Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Montag, 21. Juli 1817 (Nr. 69)

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Ey Ey Sie ungeduldige Mamsell! wenn ich Zeit hätte, ich hätte wohl Lust ein bischen mit ihr zu zanken über ihren No: 71. den ich d: 19t erhielt. Hast ja ordentlich empfindlich geschrieben, weil an dem Tag wo du dir es einbildetst, kein Brief von mir kam. ist das Recht? Zu anderen Zeiten hätte so etwas hingehen können, aber jezt ist es nicht mehr an der Zeit dazu sollten wir vernünftiger sein, und nicht den Beweiß der Liebe in vielen und langen Briefen suchen. Ja, weßen Beschäftigung der Art ist, daß er nur eben zu diesen Briefen sich zum Schreibtisch sezt, da ist es etwas anderes, wer aber den ganzen Tag daran gebannt ist wie ich, gegen den sollte Muks billig sein, und ihn nicht befürchten laßen, daß ein Brief weniger oder nicht gehörig lang seine Lina vielleicht verstimmen könnte. das Herz ist gewiß jede Stunde zum schreiben bereit, aber Brust, Augen und Finger halten es nicht aus. Noch kein Jahr ist es mir so hart gegangen als jezt, vom Januar bis jezt habe ich, die Geschäftsbriefe ausgenomen, 212 Briefe geschrieben. Das ist kein Spaß, und leider musten sie sein, und ich hätte sie lieber gern oft in den Winkel geworfen um mit Muks zu pabsen.     Zudem, meine alte Mukkin je näher der Zeitpunkt komt, wo ich dir nicht mehr zu schreiben brauche, desto magerer komt mir jeder Brief vor, wenn ich bedenke wie viel sich mündlich in eben der Zeit abmachen läßt. Nun will ich sehen ob du brav bist. lachst du über dieß Kapitel, so ists gut, wirst du aber traurig, so verdienst du Haue.

