Carl Maria von Weber an August Konrad Hofmann in Darmstadt
Würzburg, Donnerstag, 28. Februar 1811

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Korrespondenzstelle

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S: Wohlgebohren

dem Herrn HofKammerrath Hoffmann

zu

Darmstadt.

im Schneiderschen

Hause wohnhaft.

Seyen Sie ja nicht böse liebster Freund, daß ich auf Ihren lieben Brief noch nicht geantwortet habe, aber ich wollte erst gehörig über meinen Aufenthalt in Giesen referiren können, und das thue ich nun mit so mehrerem Vergnügen, als ich Sie versichern kann, mich ungemein wohl und zufrieden da befunden zu haben. man hat mich mit sovieler Herzlichkeit und Freundschaft empfangen als ich es nach Ihrer und H: Ghilmers Empfehlung* erwarten konnte. das Heyersche und Emmerlingsche Haus* hatten sich ganz in mich getheilt, und war ich nicht bey einem, so konnte man mich gewiß beym anderen finden. mein Concert* /: wovon ich Ihnen hier einen Zettel* beylege :/ fiel äußerst brillant aus, so daß sich niemand errinert, ein so volles Concert gesehen zu haben, ich nahm 82 ƒ ein, wovon die Unkosten circa 20 ƒ betrugen.      ich rechne es unter die Miraculosa, nun 2 Concerte* gegeben zu haben, und bey keinem Cabalen gehabt zu haben, sondern aufs bereitwilligste und thätigste unterstüzt worden zu seyn.      Ein einziges kleines Rencontre hatte ich mit H: Regierungs Rath Schwabe, den ich um die Polizeiliche Erlaubniß ersuchen muste*. der gute Mann fragte mich nach den gehörigen Attestaten über meine zulängliche Geschiklichkeit, auch — ob ich einen Paß hätte, — und dergleichen Dinge mehr, kurz behandelte mich wie einen Vagabunden; ich sagte ihm die Meinung etwas derb und bündig, und versicherte ihn daß ich keine Hunde tanzen ließ, die der Attestate allenfalls bedürfen, — und brachte den guten Mann, zulezt in die gröste | Verlegenheit. die Erlaubniß erhielt ich übrigens auf der Stelle durch den Gouverneur H: General von Wittgenstein, — aber ich muß gestehen, daß ich doch nicht übel erbittert war, besonders war der Contrast so auffallend daß in dem Augenblik wo man mich mit Ehren überhäuffte, und sich so sehr freute daß ich nach Giesen gekommen war, — ich ebenso schnell, als ein sich, zum aus der Stadt zu transportiren geeigneter — ausfragen laßen sollte. dieser kleine Uebergang aber, wurde mir herrlich durch den allgemeinen Beyfall der wirklich enthusiastisch war, versüßt, den ich am Abend meines Concertes ärndete.      Man drang allgemein in mich noch länger zu bleiben, aber da mir jezt jeder Tag kostbar ist, so reißte ich schon d: 23t wieder ab, über Hanau, Aschaffenburg, hieher nach Würzburg.      Leider bin ich h aber hier zu einer ungünstigen Epoche angekommen, denn — 1mo hört der Großherzog keinen Fremden der nicht direct an ihn empfohlen ist, und 2do ist ein Junger Franzose* von 9 Jahren hier der schon die Concert Erlaubniß hat, so daß ich wenigstens noch 14 Tage hier still liegen müßte, dazu habe ich nun natürlich keine Lust, und sezze daher Morgen meinen Stab weiter nach Bamberg. Wenn Sie mir dahin umgehend, Post restant schreiben wollten, würden Sie mir eine große Freude machen, denn wahrhaftig so wehe als mir die Trennung von Ihrem lieben Haus gethan hat, hat mir noch nicht leicht etwas gethan, und nie werde ich vergeßen mit welcher innigen Theilnahme Sie an meinem Schiksal hiengen. Freundschafts Ver|sicherungen von meiner Seite, will ich keine erst mehr machen, denn wie Sie mich einmal kennen, so bin und bleibe ich ewig, und es ist vielleicht eins meiner wenigen Verdienste, mir wenigstens immer gleich zu bleiben.

     Ihrer lieben Gattin alles Schöne von mir, und sie sollte auch zuweilen ein bischen an den Entfernten denken, H: Ghilmer, Leideker, viele Grüße, und an Sie lieber Hoffmann die Bitte nicht zu vergeßen Ihren Sie so herzlich liebendenFreund Weber.

Apparat

Zusammenfassung

berichtet über Aufenthalt und Konzert in Gießen sowie Aussichten in Würzburg

Incipit

Seyen Sie ja nicht böse liebster Freund, daß ich auf

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Kiel (D), Institut für Literaturwissenschaft der Universität, Theaterwissenschaftliche Sammlung (18,601)

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
    • PSt: R.3.WÜRZBURG
    • mit Beilage: Konzertzettel Gießen, 22. Februar 1811
    • am linken oberen Rand der Rectoseite Vorbesitzervermerk von fremder Hand mit roter Tinte: „v. Fr. Ritsert“
    • am rechten oberen Rand Vorbesitzervermerk von fremder Hand mit roter Tinte: „18,601“
    • in der oberen Mitte der Rectoseite von der Hand Hofmanns: „d 5 Merz 11 beantw.“

    Provenienz

    • Henrici Kat. 46 (13./14. Sept. 1918), Nr. 153 (mit gedrucktem Programm des Giessener Konzerts)

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Franz Ritsert, Ein bis jetzt unbekannter Brief von Carl Maria v. Weber, in: Darmstädter Zeitung, 1873, vol. 1, Nr. 88 (29. März), S. 377 (inklusive Wiedergabe des Konzertzettels)
    • Spenersche Zeitung, 1873, Nr. 163 (6. April)
    • Neue Berliner Musikzeitung, Jg. 28, Nr. 1 (1. Januar 1874), S. 5f.
    • Faksimile (einschließlich Konzertzettel) bei Max Bührmann (Hg.), Briefe deutscher Musiker aus der Romantik. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Oper des 19. Jahrhunderts, Kiel 1934 (Berlin SBB, Mus. D 177)

Textkonstitution

  • „und“durchgestrichen
  • „zu“durchgestrichen
  • „h“durchgestrichen
  • s„S“ überschrieben mit „s

Einzelstellenerläuterung

  • „H: Ghilmers Empfehlung“Weber erhielt das Empfehlungsschreiben vermutlich bei seinem letzten Besuch bei Ghilmer am 13. Februar (vgl. Tagebuch).
  • „Heyersche und Emmerlingsche Haus“Die Familien von Georg Friedrich Heyer und Ludwig August Emmerling; vgl. dazu Tagebuch 19. – 22. Februar.
  • „mein Concert“Webers Konzert am 22. Februar 1811 in Gießen.
  • „Zettel“Vgl. Programmzettel zum Konzert, Faksimile in: M. S. Viertel, Weber im Konzertsaal, in: Carl Maria von Weber. Werk und Wirkung im 19. Jahrhundert. Ausstellung der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek Kiel 1986, Kiel 1986,S. 37.
  • „2 Concerte“Auch bei dem vorhergehenden Konzert am 6. Februar in Darmstadt hatte Weber gute Einnahmen, vgl. Tagebuch.
  • „Regierungs Rath Schwabe … Erlaubniß ersuchen muste“Zu dem Vorgang vgl. Tagebuch 19./20. Februar.

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