Ignaz Franz Castelli an Karl Theodor Winkler in Dresden
Wien, Freitag, 12. Mai 1820

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Du erhältst mein vielgeliebter Bruder in der Beylage eine gedrängte Uibersicht der Monathe Febr: März und Aprill. Mögen deine Leser damit vorlieb nehmen, mich hat es Mühe genug gekostet, das Ding zusammenzuschreiben, ohne daß ich (: die Albaneserinn* ausgenommen :) irgend etwas gesehen habe. Vom Mai an soll’s wieder werden wie vorher — ferners ein etwas lascives Gedicht: Liebes- u. Heurathshistorie etc Scheint dir’s nicht druckbar wie es ist, so sende mir’s zurück oder ändere den anstößigen Schluß. Der Ton ist — mindestens bey unsern Landleuten — getroffen. — Die Quittung für die erhaltenen 4 # übergieb dem Grafen Vitzthum, er hat sie begehrt. Das beyliegende Briefchen ist von Lembert.

Könnt’ ich deinen Wunsch in Erfüllung bringen, und machen daß du das Theater gewännest (: versteht sich, wenn ich es selbst nicht gewinnen kann :) wie gerne wollt’ ich es thun; denn du wolltest ja dann hieher kommen. — Aber nur Geduld! Geduld! — du kömmst nicht aber ich werde kommen. Ja ja ich — 50 # liegen bereits erspart in meinem Pulte, sobald die Summne zu 150 anwächst, und mir andres in meinem Amte ein Urlaub zu Theil wird, dann setze ich mich mit meiner Herzinniggeliebten* auf und fahre fort, geraden Weges zu dir.

Mit Daffinger hab’ ich hinsichtlich Eurer Porträte gesprochen. Das tolle Menschenkind ist zu faul, und lebt in’s Zeug hinein, als ob er Morgen schon sterben sollte. Er denkt gegenwärtig auf gar nicht’s als auf’s Mahlen, Essen, Trinken modisch Ankleiden und — — ? —

Houwald kannst du sagen daß alles Jeder, der sein Bild gelesen hat, davon entzückt sey. Wenn Schreyvogel ihm das schreibt so kann er das leicht für ein Compliment nehmen, aber Sch. hat es mir eben so gelobt, und die Regisseurs küssen sich die Fingerspitzen, wenn sie nur davon reden. Es soll bis zum Herbst aufbewahrt werden. |

Wie ist’s mit der Isouard’schen Oper nach meiner Bearbeitung gegangen?* — Du sagst ich soll dir eine Quittung senden, damit du das Honorar dafür beheben kannst 38 Fl. ww. kostet mich die Copiatur ich kann also unmöglich weniger als 12 # dafür nehmen. Frage nach ob Eurer Casse das recht ist.

Das zweyte Exemplar der Abendzeitung ist abgegeben. Du wirst dafür durch Buchhändlergelegenheit das Convers. Blatt erhalten.

Von dem Schauspieler Nowack kann ich Dir keine Auskunft geben. Kein Mensch weiß etwas von ihm. kein gar gutes Zeichen!

Wie steht es denn mit den Stücken, welche unser Hoftheater von Dir angenommen und nicht gegeben hat? Es scheint man macht es damit, wie mit allen übrigen, sie sollen im Liegen mürbe werden, oder vielmehr man will die Dichter dadurch mürbe machen, damit sie ihre Manuscripte zurückfodern, — Verfluchtes Volk! — Unsern Hoftheatern steht eine neue Reform bevor. Des Kaisers Entschließung lautet dahin: daß er das Burgtheater zwar behält, aber das Kärnthnerthor in Pacht geben will. Das erstere kömmt wieder (: wie in frühern Zeiten :) unter die Oberdirekzion des Grafen Wrbna des Oberstkämmerers, und der Kaiser behält sich vor demselben einen neuen Direktor zu stellen. Fuljod* also tritt ab. Ich glaube dadurch wird’s nicht besser werden.

Darf ich dir mein neuestes Lustspiel: Der Prinz kommt schicken? Es hat hier sehr gefallen*.

Lebe wohl mein theurer Bruder, schreibe mir bald und laß uns eng verbunden bleiben.Dein
IFCastelli
Stegmayer ist vorgestern
gestorben

Apparat

Zusammenfassung

schickt ihm für die Abend-Zeitung Theaterberichte von drei Monaten des Jahres aus Wien und beklagt die dortigen Theaterverhältnisse im allgemeinen und dass eine Reform bevorstünde, trägt sich mit dem Gedanken, Winkler zu besuchen, weist auf neues Trauerspiel von Houwald und ein eigenes Lustspiel hin

Incipit

Du erhältst mein vielgeliebter Bruder in der Beylage

Überlieferung

  • Textzeuge: New Haven (US), Yale University, Beinecke Rare Book and Manuscript Library (US-NHub), Winkler Collection

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)

Textkonstitution

  • „alles“durchgestrichen

Einzelstellenerläuterung

  • „… daß ich (: die Albaneserinn“Das Drama wurde am 1. Mai 1820 im Wiener Burgtheater uraufgeführt und von Castelli in der Dresdner Abend-Zeitung Nr. 125 u. 126 vom 26. u. 27. Mai 1820 besprochen.
  • „… ich mich mit meiner Herzinniggeliebten“Die langjährige Lebensgefährtin Friederike Dorothea Mayer (1788–1833).
  • „… Oper nach meiner Bearbeitung gegangen?“Dresdner Premiere der Castellischen Bearbeitung am 6. April 1820; vgl. Tagebuch. Die Partitur hatte Castelli am 3. Februar 1820 übersandt.
  • „… neuen Direktor zu stellen. Fuljod“Claudius Ritter von Fuljod (auch Füljod, 1771–1827), ab Juni 1813 kontrollierender Kommissär, von 1817 bis 1821 Hofkommissär und Direktor der Wiener Hoftheater unter Oberdirektion von Wrbna. Im April 1821 folgte Moritz von Dietrichstein auf Fuljod als Direktor.
  • „… Es hat hier sehr gefallen“Der Prinz kommt, Lustspiel in 1 Akt nach dem Französischen des Michel-Nicolas Balisson de Rougemont u. Théophile Marion Dumersan; Uraufführung am 14. März 1820 im Theater an der Wien, Edition: Dramatisches Sträußchen für das Jahr 1821. Von I. F. Castelli. Jg. 6, Wien: Wallishausser [1821], S. 1–62. Aufführung von Castelli erwähnt in Dresdner Abend-Zeitung Nr. 127 (29. Mai 1820).

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