Da der Shal so schön wird, so ist es viel beßer du läßt ihm seine erste Bestimmung und trägst ihn selbst.     Wenn der Schreibschrank inkomodirt so sollen sie ihn in GottesNamen schikken*, er muß doch hieher, und ein paar Thaler Unkosten mehr oder weniger.      H. Schwarz grüße wieder, ich weiß wohl daß er ein alter Bekannter von mir ist, wuste aber nicht daß er da sey*, frag ihn doch ob die Tochter nicht auf Gastrollen und dann Engagement vielleicht, herkommenwolle, er solle nur an Hellwig schreiben, daß ich ihn veranlaßt hätte.      Arme Lina hast also am Ende deiner Laufbahn noch recht viel zu thun. Da hab ich [in] dem Stuttgarter Repertoir gelesen, daß dem Hummel seine Frau, wieder aufgetreten ist*. das hat mir einen recht trüben Tag gemacht, und fiel mir wie ein Stein aufs Herz, – – –* Gratulire doch bestens der Mama in meinem Nahmen, ich war nie um diese Zeit in Prag, und habe daher ihren Geburtstag nicht in meinem Kalender stehen. das schöne Blumenbouquet hat mir recht herzliche Freude gemacht. es gefiel mir gleich sehr, /: und Baßi must es auch bewundern :/ ehe ich noch gelesen hatte, daß du es ganz allein gemacht hattest. dieses schöne Talent fleißig benuzt wird dir und mir noch viele Freude machen.     Ich weiß nicht, aber daß du immer was am Dr: jezt zu tadeln und zu zupfen hast, gefällt mir nicht, auch daß er mir gar nicht schreibt — da sizt noch die alte Verstimmung fest, und ich hatte wohl recht daß die garstige Geschichte, dem schönen Verhältniß die Blüthe nehmen würde, Gott gebe daß ich zu Schwarz sehe, und daß die Pillen und das Gurgeln mich auch krittlicher machen als nöthig wäre. — Das wäre doch wirklich zu toll von Löwe wenn er seine Frau und die Direction | im Stiche ließ*.     Den Monat August muß ich noch wohnen bleiben, denn heute Morgen bekam ich ein Billet von dem jezigen Bewohner unsers Quartiers daß er mir es erst d: 1t Sept: überlaßen könneT. Sey ohne Sorgen liebe Lina, du wirst noch genug zu thun finden, und ich nur das allernothwendigste vorher ordnen können. Mit dem früher kommen ists aber nitz. ’s ohnedieß eine schwierige Sache, bedenke einmal gerade wo der König in die Stadt zurük kömt*, gehen Morlachi und ich weg, und Hellwig legt die Regie nieder. – Was die Winzer betrifft, so glaube ich, daß sie das ihrige gethan haben, und wenigstens der eine wird durch Mißtrauen nicht rütteln, das hat er ja nie gethan.          Da kömt eben Dein Brief No: 83 vom 19t September. darüber habe ich herzlich gelacht, desto weniger aber über den anderen Inhalt. das mit der Mad. Spengler, nun das ist weder was Gutes noch was schlimmes aber – nims nicht übel die KlatschGeschichte mit dem Sohn von Hans behagt mir nicht, und bestätigt mir abermals was ich kurz vorher bemerkt habe. übrigens lieber Schneefuß, so sehr es meine einzige Freude ist alles zu wißen was du thust, vorhast pp und Freude und Schmerz mit dir zu theilen, so erzähle mir doch lieber so etwas nicht, wo ich weder Rathen, helfen, noch eigentlichen Antheil nehmen kann. was auch eigentlich in der Wirklichkeit gar nichts ist, aber so geschrieben sich zu einer Art von Wichtigkeit erhebt, die mir leid thut, weil ich immer mehr und mehr daraus das wachsende Mißverhältniß daraus ersehe, du bist so schnell mit deinem nicht mehr hinaus gehen da, daß es bald aussieht, als möchtest du nur eine ordentliche Ursache haben es auszuführen. Ich kenne das Haus und alle seine Bewohner genau, und weis recht gut Schatten und Lichtseite, aber es würde mir doch eine Spaltung wehe thun. ganz ungetrübt wird ohnediß schon kaum mehr in dieser Hinsicht der Tag sein, den ich so gerne in allen Beziehungen, zu dem fröhlichsten meines Lebens, zur neu aufgehenden Sonne meiner Heiterkeit gemacht hätte.     du bist doch noch die alte heftige und schwarz sehende, schreibst 3 Seiten voll, über das was der Dr: vielleicht sagen wird, und von dem wahrscheinlich am Ende gar nichts paßirt ist.     Wohl dir, wenn du einsehen lernst wie nothwendig es ist eine sparsame einsichtsvolle Hausfrau zu sein.

Der Komödien Zettel ist nicht wizzig genug, und bezeichnet blos die Prager Gemeinheit. Der arme Wilhelmi, ist auch so einer von denen in den Tag hinein duselnden karakterlosen Menschen. das heißt nun auch gut, – und ists auch am Ende – aber wie? und zu was ist diese Güte gut?

O du abermals ungeduldiger Schneefuß, kann nicht helfen must schon noch aushalten, deine Ahndung mit dem überraschen ist nichts, sondern ich werde es dir dießmal gewiß schreiben, um auch die Freude zu haben dich ein paar Stunden früher an mein Herz zu drükken.      Armer Muks, nun da der Brief auf die Post muß sehe ich erst daß er auch recht ernsthaft ist, und wenn du nicht recht brav bist, so kannst du dich grämen und noch mehr blaß werden, als du mir schon drohest. Heute Abend komt der Graf Vizthum zurük.      daß du d: 19t noch nicht meine No: 67 hattest ist mir unbegreifflich.

