Carl Baermann sen. an Friedrich Wilhelm Jähns
München, Freitag, 14. April 1871

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Lieber verehrter Freund!

Wenn ich Ihnen heute nur flüchtig Ihren lieben herzlichen Brief beantworte, so geschieht dieß einerseits um Ihnen meinen Rath in Betreff Ihres herrlichen Buches* so schnell als möglich zukommen zu laßen, anderseits verhindern mich Gottverdammte Kreuzschmerzen an größerer Ausführlichkeit. Vor allen andern aber muß ich mich dahin vor Ihnen rechtfertigen, daß der Brief von Ihnen auf welchen Sie sich in Ihren letzten Schreiben berufen, nie in meine Hände gekommen ist, da ich Ihnen jedenfalls umgehend darauf geantwortet hätte, wie es auch mein Brief-Notizenbuch ausweist. –

Mein Rath ist daher folgender daß Sie sich zu unsern Justiz-Minister Lutz, welcher gegenwärtig in Berlin ist, bemühen und ihn Ihr Anliegen vortragen. Sollte der Herr Justiz-Minister, wieder mein Erwarten sich der Sache nicht so annehmen wie Sie es wünschen, so bitte ich es mir augenblicklich zu schreiben, ich werde dann augenblicklich andere Schritte einleiten. Sehr gut wäre es wenn Sie sich vielleicht vorher ehe Sie zum M: Lutz gingen, sich mit meinem Vetter den kgl. Regierungsrath Grafen v: Wartensleben* besprechen würden, welcher mit Lutz bekannt ist, und welch Letzterer ihn auch schon besucht hat. Vielleicht nimmt der Graf die ganze Angelegenheit selbst in die Hand. Sie werden beim Grafen auch meine liebe Tochter Therese finden, die seit einigen Wochen in Berlin ist, die aber, obwohl ich ihr es schon in jeden Brief geschrieben, leider aber wegen andauernden Unwohlsein noch nicht dazu kam, meinen lieben Freund Jähns zu besuchen. Daß Ihr Vaterherz in diesen gräßlich blutigen Krieg so glücklich durchgekommen ist, freut mich recht von Herzen, auch mir wurde, Gott sei ewiger Dank dafür, wenigstens das Herbste erspart, obwohl ich mit meiner Familie die ganze Dauer des Krieges in steter täglicher Angst u. Sorge zubrachten*. Mein Sohn Fritz, welcher alle Schlachten von Weissenburg, Wörth, Beaumont, Bazaille, Sedan, Orleans, und Paris mitgemacht, ist bis heute unversehrt und gesund. Von seinem Bataillon ist nur noch ein Hauptmann u[.] er übrig geblieben, er hat sich sehr ausgezeichnet, ist Oberlieutenant geworden u. hat das Ritterkreuz des Militär Verdienst-Ordens erhalten. Ich selbst habe seit 5 Monaten ein Leiden am Kinnbacken welches mich hindert auch nur einen Ton spielen zu können. Hoffentlich sind Sie kerngesund mit Ihrer geschätzten Familie, und erleben so recht viele Freuden. Zu den andern gratuliere ich bestens, doch bedürfte dieß eigentlich keiner königl: Bestätigung mehr, aber im letzten Grund ist es doch so auch gut. –

Mit Pocci ist in dieser Ihrer Sache nicht viel zu machen er steht eigentlich dem Könige zu ferne, obwohl er bei feierlichen Aufzügen vor ihm hergehen darf. –

Nun lieber herzensguter Freund muß ich enden, mein Kreuz gestattet mir nicht mehr zu schreiben als: daß auch ich Ihr stets unwandelbarer Freund bin u. bleiben werde, und daß sich auf Ihr Buch kindisch freut Ihr
alter kreuzlahmer
Carl Baermann
senior

Apparat

Zusammenfassung

Jähns hatte offensichtlich angefragt, ob B. ihm jemanden nennen könne, der beim König anfragen könne, ob er ihm sein WV schenken dürfe. B. empfiehlt Justiz-Min. Lutz in Berlin durch Vermittlung seines Vetters, des Grafen v. Wartensleben, der kgl. Regierungsrath in Berlin sei. Folgen Familiennachrichten

Incipit

Wenn ich Ihnen heute nur flüchtig Ihren lieben herzlichen Brief beantworte

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Weberiana Cl. X, Nr. 28

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (3 b. S. o. Adr.)

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Eveline Bartlitz, „Ich habe das Schicksal stets lange Briefe zu schreiben …“. Der Brief-Nachlaß von Friedrich Wilhelm Jähns in der Staatsbibliothek zu Berlin – PK. Die Briefe Carl Baermanns an Friedrich Wilhelm Jähns, in: Weberiana. Mitteilungen der Internationalen Carl-Maria-von-Weber-Gesellschaft e. V., Heft 8 (1999), S. 32–33

Textkonstitution

  • „wieder“sic!

Einzelstellenerläuterung

  • „… in Betreff Ihres herrlichen Buches“Jähns wollte ein Exemplar seines soeben erschienenen Weber-Werkverzeichnisses dem bayerischen König schenken.
  • „… kgl. Regierungsrath Grafen v: Wartensleben“Es dürfte sich dabei um den Stadtgerichts-Rath J. Graf von Wartensleben gehandelt haben, der laut Berliner Adreßbuch 1871 in der Kochstraße 73 wohnhaft war.
  • „… täglicher Angst u. Sorge zubrachten“Gemeint ist der deutsch-französische Krieg, der am 19. Juli 1870 von Napoleon III. erklärt worden war, und der nach dem Sieg Preußens am 26. Februar 1871 vertraglich beendet wurde.

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