Caroline von Weber an Ida Jähns in Berlin
Dresden, erhalten Freitag, 20. Oktober 1843

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Meine liebe Ida!

Ich schreibe Dir gleich als Antwort auf Deinen Brief, weil sich grade eine Gelegenheit bietet den Brief abermals durch einen Bekanten, (welcher villeicht aber wieder unsichtbar bleiben wird) zu überschicken. Dein gestricher Brief mein lieber Advokat hat mich viel lachen gemacht, denn sein ganzer Inhalt ist so Prozess voll, so Schlesinger artig, dass ich glauben muss der gute Mann hat es mit seiner süssen Courmacherey so weit gebracht meine Ida zum Rechtsgelehrten oder Rechtsverdreher umzuwandeln –. Du Schelm willst mir zwar glauben machen all Dein Bemühen all Deine Wege in der Sache, wären nur um Meinetwillen gethan, aber, aber, wer weiss! wer weiss! na, ich will dem Wilhelm keinen Floh ins Ohr setzen, aber gestehen muss ich doch dass mir die Sache verdächtig vorkömt, und dass Wilhelm besser thun wird die schöne Gattin dem Herrn Verleger fern zu halten, sonst erlebt er doch villeicht einmal eine zweite Auflage ihrer Liebe welche ihm nicht honoriert wird. — Na Spass apart. Euch meine lieben Kinder interessiert, wie es scheint, die ganze Sache mehr wie mich, denn eigendlich geht sie mich ganz und gar nichts an, sondern ist nur meiner Kinder Sache. Doch ich muss Euch nur erzählen wie der ganze Kram entstant, und daraus werdet ihr sehen dass es wie Gottes Fügung aussieht. Als ich nehmlich für Herrn Schlesinger auf dem Rathause schwören sollte hatte ich mir zu meinem Trost bey der Sache, den Herrn Advokat Meinert bestellt mit mir zu gehen. Dieser Herr Advokat Meinert ist der Bevollmächtigte Max’ens bey seiner Erbschaftsausgleichung mit Winkler, und Max, welcher grosses Zutraun zu ihm hat, hat ihm für alle Fälle eine Vollmacht ausgestellt um bey vorkommenden Fällen in seinem Interesse zu handlen. Als nun Tag und Stunde heran kam wo ich den Schwur leisten sollte kam Herr Meinert, und durchsah die Papiere, und fragte mich noch allerley die Schlesingersche Angelegenheit betrefend. Er wollte erst durchaus nicht dass ich den Schwur leisten sollte, weil, wie er hörte, Schlesinger sich über den rechtmässigen Besitz der Compositionen nicht ausweisen könnte. Ich sagte ihm aber dass ich mein Wort gegeben und es halten wolle. Nun aber fragte er mich, im Intressse meiner Kinder, ob Schlesinger bey vorgekomenen neuen Auflagen sich mit den Erben abgefunden habe? und da musste ich natürlich mit Nein antworten. Er fand das im höchsten Grade unbillig und ungerecht, und versicherte das in keinem Falle leiden zu wollen. Natürlich musste ich ihm versichern, wenn er als Rechtsgelehrter überzeugt sey dass wir ein Recht zu irgend einer Forderung der Art hätten ich ihm darin freye Hand zum Handlen für die Kinder lassen würde. Und darauf hin hat er sich in Leipzig mit mehreren Musikalienhändlern in Corespondenz eingelassen, welche auch alle einstimig versicherten das wir das Recht hätten von Schlesinger für die vielen Auflagen welche er schon von den Weberschen Compositionen, namendlich von der Aufforderung zu Tanz pp gemacht habe eine bedeutende Entschädigung zu verlangen. Bey dieser Gelegenheit wurden uns auch wegen der Herausgabe der Partituren bedeutenden Anerbieten gemacht so dass ich nun auch gar nicht gesonnen bin sie vom Schlesinger stechen zu lassen. Was Dir Lichtenstein über die Sache sagte, welchen ich eigendlich erst später davon in Kentnis setzen wollte, klingt freylich nicht tröstlich, aber wie gesagt, ich über lasse alles dem Herrn Meinert, welcher die Sache als Ehrensache ansieht, und nicht für mich sondern für die Kinder sorgt. Die ganze Angelegenheit ist auch von der Art, dass wir Frauen darin nichts thun können, und durch jede Art von Theilnahme ehr etwas verderben als gut machen können. Dein Verehrer wird sich gewiss seiner Haut wehren wenn sie ihm nicht festgewachsen ist, und ist es nicht, wird Herr Meinert schon so lange daran ziehen, bis er sie hergeben muss. Mit dem halben Honorar ist es gar eine lächerliche Sache, und besser wäre dann gar nichts — Doch wie gesagt, ich rede kain Wort drein, bin auch nicht etwa bös auf Herrn Schlesinger sondern lasse alles gehen wie es gehen kann. Nur bitte ich Euch noch meine lieben Kinder redet auch Ihr nichts mehr mit ihm darüber, denn ich glaube das ist alles vom Uibel, und nützt zu gar nichts. So jung Herr Meinert auch ist, so fest ist er bey seinen Entschliessungen, und er versichert er werde Maxens Recht bis aufs Letzte verteidigen, Verliert er, na, so muss ich es hiennehmen. aber die Angst, Herrn Schlesingers Freundschaft einzubüssen wird mich warlich zu nichts bestimmen, denn ich glaube man hat mehr Ehre von seiner Feindschaft als von seiner Freundschaft. Doch Punktum über die ganze Sache, nur schon viel, viel zu viel!!