Nun lebe wohl geliebtes Leben, sey brav, heiter und Gesund, mit mir geht es so ziemlich. d: 19t hatte ich Vormittags und Abends Probe von Salomon bis 10 Uhr. Gestern war er, und ging gut*. Heute war GeneralPr: von Lodoiska. heute bade ich noch. übrigens bin ich immer zu Hause, und oft um 1/2 10 Uhr schon im Bett. – Grüße an alle Gott segne dich + + + und behalte recht lieb deinen dich über alles liebenden
treuen Carl.

Millionen Bußen.

Editorial

Summary

über das Briefschreiben (mit Statistik); über zahlreiche gemeinsame Bekannte, den geplanten Umzug; Caroline Brandts Probleme mit Dr. Jungh; Proben und Aufführungen

Incipit

Ey Ey Sie ungeduldige Mamsell! wenn ich Zeit hätte

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Weberiana Cl. II A a 2, 15

    Physical Description

    • 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)
    • Zusätze von F. W. Jähns auf der verso-Seite (Tinte): “Carl Maria von Weber an seine Braut. Eigenhändig.”, auf der recto-Seite zum Datum (Bleistift): “Dresden.”

    Provenance

    • vermutlich zu jenen 60 Weber-Briefen gehörig, die Max Maria von Weber Anfang 1854 an Friedrich Wilhelm Jähns verkaufte; vgl. Max Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns. Ein Familiengemälde für die Freunde, hg. von Karl Koetschau, Dresden 1906, S. 403

Text Constitution

  • “… No: 83”Tatsächlich handelt es sich um Caroline Brandts 72. Brief dieser Serie; die Zahl ist von Weber korrigiert, allerdings sind die überschriebenen Ziffern nicht zweifelsfrei lesbar.

Commentary

  • “… sie ihn in GottesNamen schikken”Wohl der Schreibtisch/Schreibschrank, den Weber laut Tagebuch am 29. März 1817 beim Prager Tischler A. Schambach in Auftrag gegeben hatte.
  • “… nicht daß er da sey”Carl Schwarz, den Weber seit dem gemeinsamen Engagement in Breslau (1804 bis 1806) kannte, gastierte laut Tagebuch der deutschen Bühnen (1817, S. 344f.) vom 9. bis 24. Juli 1817 am Prager Ständetheater. Er kam mit seiner Tochter Julie erst im Juni 1818 als Gast nach Dresden.
  • “… Frau , wieder aufgetreten ist”Laut Tagebuch der deutschen Bühnen (1817, S. 192) sang Elisabeth Hummel in Stuttgart als Gast am 17. März die Emmeline in der Schweizerfamilie und am 23. März die Babette in Der neue Gutsherr.
  • “… aufs Herz, – – –”Anders als Hummel verlangte Weber von seiner Braut mit der Eheschließung den vollständigen Rückzug von der Bühne, um sich ausschließlich der Familie zu widmen. Einerseits sah er wohl ein Konfliktpotenzial in dem gemeinsamen Engagement von Kapellmeister und Ehefrau (als Sängerin/Schauspielerin) am Theater. Andererseits äußerte er, vorrangig in seinen Briefen an den Freund Hinrich Lichtenstein, seine aus heutiger Sicht konservativen Prinzipien (31. Januar / 4. Februar 1815: „Mein Weib, muß mir gehören nicht der Welt.“, 14. Mai 1818: „die wahre Bestimmung des Weibes in seiner schönen Häuslichkeit tritt mit seinem vollsten Rechte hell hervor“), die auch in seiner Korrespondenz mit der Braut Caroline immer wieder zum tragen kommen.
  • “… die Direction im Stiche ließ”Ludwig Löwe plante einen Wechsel ans Leipziger Theater, blieb dann aber in Prag.
  • “… in die Stadt zurük kömt”Das „Pillnitzer Hoflager“, also der Sommeraufenthalt des sächsischen Hofes, endete 1817 laut Hoftagebuch am 27. September.
  • “… war er, und ging gut”Vgl. den Bericht in der Abend-Zeitung vom 6. August 1817.

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