Karl Theodor Winkler an Christian Andreas Birch in Wien
Dresden, Sonntag, 7. Juni 1829

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HofRat Winkler
Empfang Wien 11. Junii

Geehrtester Herr und Freund!

Mad. Mevius hat mir Ihren lieben Brief nebst den beyden dramatischen Arbeiten Ihrer Gattin eingehändigt. Ich bekenne Ihnen offen daß ich – vor Frauenarbeiten mich ewas scheuend – nicht mit dem günstigsten Vorurtheile an die Lektüre der leztern ging. Aber wie sehr habe ich meine Erwartungen übertroffen gefunden, und ich muß Ihrer Frau das aufrichtigste Bravo über diese beyden ersten Produkte ihrer dramatischen Muse zurufen. Es ist so viele Haltung, Charakterschilderung und Lebendigkeit darinn, daß der gute Erfolg beyder auf der Bühne nicht fraglich seyn kann. Auch die Sprache ist höchst fließend und doch kräftig, so wie der Humor in den Parthien Gottfrieds und seiner Geliebten ungemein anziehend. auch ich halte Burg Greifenstein für das Gelungenste. Sie behandelt dieselbe Sage wie der Chézy Euryanthe. Aber wie ganz anders, wie viel lebendiger und ergreifender, wahrer und sichrer ist hier alles! Und dieser Kontrast der Charaktere! Wenn Webern diesen Stoff als Oper vorgelegen hätte, wie ganz anders wäre sein Meisterwerk noch geworden. Die Entwicklung ist viel edler und natürlicher, die zurückstoßende Eglantine ist vermieden, und der Drachenkampf Gottlob weggeblieben. Aber lieder wird diese Gleichheit der Fabel mit Euryanthe der Aufführung dieses braven Werks Ihrer Frau da entgegenstehen, wo jene Oper der Liebling des Publikums ist, wie z. B. in Dresden. Daher rathe ich auch nicht zur Darstellung lezteren Orts, aber wohl zur Aufführung in Leipzig, wo Euryanthe minder durchgriff. Unbedingt dagegen empfehle ich den auch sehr wirkungsreichen Fra Bartolomaeo für beyde Bühnen. Er wird und muß sehr gefallen. Noch heute übergebe ich also dem H. Hofmarschalle mit meiner wärmsten Empfehlung beyde Stücke. Gebe nur der gute Genius, daß sie bey Minds-Tieck eine gute Stunde finden, und dann hoff` ich Ihnen bald recht günstige Nachricht darüber zu ertheilen. Ich sprach nur so gegen Sie aus, wie ich es jedenfalls in der Conferenz und überall thun werde.

Grüßen Sie die mir sehr schätzbare Dichterin und Darstellerin herzlichst und bleiben Sie von der ausgezeichneten Hochachtung überzeugt womit ich stets verharre
Ihr
ganz ergebenster
Winkler.

Apparat

Zusammenfassung

hat seinen Brief neben den beiden Libretti seiner Gattin erhalten; beglückwünscht seine Frau zu diesen beiden ersten Produkten; Burg Greifenstein behandele die Euryanthe‑Sage; bedauert, dass Weber nicht diese Ausformung des Stoffes vorgelegen habe; jetzt aber stünde diese Verwandtschaft vermutlich dem Erfolg des Stückes im Wege; Fra Bartolomaeo müsse aber gefallen; übergibt beide Stücke dem Hofmarschall

Incipit

Mad. Mevius hat mir Ihren lieben Brief nebst den beyden dramatischen

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: München (D), Theatermuseum, Bibliothek (D-Mth), Nachlaß Birch‑Pfeiffer
    Signatur: Briefe (No. 1964)

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)

Textkonstitution

  • „Minds“unsichere Lesung

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