Nun aber auch endlich ein paar Worte für uns. Dass unser Frankfurter Freund* Euch meinen Brief nicht selbst gebracht, mag wohl daher kommen dass er, wie er mir schreibt in Berlin unwohl wurde und nicht ausgehen konnte sonst hette er sich gewiss die Freude gemacht Euch kennen zu lernen. Dieser mein Jugendfreund ist nun auch Schuld daran dass Ihr mein Bild noch nicht habt, denn sein altes Herz verlangte so sehr nach dem Conterfey seiner ersten Liebe dass Alex ihm eine Copie im Kleinen versprechen musste. Diese Copie ist nun zwar angefangen aber da Alex wirklich jetzt recht fleissig ist, und den ganzen Tag im Atelier arbeitet kann noch eine Zeit darüber hingehen bis er mein liebes Gesicht auf die Leinwand gezaubert hat und noch eine viel längere bis es ihm vergönnt ist endlich zu Euch meine Lieben zu eilen um das schwarze Atlaskleid zu benutzen. Ich mag ihm auch jetzt gar nichts von Eurer freundlichen Mahnung sagen, denn das würde ihn nur jetzt in seinem rühmlichen Eifer stöhren; ich will auch jetzt keinen Zeitpunkt in der Perspektieve zeige[n] wo Euch das hohe Glück zu Theil werden kann ihn von Angesicht zu Angesicht zu sehen, denn die geteuschte Erwartung so eines Grossen Glücks ist doch gar zu schmerzlich. Besser er fällt Euch einmal wie eine Bombe ins Haus, und dann wird er durch unendliche Liebenswürdigkeit schon noch im Stande sein das letzte Fünkchen Deiner Liebe für ihn zu hellen Flamen an zu fachen. Es scheint aber meine Ida, dass Du Deine Pagen nicht gut erziehst, denn Dein Herr Messerschmit, welcher, wie er an Brauer sagte, mir etwas von Euch zu überbringen hatte, hat sich noch nicht sehen lassen, und das ist doch unverzeihlich. Ich habe auch desshalb gestern zu ihm geschickt aber der Page war aus geflogen. Von Max habt Ihr also selbst Nachricht? und wisst also dass er jetzt in Cöln sicher besser als in Bonn befindet? Im Frühjahr wird er hieher, vor seiner grossen Reise, zurückkomen und natürlich auch Euch noch in Berlin besuchen die gute Seele macht sich und uns das Leben damit sauer dass er wieder auf’s Neue Abschied nehmen will aber um keinen Preiss mögte ich ihm die Freude versagen uns wieder zu sehen, denn die Reise nach England ist ja für mich ohnehin etwas schrekliches. Ich weiss nicht meine Kinder ob ich bey Euren Hiersein* die Briefe aus England so hatte wo die Katolische Gemeinde sich erbietet, wenn wir es wünschen, Webers Asche Kostenfrey hieher zu senden. Wenn ich es annehme, wie müssten sich die Deutschen schämen. Doch ich will darüber erst dann bestimmen wenn Max sich alles selbst angesehen hat, und mir darüber berichtet. Eine Ansicht der Gruft hat man mir geschickt, und ich schicke sie Euch hier zur Ansicht mit, doch müsst Ihr sie mir bald wieder senden. Gesund bin ich jetzt Gott lob! bis auf mein dummes Auge welches noch immerst thränt. Ich werde mich einmal Magnetisieren lassen, villeicht hilft auch mir das, wie es schon so vielen geholfen. Ob es nicht auch dem Wilhelm gut wäre wenn der es einmal probierte? denn, ist sein Fingerübel Gigtstoff, so ist der Magnetismus gewiss das beste Mittel. Nur ein Uibel bringt er mit sich dass nehmlich in der Zeit, wo man sich dieser Cour unterzieht, alle Leute die einen früher sehr geliebt haben, nach, und nach ganz gleichgültig werden, ja zuweilen die Zuneigung sich in Wiederwillen verwandelt — Na, das wäre eine schöne Geschichte lieber Wilhelm! — wie würde da Herr Schlesinger triumpfieren!!

