im Tone, daß man darauf schwören sollte zwey Trompeter zu hören. Er ist auch der Erfinder des Harmonichords und vielleicht versucht er mit beydem eine Kunstreise. vgl. dazu Webers Aufsatz über Kaufmanns „künstlichen Trompeter“ in der AmZ

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