Caroline von Weber an Friedrich Wilhelm und Ida Jähns in Berlin mit Nachschrift von Alexander von Weber an Ida Jähns
Dresden, erhalten Sonntag, 16. Januar 1842

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Wenn Ihr meine lieben Kinder, villeicht schon recht ernstlich auf Mutter Weber geschmält habt weil sie Euch für Eure schönen Weihnachtsgaben noch nicht gedankt hat, so habt Ihr darin doch nur halb Recht denn die Mutter hat desswegen nicht geschrieben weil sie etwas auf dem Herzen hat, was sie gern so lang als möglich unausgesprochen lies weil es ihr gar so weh that Euch eine Freude zu stöhren. Aber es hilft nichts, einmal muss es doch heraus. Aber nun erst vor Allem, den schönsten herzlichsten Dank für Alles was Eure liebe uns in so reichem Maase, bescherte, aber zugleich die Bitte künftig unseren Beyspiel zu folgen, und es mit all den schönen Gaben nicht zu übertreiben sonst muss Mutter Weber statt zu danken tüchtig zanken. Auch wir haben einen frohen Weihnachts-Abend verlebt, obgleich wohl nicht so, als wenn wir hätten bey Euch sein können, aber man muss nicht ungenügsam sein und auf die Zukunft hoffen die dann doch villeicht einmal des schönen Wunsches Gewährung bringt. Aber zu fest muss dieser Wunsch, diese Sehnsucht nicht wurzeln denn, ach leider sehe ich ja jetzt eben, wieder anderst sich manches in Lauf eines halben Jahres gestalten kann. So gehörte es ja auch zu den süssesten Hoffnungen meines Lebens mit Euch einen Sommer in Loschwitz [zu] wohnen, und siehe da, der Mensch denkt, aber der Himmel lenkt. Aus mehr als einen Grunde muss ich für diesen Somer den Plan nach dem lieben Dörfchen zu ziehen aufgeben, denn erstlich, wünscht mein Artzt mich unter Augen zu behalten, weil meine Gesundheit von Zeit zu Zeit Aderlass und warme Bäder erfordern, dann zieht auch die gewisse Person wieder hinaus der ich um keinen Preis begegnen mögte, und drittens hat sich bey der bewussten Angelegenheit, Herr Modes* so falsch und schlecht benommen dass ich ihm darüber meine Meinung sagen, und in Folge dessen höchlich erzürnen musste, Wie ich höre, ist mein kleines Häüschen schon vermiethet, und ich gestehe auf einen anderen Platz mögte ich nicht wohnen. Ich hatte mich schon in alles gefunden besonderst da ich hörte der Max würde nach Altenburg versetzt, und wünschte mich eine Zeitlang da bey sich zu sehen, als die Hoffnung die sich in Euren Briefen ausspricht und die Euer Hieherkomen als fast gewiss erscheinen lässt mich nun doppelt betrübt macht. So muss denn immer etwas kommen was Ruhe und Zufriedenheit stört indem es uns zeigt was wir hätten erlangen können, und wie wenig es ist was wir haben. Ich hatte mir in meiner Genüglichkeit und weil ich die Bäder zur Hand habe, das Gartenhaus im Lämchen* gemiethet, wo ich diesen Sommer still und einsam nur der Wiederherstellung meiner Gesundheit leben wollte, die in dieser letzten Zeit sehr gelitten hatte, und sich in Manchem Besorgniss erregenden Simptomen kund gab, wie sie sich wohl häufig in meinen Alter einstellen mögen. — Wohl wäre noch Stube Und Kammer in dem Häüschen zu haben, und für Fremde auch alle Bequemlichkeit vorhanden, da man nicht zu kochen brauchte und alles, und Jedes, ganz billig im Hause zu haben ist, Auch wären wir ganz allein Bewohner des Häuschens und die Kinder könnten immer im Garten sein — aber Dir zureden hieher zu kommen um im Lämchen zu wohnen, das kann ich freylich nicht. Mene könnte freylich viel spazierengehn, könnte manchen schönen Punkt besuchen, und vor Allen wäre die Sache sehr billig ins Werk zu setzen denn das Logie kostet mit Möbel 4 Thaler, und auf jeden Fall isst Du billiger hier als Du in Loschwitz kochen kannst, ein Mädchen brauchtest Du auch nicht mit zu bringen, die nähmen wir auf die Zeit hier, ohne Kost, den Kaffe machen wir uns selbst — kurz ich glaube Du brauchst nicht mehr als 15 Thaler den Monat — Ach, ich sehe aber wohl, die Mutter fängt doch an zu überreden und das wollte sie doch eigendlich nicht, aber, sollte Euch der Himmel regieren, und Ihr hieher in meine Einsamkeit komen wollen, dann, ach dann, macht mir bald die Freude mir es zu schreiben damit ich das Logie miethe ehe uns Jemand zuvor komt. Aber lasst Euch durch der Mutter Wunsch ja nicht bestimmen denn es ist keine Frage dass der Aufenthalt in Loschwitz viel, viel, viel schöner ist, und man recht genügsam sein muss, soll es einem in so einen Garten gefallen nachdem man in dem Paradies gewohnt hat. Alex ist auch trostlos darüber, aber er sieht ein dass die Mutter nicht anders konnte, auch noch aus einem Grunde den ich Dir nur mündlich sagen kann. Ach ich fühle wohl dass diesmal mein Brief mit trüben Augen gelesen wird. Aber glaubt mir, es ist auch mit solchen geschrieben — — Meyerbeer war hier, und hat nun auf’s Neue alles versprochen. Winkler soll das Buch machen und — in Jahr und Tag — wird es auch nichts sein — nun wie Gott will Er hat bis hieher geholfen! Nur Extran Ausgaben dürfen wir uns jetzt gar nicht gestatten denn künftige[n] September müssen wir Max mit 200 Thl. vom Militair frey kaufen und die wollen erspaart sein. Doch nun für heut auch genug. Gott sey mit Euch, und erhalte mir Eure Liebe,

