Caroline von Weber an Friedrich Wilhelm und Ida Jähns in Berlin
Dresden, erhalten Donnerstag, 4. Januar 1844

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Glück und Segen zum Neuenjahr!!!

Meine lieben Kinder!

Ganz beschämt durch Eure Güte muss leider heute ganz mit leeren Händen vor Euch erscheinen, und habe nichts darzubringen als den herzlichsten innigsten Dank für Eure Liebe. Glaubt aber nicht, dass die Mutter aus Trägheit die Hände in den Schoss legte und nichts für Euch arbeiten wollte nein gewiss nicht! aber der böse Doctor hat mir jede feine Arbeit wegen meinem armen Auge untersagt, und dies Jahr hat keiner meiner Freunde etwas von meiner Hände Arbeit aufzuweisen. Das Auge ist ganz schmerzlos, thränt aber ununterbrochen, und gehe ich in der Luft so ist es als ob ich heftig weinte. Noch ist die Sache nicht bedenklich, aber wenn ich das Auge nicht schone, kann eine Thränenfistel daraus werden; na, und so ein Ding ist doch gar so eklich. — — — — —

Von meinem Max habe ich in diesen Tagen auch gar keine gute Nachricht. Er ist unwohl, und sehr hypochonder — doch er hat Euch ja geschrieben, und wird schon seine Noth geklagt haben. Zum erstenmal ist er die Weihnachtszeit ganz allein, und ich finde es wohl begreiflich dass ihn die Sehnsucht übermannte. Wir haben die Feyertage auch ziemlich still verlebt. Bey Ehrhardts hatten die Kinder die Spitzblattern und die Ehrhardt war auch unwohl. Es wurde wohl bescheert, aber ohne alle Freude. Ich dachte an meinen armen einsamen Max, und musste weinen als ich mich freuen sollte. — Ach wenn nur die böse Zeit der Trennung erst überstanden wäre, aber vor der Reise nach England zittere ich sehr. Was werde ich da für Angst ausstehen!! Na, wie Gott will! gute und schlimme Zeiten gehen doch endlich vorüber! Unser guter Metz hat auch seinen Plan nach Berlin zu kommen aufgeben müssen, weil er gar viel Arbeit bekam für Weihnachten und seine gezeichneten Portraits sehr gut bezahlt werden. Er kann jetzt nicht gut einen Verdienst von der Hand weisen weil er Geld zu seiner Reise nach Italien braucht die er nächsten Sommer antreten wird. Die gute Seele wird mir recht fehlen! aber es geht in einen hin wenn Max fort geht. Ein bischen Betrübniss mehr oder weniger darauf kommt es dann nicht an. Er lässt Euch recht herzlich durch mich grüssen, und wird Euch gewiss besuchen wenn er zu seines Bruders Hochzeit nach Brandenburg reisst. Wohl habt ihr recht Euch zu wundern wie mir das Unglück mit dem Gelde hat geschehen können*, aber bey dem Zusammenpacken aller Papiere (weil ich den Schreibtisch der Gerstäcker einräumen musste) und bey meinem schlechten Gedächtniss konnte es wohl kommen dass ich in dem Wahn stant ich hätte die Scheine mit zu den übrigen gepackt. Uibrigens glaubt nicht dass ich die Sache ganz hinhängen liess ich hatte sie einen Advokaten übergeben und der ist desshalb nicht müssig gewesen; ist dem Mädchen nach, Leipzig nach gereist, hat tausenderlei Vorkehrungen getroffen, so dass ich ihm heute 20 Thaler Kosten habe zahlen müssen, aber da wir gar keine Beweise haben, und es schon so lange her ist sind seine Bemühungen bis jetzt ganz erfolglos geblieben. Ich dachte mir das aber gleich, und ärgere mich heute über die 20 Thaler fast eben so viel als über meinen grossen Verlust. Schreibet dem Max aber nichts davon, denn was würde es nützen wollte ich den damit betrüben. Das muss die Mutter schon allein tragen. Dafür soll dies Jahr auch Wills Gott! ein rechtes Spaarjahr werden. Ich will weder eine Reise machen, noch aufs Land ziehn, will hübsch zu Hause bleiben und fleissig spinnen. Das ist die einzige Beschäftigung welche ich mir jetzt bieten darf und welche mich freut.

Brauer hat die Musikalienhandlung von Rotter übernomen, den Verlag hat sich Rotter noch vorbehalten. Gebe Gott dass der arme Brauer gut damit fährt, denn da seine Augen täglich schlechter werden wird er wohl nicht lange mehr Stunden geben können. Geht es daher mit dem Geschäft halbwegs so hat er doch etwas für seine alten Tage. Er ist aber leider ein Pechvogel, und sehr selten glükt ihm etwas. Bitte, meine Kinder, schickt mir mit Gelegenheit auch Webers Gruft wieder, denn ich will mir sie einrahmen lassen*. Wegen Webers Denkmal sind einmal wieder die Stimmen getheilt. Die Mehrzahl stimmt aber dafür die Asche herüber zu holen. Was ich wünschen soll weiss ich nicht mehr, und will mich nur mit dem Strome treiben lassen und wie es komt als Gottes Fügung betrachten. Nur der arme Max dauert mich wenn er all die Aufregung in London wird überstehen müssen.

