Carl Maria von Weber an Johann Gänsbacher in Innsbruck
Dresden, Sonntag, 28. April 1822

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Du wirst fast glauben müßen ich sei ob dem Troubel und Beifall Getobe auch so ein Allerwelts Schlingel geworden, und vergeße meine liebsten Getreuen. Ach nein, ich bleibe immer der Alte, aber es ist nicht zu läugnen, daß, je mehr ich der Welt angehöre, je weniger ich mir selbst leben kann, und oft das Liebste mir versagen muß. Vor allem mußt du meine Freude theilen, nach langen jährigen Leiden und oft vereitelten Hoffnungen erkauft. den 25t huj: Vormittag 11 Uhr hat mir meine Lina einen gesunden Jungen, glüklich gebohren. Sie stillt ihn selbst, und beide sind so gesund als nur immer möglich, und auch mit mir geht es wieder beßer, und ich hoffe alles von meinem Aufenthalt auf dem Lande, wohin es sobald als möglich geht. Nun zu deinen Briefen.

Ja die Freude dich in Wien zu sehen, wäre zu groß gewesen, und der Himmel hat mir sie aufgehoben. Was du mir über Silvana schriebst, war ganz aus meiner Seele gesprochen, ich habe auch schon früher ihre Aufführung verweigert. Vergieß ja die Meße für unseren König nichtT. hilft es nichts, so schadts auch nichts, und ich habe noch manches Plänchen in petto.      Aber lieber Bruder so lange du nicht ganz festen andern Fuß hast, bleib in deiner jetzitgen Carriere.

Die JubelKantate ist wohl schon an dich abgegangen, wie mir Lannoy schreibt*. das ist ein trefflicher Mensch, den ich herzlich lieb gewonnen habe.      Kampf und Sieg soll nun auch kommen*, und mit ihm mein Dank für das Ehren Diplom.

Deinen lezten Brief erhielt ich 2 Tage vor meiner Abreise in W: die arme Firmian habe ich gar nicht zu sehen bekomen. wie ich ankam war er schon krank, und nach seinem Tode konnt ich es nicht mehr übers Herz bringen. Auch kam meine eigne Krankheit dazwischen.

Es würde gewiß unter die größten Freuden meines Lebens gehören, etwas zu deiner Existenz beitragen zu können, | aber beim Erzherzog K: konnte ich nichts helfen. ich habe ihn nur einmal beim Prinz Friedrich von Sachsen gesprochen, und weiß wohl, daß er mir freundlich gesinnt ist, aber um mit ihm von so etwas wirksam sprechen zu können, müßte man oft und viel um ihn sein. Es wird mich aber dieß bestimmen bey meinem 2t Aufenthalt in Wien mich ihm möglichst zu nähern, was ohnedieß ganz der hohen Verehrung und Liebe angemeßen ist, die ich und jeder brave Deutsche für ihn in der Brust trägt.

Mein guter Bruder, wie sehr beschämst du mich durch die Bescheidenheit mit der du dich — für mich wahrhaft rührend — bei dieser Gelegenheit aussprichst. dein Kopf und Herz sind des besten Platzes werth, und keiner soll dir vorgehen.

Die Wolkensteine* habe ich nicht mehr gesehen. wahrscheinlich suchten sie mich nach meiner Abreise auf.

Junghs fand ich wohl und heiter in Prag*. ich war in der Hinreise 2 Tage und her 1 Tag da. da wurde denn auch viel von dir gesprochen.

Nach langen Jahren habe ich endlich von Gottfried wieder einen Brief bekommen, ganz voll der alten Mannheimer Wärme und Liebe. das hat mich unendlich gefreut, denn ich gab ihn ganz verlohren. Bärmann hat wieder geheyrathet*.

Meyerbeers neuste Oper l’Esule di Granada hat in Mayland sehr gefallen*.

d: 26t März kam ich zurük, und habe noch fast 3 Wochen das Zimmer hüten müßen*. Auf dem Lande nach alle diesem Trubel, soll es fleißig an meine neue große Oper, Euryanthe, gehn. zum Herbst soll sie fertig sein. Gott gebe seinen Seegen dazu.

Möge der Himmel doch auch bald deine Wünsche erfüllen wie glüklich würde mich das machen. laß bald wieder etwas von dir hören, und behalte lieb deinen alten unveränderlich treuen Weber.

Apparat

Zusammenfassung

zeigt Geburt Max Marias an; bedauert, G. in Wien nicht getroffen zu haben; über sein Eintreten für eine Anstellung G’s in Dresden und entsprechende Maßnahmen (Messkomposition, geplantes Gespräch mit Erzherzog Karl); über gemeinsame Bekannte; erwähnt Nachricht von Gottfried Weber; Plan der Euryanthe-Auff. im Herbst

Incipit

Du wirst fast glauben müßen ich sei ob dem Troubel

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Wien (A), Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, Bibliothek (A-Wgm)
    Signatur: Weber an Gänsbacher 51

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Nohl 1867, S. 278–280 (Nr. 48)

Textkonstitution

  • jetzitgen„jezigen“ überschrieben mit „jetzitgen
  • „jetzitgen“sic!
  • „in“über der Zeile hinzugefügt

Einzelstellenerläuterung

  • „… abgegangen, wie mir Lannoy schreibt“Weber hatte dem Wiener Musikverein über Sonnleithner eine handschriftliche Partitur der Kantate zukommen lassen (vgl. Tagebuchnotiz), die Grundlage für die Wiener Erstaufführung des Werks am 24. März 1822 war; vgl. WeGA, Serie II, Bd. 4, S. 202f. Danach wurde entweder diese Partitur leihweise nach Innsbruck geschickt oder aber ein danach kopiertes weiteres Exemplar.
  • „… Sieg soll nun auch kommen“Das Honorar für das Abschreiben der Kantate vermerkte Weber erst am 2. Juni 1822 im Tagebuch.
  • „… Die Wolkensteine“Vermutlich Maria Anna Gräfin Wolkenstein-Trostburg, Schwester des Grafen Firmian, mit einem oder mehreren ihrer Söhne: Leopold Johann Baptist (1800–1882), Karl (Friedrich Otto) (1802–1875), Wilhelm (1805–1835), Joseph Franz (1807–1832).
  • „… wohl und heiter in Prag“Vgl. die Tagebuchnotizen zu den Treffen am 12. Februar und 23. März 1822.
  • „… verlohren. Bärmann hat wieder geheyrathet“Eheschließung im Oktober 1821 mit Franziska von Zimmermann.
  • „… hat in Mayland sehr gefallen“Zur Uraufführung am 12. März 1822 in der Scala vgl. u. a. den Bericht in der AmZ, Jg. 24, Nr. 16 (17. April 1822), Sp. 255–259.
  • „… Wochen das Zimmer hüten müßen“Nach der Erkrankung in Wien (vgl. die Tagebuchnotizen vom 9. bis 17. März 1822 und die Briefe Webers an seine Frau aus dieser Zeit) hatte Weber aufgrund der anstrengenden Reise, von der er am 26. März nach Dresden zurückgekehrt war, offenbar einen Rückfall, so dass er bis zum 10. April kaum das Haus verließ; vgl. den Eintrag vom 11. April zum ersten anschließenden Ausgang sowie die Briefe an G. Weber vom 22. April und an H. Lichtenstein vom 28. April 1822.

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