Hinrich Lichtenstein an Caroline von Weber in Dresden
Berlin, Freitag, 12. März 1841

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Meine theure Freundin!

Mit dem lebhaftesten Interesse habe ich von dem Enthusiasmus vernommen, den der Gedanke, Weber’s irdische Ueberreste nach Dresden zu bringen, dort angeregt hat. Das ist Künstlers Apotheose, nach einem Erdenwallen, dessen Dornen unsern Freund in das Grab gebracht haben. Ich kann mir denken, von wie vielen streitenden Empfindungen Sie bei dieser Gelegenheit ergriffen sein müssen, und hatte mir schon vor einigen Tagen vorgenommen, Ihnen einige beruhigende Zeilen zu schreiben, als mir gestern Max sagte, daß Sie sie (und mit wie vielem Recht!) von mir erwarten. – Wir, die Seinen, (ich bin stolz genug, mich dazu zu rechnen) haben solche Gedanken nicht angeregt und würden es nie gethan haben, weil es uns nicht wohl angestanden haben würde. Da es nun aber einmal so Vielen (aus mir noch ganz unbekannter Veranlassung) darum zu thun ist, das das Vaterland sich selbst gnüge, daß unserm Freunde ein Denkmal werde über seiner Asche, an dem Ort, wo er am thätigsten und in der Zeit seiner vol|len Reife gewirkt hat, warum sollten wir uns dessen nicht freuen, daß ihm diese Anerkennung zu Theil wird? Sollen wir sagen, es sei eine leere Schwärmerei? Wir müßten ja alle ähnliche Handlungen tadeln, denn jedes dankbare, liebende, ehrende Andenken hat ja nur seinen Werth in einer solchen Begeisterung für seinen Gegenstand. Sollen wir sagen, es sei Schade um das Geld, man könne es besser anwenden, vielleicht gar zur Ausstattung der Söhne gebrauchen, wie würde uns das letzte vor uns selbst erniedrigen, wie haben wir überhaupt eine Befugnis zu solcher Frage! Wenn eine große Gesammtheit in größeren und geringen Beiträgen die Kosten dazu hergeben will, daß Weber’s Reste im heimischen Boden bewahrt werden, daß die, welche seine Klänge entzückt haben und noch lange erfreuen und entzücken werden, die Stätte finden können, wo seine Söhne dereinst ihre Ruhe neben ihm finden mögen, so liegt darin für uns etwas Erhebendes, daß es eine solche Gesammtheit noch giebt, die den Werth des Entschlafenen noch sechszehn Jahre nach seinem Tode so lebhaft empfindet und sich in dieser Empfindung zu einer solchen Gemeinthat einigte. Ich denke also, wir haben nur darüber zu jubeln, und wenn es sich für uns auch nicht schickt, dafür zu werben, so würde es uns doch noch viel übler anstehen, so schöne Ehre abzulehnen oder gar zu verbitten. Aengstlichen Freunden von Weber kann zwar die Besorgniß einkommen, es möchten die Beiträge nicht hinreichen, alle Kosten des Unternehmens zu decken oder die Ausführung könnte ärmlich, also nicht ganz eines solchen Mannes würdig ausfallen; aber lassen Sie uns doch das abwarten, vorläufig wenigstens nichts hindern, lassen Sie uns vernehmen, welchen Anklang die Sache außerhalb Dresdens findet, wo sie noch gar nicht bekannt ist und wo im weiten Deutschland so Mancher lebt, der sich freuen wird, sein Scherflein beizusteuern. Ich kann mir nicht denken, daß ein wahrer Freund Webers geradezu dagegen sein kann, daß die Stimme des Volkes sich zum Ruhm des Sängers erhebt. Sie müsse laut tönen und wollte man sie dämpfen, nur desto lauter hervorbrechen.

Wohl kann ich mir aber denken, was Sie selbst am meisten bewegt und ängstigt. Das sind die erschütternden Scenen, die es geben wird, wenn die Ausführung des Entwurfes nun zu einer wirklichen Feier wird. Da kann es schwerwehmüthige Augenblicke für Sie geben, die Sie aber überstehen und ertragen werden, weil eine solche Wehmuth erhebt und weil dies Alles nichts ist, gegen das, was Sie schon getragen haben. Hätten wir allein die Mittel dazu gehabt, würden wir nicht gleich selbst Weber’s Leiche nach Dresden gebracht haben, ohne vor dem Augenblick ihrer Ankunft zu bangen? Es ist ja also nur der eigne Wunsch, den uns die unerwartete Gunst der Zeitgenossen noch erfüllt, während wir leben und bei dem wir den Vergleich mit dem Transport Napoleons nicht zu fürchten haben, denn den brachte die Ruhmsucht seiner Nation, diesen bringt die Liebe der Kunstfreunde den Seinen wieder.

Aber erschütternde Augenblicke anderer Art kann es für Sie noch geben, wenn sich nämlich, was nicht ausbleiben wird, die Stimme des Neides oder der Neigung für eine andere Kunstrichtung als die Webersche in den Jubel mischen sollte. Ich denke, auch die können Sie überhören, denn sie ist ein Beweis mehr für Weber’s Größe und Eigenthümlichkeit.

Wird also auch nur theilweise ausgeführt, was man vorhat, wird nur die Leiche gebracht und bei stiller Nacht ausgeschifft nach dem Kirchhof ohne Gepränge und ohne Monument, so meine ich, haben Sie doch Allen zu danken, die dabei thätig gewesen sind, denn Ihrem frommen Sinn haben sie gedient und ein wahrhaft frommes Werk ist vollbracht.

Wenn Sie dann zwischen Ihren beiden trefflichen Söhnen auf dem Grabe stehen und sich sagen können, sie im Geiste des Vaters erzogen und zu ausgezeichneten Männern gebildet zu haben, dann mögen d i e es zur Aufgabe ihres Lebens machen, das Monument zu besorgen, das ein seltenes zu werden verspricht, nämlich das, daß im Vater und seinen beiden Söhnen die schönsten Künste in hoher Blüthe sich vereinen: Musik Dichtkunst, Malerei und Architectur, und soll das der Welt in einem äußerlichen Zeichen dargestellt werden, so erfinde Alexander die Form des Grabmals und Max führe sie aus in Erz oder Stein und mache die Inschrift, die der Nachwelt sage, wie es möglich geworden, durch den Verein anhänglicher Kräfte einem solchen Monument den Ort auf heimischem Boden zu gründen. In herzlicher Liebe
Ihr
H. Lichtenstein.

Apparat

Zusammenfassung

Es geht um den in Dresden entstandenen Plan, Webers irdische Hülle in die Heimat zu holen, den die Berliner Freunde sehr begrüßen, wenngleich sie kein Recht haben, sich in die Vorbereitungen und Erwägungen einzuschalten. Er sieht emotional für sie eine Herausforderung darin, der sie sich aber stellen müsse. Kann sich vorstellen, dass die begabten Söhne gestaltend beim Grabmal mitwirken könnten.

Incipit

Mit dem lebhaftesten Interesse habe ich von dem Enthusiasmus vernommen

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz

Überlieferung

  • Textzeuge: Christoph Arnold und Adolph Schäfer, Ein Wort zu Beseitigung von Missverständnissen, in: Sächsische Vaterlandsblätter, red. von Adolph Schäfer, Jg. 1, Nr. 64 (30. März 1841), S. 303f.

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