Ich bitte Dich lieber Wilhelm behalte lieber Deine schlimmen Finger, denn wenn sie um den Preis gesund würden, müsstest Du sie dann zuerst dazu brauchen den guten Herrn durchzuprügeln. Und das wäre doch eine fatale Beschäftigung. Ich wollte Dir gern, zu dem Liede welches Du mir versprochen hast zu Componieren, einen hübschen Text schicken lieber Wilhelm, aber bis jetzt habe ich noch nichts finden können, Du müsstest denn das Räzel componieren was ich Dir schicke, welches schon einmal, aber schlecht, von Ritter componiert wurde. Für verliebte Leute kann die Sache recht Intressant sein.

So lebt denn nun wohl Ihr guten Kinder und ängstigt und sorgt Euch nicht. Herrn Schlesinger wird schon der Hals nicht abgeschnitten werde[n], eben so wenig wie mir. Gott gebe Euch einen gesunden und frohen Winter. Mit inniger Liebe gedenkt Eurer dieMutterAlex grüsst herzlich.

Apparat

Zusammenfassung

berichtet über die Schlesinger‑Angelegenheit; als sie auf dem Rathause für Schlesinger schwören sollte, hat sie sich den Advokaten Meinert mitgenommen, der der Bevollmächtigte von Max ist bei seiner Erbschaftsausgleichung mit Winkler; er ist der Meinung, dass die Familie am Erlös der Nachauflagen Weberscher Werke beteiligt werden müsste; ob sie sich evtl. Schlesinger zum Feind mache ist ihr einerlei; entschuldigt sich, dass ihr Bild noch nicht geschickt werden konnte, aber ihr Jugendfreund möchte gerne eine kleine Kopie davon haben, und Alex hat sie noch nicht beendet; verspricht, dass Alex bestimmt, sobald er kann, nach Berlin kommen wird, um Ida zu malen; hat Briefe aus England von der Katholischen Kirche, die eine kostenfreie Überführung der Asche Webers anbieten; möchte sich noch nicht dazu äußern bis Max in England war

Incipit

Ich schreibe Dir gleich als Antwort

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Frank Ziegler Eveline Bartlitz

Überlieferung

  • Textzeuge: Dresden (D), Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (D-Dl)
    Signatur: Mscr. Dresd. App. 2097, 85

    Quellenbeschreibung

    • masch. Übertragung nach dem verschollenen Original (Nr. 85 des Konvoluts)
    • 7 S.
    • am Kopf die Notiz: „Empfangen den 20sten Oct. 43.“

    Einzelstellenerläuterung

    • „… uns. Dass unser Frankfurter Freund“Vermutlich Philipp Jakob Börne; vgl. Rätsel um Caroline von Weber und Ludwig Börne.
    • „… ob ich bey Euren Hiersein“Das Ehepaar Jähns hatte sich Mitte August 1843 auf der Rückreise von Wahlstatt einige Tage besuchsweise in Dresden aufgehalten, am 22. August kamen sie wieder in Berlin an; vgl. Max Jähns, Familiengemälde, S. 215.

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