Friedrich Wilhelm Jähns an Adolf Borbstädt in Wahlstatt
Berlin, zwischen Samstag, 3. und Sonntag, 18. April 1841

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[…] Daß Spontini von der vox populi gerichtet ist, weißt Du; aber daß sein Stolz jede Warnung verachtet hat, daß er auf das Schimpflichste durch eine kleine, kaum 4 Fuß hohe Thür neben dem Souffleurkasten in die untere Maschinerie abgekrochen ist, das weißt Du wahrscheinlich nicht. Bereits heißt dies Thürchen, welches für zu spät kommende Orchester-Mitglieder bestimmt ist: Spontini-Portal, und die Stimme ist eine allgemeine, die ihm sein Geschick gönnt; einige Ausnahmen zählen nicht, und manche Stimmen sind lächerlich, z. B. Nicolai’s, der im Figaro schreibt: „Der edle Maestro Spontini ist gestern als ein Opfer der Gemeinheit gefallen; doch soll dieser Märtyrer der Kunst denken: Herr, vergieb Ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun!“ Dergleichen bestärkte dann Spontini in seiner Haltung; er bezeichnet seine Gegner kurzweg als „Pöbel“; die Leute erfahren das, und wer weiß, welcher Scandal entsteht, wenn er es wirklich durchsetzen sollte, wieder dirigiren zu dürfen. Man sagt, der Bußtag sei dazu ausersehen, weil man wohl mit Recht annimmt, daß ein geistliches Concert keine Störung erfahren werde. Aber wehe ihm später! – Die Freude an jenem Abend, den Verhaßten abgeschüttelt zu haben, war unbeschreiblich. Bis zum Thürsteher hinunter war Alles wie berauscht. Ich war nicht im Theater, doch im Zwischen-Act im Opernhause. Die Polizei-Officianten stimmten ganz laut und einstimmig in die Stimme des Volks mit ein; einer sagte zu mir: nun wahrhaftig, wenn 2000 Menschen pochen, wenn die Herren des ersten Ranges ganz offen ihre Stöcke heben, um zu pochen und ihre Damen nicht minder applaudiren, wenn der Spontini sich davon macht, da werden wir doch nicht eingreifen – ’s ist gut, dass endlich der Hallunke fort ist. […]

Ein Conzert, das in Dresden zu diesem Zweck gegeben worden ist*, hat den glänzendsten Erfolg gehabt; der König war zugegen und eine von diesem bewilligte Vorstellung im dortigen neuen Theater wird alle Mittel herbeischaffen und der Sache die gehörige Sanction geben*. – Auch dort hat’s nicht an Bösen gefehlt; ja der eigne Vormund der Kinder, Herr Th. Hell (Hofrat Winkler) hat sich mit der größten Macht dagegen aufgelehnt und hat den Intendanten der Oper aufgehetzt, so daß allen Musikern des Hoftheaters amtlich verboten ward, bei jenem Conzert mitzuwirken etc. etc.; doch die an demselben Abende angesetzte Oper war leer, der König erschien im Conzert und nicht in der Oper, und die Leute sind bestraft. – Alles war frei gegeben worden: der Saal, die Erleuchtung, die Ausschmückung des Saales; die Eintrittsbillets bilden ein wahres Kunstwerk (ich werde eins mir fassen lassen), und auch sie wurden, wie Papier, Druck etc. ganz gratis geliefert. – An diesen beiden zu gleicher Zeit zusammentreffenden Begebnissen (Spontini und Weber) dürfte doch fast die directe Einwirkung des ruhenden Verhängnisses zu erkennen sein. – Das ist schön und beruhigt wieder! […]

Apparat

Zusammenfassung

Bericht über Spontinis letztes Dirigat an der Berliner Hofoper (2. April 1841, Don Giovanni, Vorstellung aufgrund von Protesten gegen den Generalmusikdirektor nach der Ouvertüre unterbrochen) und über den Dresdner Weber-Verein und dessen Initiativen zur Überführung von Webers Sarg von London nach Dresden

Incipit

… Daß Spontini von der vox populi gerichtet ist

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Frank Ziegler

Überlieferung

  • Textzeuge: Max Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns. Ein Familiengemälde für die Freunde, hg. von Karl Koetschau, Dresden 1906, S. 177f.

    Einzelstellenerläuterung

    • „… diesem Zweck gegeben worden ist“Konzert der Dresdner Liedertafel am 26. März 1841 im Saal des Hôtel de Saxe, veranstaltet zur Unterstützung der Subskription zum Zweck der Überführung von Webers Sarg von London nach Dresden.
    • „… Sache die gehörige Sanction geben“Als Benefizvorstellung für die Errichtung eines Weber-Denkmals wurde die 100. Dresdner Freischütz-Vorstellung am 24. August 1842 bestimmt; vgl. dazu Lüttichaus Eingabe an den König vom 15. September 1842 und dessen diesbezügliche Entschließung vom 29. September 1842.

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