[Nachschrift von Alexander von Weber]

Trompeten und Pauken!

Trompeten und Pauken!

Eine lange Schwulstrede tritt auf. Schwulstrede: Da zu erwarten steht meine hochverehrte schöne und theuerste Herrin; dass Dein unwürdig fauler Dir die Fussriemen nicht aufzulösen würdiger, zwar von Reue und Bussübungen zerknirschter, und zerhackt, und zerfleischter armer Pagen nicht schon längst vor Deinen schönen Augen, von edlen Pagen zu faden Bedienten entwürdigt, dasteht (blos nach einem erhaltenen Geschenk, wie zum Beispiel ein Weihnachten), so schreibt denn endlich Dein Pagenbedienter, erniedrigt zu sein glaubender ein paar grässlich dumme zungenzerbrechende und Verwünschungen hervorrufende Zeilen an Dich die auch weiter kein Verdienst haben als den der Kürze und bündigkeit und des fast noch nie gesehen[en] Geistes, der in jeden Buchstaben waltet. — — —

Er ersteht sich und gehet zu beiden Seite[n] schnell ab! —

          Dein treuer Page den die Verzweiflung über Deinen möglichen Zorn im voraus wahnsinnig gemacht hat.

[Nachschrift von Caroline von Weber:]

mit Erstaunen sehe ich, dass mein Sohn wirklich toll ist!

Apparat

Zusammenfassung

dankt für Weihnachtsgeschenke und teilt mit, dass sie aus verschiedenen Gründen diesen Sommer nicht nach Loschwitz gehen kann, hat das Gartenhaus im „Lämmchen“ gemietet und redet Ida zu, dorthin zu kommen mit den Kindern; Meyerbeer ist bei ihr gewesen und hat alles zu den Pintos aufs neue versprochen, Winkler solle den Text schreiben; sie ist aber dennoch skeptisch; im September muss sie Max für 200 Thl. vom Militär freikaufen

Incipit

Wenn Ihr meine lieben Kinder, villeicht

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Frank Ziegler Eveline Bartlitz

Überlieferung

  • Textzeuge: Dresden (D), Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (D-Dl)
    Signatur: Mscr. Dresd. App. 2097, 71

    Quellenbeschreibung

    • masch. Übertragung nach dem verschollenen Original (Nr. 70 des Konvoluts)
    • 5 S.
    • am Kopf die Notiz: „Empfangen den 16. Januar. 1842.“

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Brieferwähnung mit Inhaltsangabe MJ, S. 187
    • Weberiana 27 (2017), S. 73 (Auszug)

Textkonstitution

  • „… ich, dass mein Sohn wirklich“dreifach unterstrichen

Einzelstellenerläuterung

  • „… der bewussten Angelegenheit, Herr Modes“Beim Fährmann Modes in Loschwitz hatte die Familie von Weber im Sommer 1840 gewohnt; vgl. Max Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns. Ein Familiengemälde für die Freunde, hg. von Karl Koetschau, Dresden 1906, S. 169.
  • „… habe, das Gartenhaus im Lämchen“Landgasthaus „Lämmchen“ im gleichnamigen Vorwerk der Dresdner Johannstadt.

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