Alex ist jetzt nicht hier sondern auf dem Rittergut Strauch, wo er, ausser dem Portrait der Tochter* noch einige andere Portraits zeichnen soll. Nebenbey wird er aber wohl auch fleissig Hasen schiessen. Für die schöne Mütze hat er mir aufgetragen der guten Ida herzlich zu danken. Wahrscheinlich werden die Bewohner von Strauch sie jetzt bewundern. Die schöne Composition Wilhelms hat mir grosse Freude gemacht und Alex hat mir das Lied oft vorsingen müssen. Auch das Strickbeutelchen ist gar niedlich und zahrt, und ist schon von fleisigen Händen nachgemacht worden.

Ist denn Dein neuer Page, Messerschmidt*, nicht in Dresden? siehst Du Carl Schneider wohl zuweilen? und was macht Papa Lichtenstein? — Wie ich höre wird Meyerbeer nächstens hier durch kommen* und da bin ich begierig was ich von unsern Pintos höre. Die Sache fängt an mir lächerlich vor zu kommen! Wenn er mir sie nur wieder gäbe. Wagner würde sie gern machen, besonders würde es dem dadurch leicht, weil er Dichter ist und das Buch sich selbst machen könnte. Ich glaube Wagner wird einmal ein bedeutendes Licht am Musikalischen Horizont werden und wird den Meyerbeer verdunklen. Er ist aber auch jetzt schon bedeutend dünkelvoll geworden und hört sich gern mit Bethoven vergleichen. Ja ja, der Baum war lange durch Mangel und Noth gebeugt, jetzt schnellt er um so heftiger empor. Seinen Charakter trau ich nicht recht, ich glaube es versteht es den Leuten recht schön Como[e]die vor zu spielen.

Ich sehe eben dass ich heute schlechter als je schreibe und dass ihr rechte Noth haben werdet das Geschmiere zu lesen, aber ich muss schreiben indem ich mir das eine Auge zuhalte und das ists kein Wunder das es solche Hahnenfüsse werden.

Gott sey mit Euch Ihr Lieben. Behaltet mich lieb wie ich Euch. Herzlich umarmt Euch die
Mutter.

Apparat

Zusammenfassung

Dank für Weihnachtsgaben, sie konnte wegen ihres Augenleidens keine Handarbeiten als Geschenke machen; Brauer hat die Musikalienhandlung von Rotter übernommen; erbittet das Bild von Webers Gruft zurück und teilt mit, dass die Stimmen für Webers Denkmal geteilt seien, dass aber die Mehrheit für die Überführung der sterblichen Überreste sei; fürchtet sich schon jetzt im Hinblick auf die Londoner Reise von Max wegen der damit verbundenen Aufregungen; Meyerbeer ist zu erwarten, und sie ist begierig, etwas über die Pintos zu hören; Wagner würde sie gern machen und könnte auch den Text dichten; folgend ihre Einschätzung von Wagner

Incipit

Ganz beschämt durch Eure Güte

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Frank Ziegler Eveline Bartlitz

Überlieferung

  • Textzeuge: Dresden (D), Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (D-Dl)
    Signatur: Mscr. Dresd. App. 2097, 90

    Quellenbeschreibung

    • masch. Übertragung nach dem verschollenen Original (Nr. 90 des Konvoluts)
    • 5 S.
    • am Kopf die Notiz: „Empfangen den 4. Jan. 44.“

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • MJ, S. 222–223 (Auszug)
    • Weberiana 12 (2002), S. 27f. (Auszug)
    • Weberiana 27 (2017), S. 76 (Auszug)

    Einzelstellenerläuterung

    • „… dem Gelde hat geschehen können“Vgl. die Schilderung im vorhergehenden Brief vom 6. Dezember 1843.
    • „… will mir sie einrahmen lassen“Zu der aus London zugesandten Zeichnung vgl. dazu den Brief vom Oktober 1843.
    • „… ausser dem Portrait der Tochter“Zum Porträt der kleinen Helene Freiin von Rochow vgl. auch den Brief vom 6. Dezember 1843.
    • „… denn Dein neuer Page, Messerschmidt“Student in Berlin (1843/44) und Leipzig (1844); Sohn von Friedrich Messerschmidt.
    • „… Meyerbeer nächstens hier durch kommen“Meyerbeer reiste erst Anfang August 1844 nach Dresden, nachfolgend sind u. a. Treffen mit Wagner und Winkler dokumentiert; vgl. Meyerbeer, Briefwechsel und Tagebücher, Bd. 3, S. 520f., 524.
    • srecte „r“.

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