Carl Maria von Weber an Johann Gänsbacher in Trient
Liebwerda, Freitag, 15. Juli 1814

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S: Wohlgebohren

des Kais: Königl: Oberlieutnant

Johann Gänsbacher

Vom 2t Battaillon des löbl: Fennerschen

Tyroler Jäger Corps.

dermalen

zu Trient

per Wien, Klagenfurt

Bozen.

Abzugeben in der Casa

Baron Gaudenti

No: 395.

Geliebter Bruder!

Endlich kann ich dazu kommen deine lieben Briefe vom 1 und 31t May den ich d: 18t Juny in Prag erhielt, zu beantworten. Früher erlaubten es meine Unruhe und meine Geschäfte nicht. Von einem Tage zum andern stand ich auf dem Sprunge abzureisen und immer kam etwas dazwischen, endlich nachdem ich d: 6 und 7t July noch die Friedensfeyer und Beleuchtung mitgemacht*, und angesehen hatte, trat ich d: 8t Nachts 12 Uhr meine Reise hieher an wo ich glüklich d: 10t ankam, und in der grösten Ruhe meine Gesundheit pflegen, nebstbey auch einmal wieder für mich arbeiten will.

Mit mir sind Mad: Liebich und Allram hergereist, und der einzige Umgang den ich habe und haben will, denn die Zeit die mir das Baden, Brunnen trinken und spazieren gehn übrig läßt, bringe ich auf meinem stillen Stübchen am Schreibtische zu.      Du wirst es kaum glauben, wenn ich dir sage, daß ich Prag mit schwerem Herzen verlaßen habe. doch wird sich auch schnell das Rähtsel lösen, wenn du hörst daß ich ein recht liebes Wesen da zurükgelaßen habe, die – wenn Sie nicht auch zu der durchtriebensten Raçe gehört, mich recht glüklich und froh machen könnte, denn es sieht wirklich so aus als ob Sie mich wirklich liebte. Brauchst übrigens nicht zu fürchten daß ich deßhalb blind bin, und mich meine früheren Erfahrungen nicht scheu und mißtrauisch gemacht hätten, aber ich werde ja nun sehen wie das Wesen wird, und ob es Farbe hält, wozu meine Abwesenheit von 3 Monaten keine kleine Gelegenheit zur Probe giebt. Aber ich schwazze da in den Tag hinein und du weißt nicht einmal von Wem. es ist Mlle. Caroline Brand, die ich recht herzlich lieb habe, und von der ich täglich zu Gott bitte, daß er Sie nur etwas beßer als die übrigen seyn laßen möchte.

Was das aber für ein Freßen für Krähwinkel ist, kannst du dir denken. 50000mal haben sie mich schon verheyrathet, aber damit ist es nichts. du kennst meine Ansichten und Grundsäzze über diesen Punkt. Es ist allerdings ein hartes | Loos, um des Künstlers willen das Glük des Menschen opfern zu müßen. aber – es ist einmal so, nur eines kann man ganz sein, und ich haße das halbe.

Hier bleibe ich im Ganzen 3 Wochen, dann gehe ich den August über nach Berlin, und im September mache ich eine Tour über Leipzig, Weimar, Gotha, nach Hause. Nach Berlin bitte ich dich deine Antwort zu adressiren an den Banquier Herz Beer.

Doch nun ganz von mir, und zur Beantwortung deiner Briefe. Ich sehe mit Vergnügen daß du anfängst wie ein Mensch zu leben, und nicht an einer fixen nichtssagenden Chimäre fest zu halten die nur dein Daseyn verbittern, und dich für das Leben, und die Kunst und deine Freunde abstumpfen müste.      Glük zu, H: Bruder, und wenn du dein Divertimento a 4 Mani einstudirst, so denke an mich. a prospos, deine Sachen must du ja längst haben. – die D moll gab mir noch meine Lieder, die ich dir sonst nicht hätte schikken können, weils aber für dich war, was thäte Sie da nicht — — — ich habe kein Billet dir vergeßen zu schikken sondern alles gewißenhaft abgeliefert. Was nekst du mich denn immer mit ihr? Sie muß dir kurioses Zeug geschrieben haben.      Sie ist den 28t Juny aufs Gut gerreist. Angst so so bey F dur; bey No: gar schlecht. Komisch war es die forçirte Freundlichkeit und Herzlichkeit der D moll und F dur zu sehen.      ich stehe mit lezterer vortrefflich, so zwar daß Sie mir ihr Fortepiano geliehen hat.

Dein Entschluß beym Corps zu bleiben erfüllt mich mit großer Freude. Es wäre sehr unrecht, wenn du diese so schön begonnene Carriere wieder aufgeben, und abermals in eine unruhige ins Blaue hinaus sehende Existenz zurüksinken wolltest. bey ruhiger Zeit bleibt dir Muße genug der Kunst zu huldigen, und sogar Wirken kannst du ja nach deinen eigenen Äußerungen; also bleibe in Gottes-Namen, so sehr mir das Herz blutet, dich ganz für mich verlohren zu sehen, so heilig ist mir dein Wohl deine Ehre. Auch freut es mich doppelt wegen der Prager Äußerungen, daß du nicht Kraft genug haben würdest von F dur zu laßen, und nur eine augenbliklich auflodernde Flamme, dich auf kurze Zeit entfernen konnte.      Recht unter die Nase habe ich | den Leuten die Gewißheit des Gegentheils durch deinen Entschluß, gerieben.      Und nun Heil und Segen, und Ausdauer, deinem Willen. und mir – wo möglich die Hoffnung dich alle Jahr ein Monat auf Urlaub bey mir zu haben. da wohnst du bey mir, und wir träumen uns in die Darmstädter Zeiten zurük.

Daß du im Andenken an unsern theuren Abt Vogler recht ordentlich auf der Orgel gewirthschaftet hast, glaube ich gerne, und hätte es wohl hören mögen. Auch der Lohn war so übel nicht, und Heil dir daß du unter Menschen wohnst die Enthusiasmus und Liebe zur Sache haben.

Von MeyerBeer höre ich gar nichts, auf 3 Briefe, auf Bitten um seine Oper, keine Antwort. durch Clement der in Wien auf Urlaub war, hat er mich grüßen laßen. Er schreibt da eine neue Oper, und will sie aufführen.*      Von Gottfried, habe ich vor einiger Zeit einen Brief erhalten der mir so wehe that, daß ich seitdem mich noch nicht entschließen konnte ihm zu antworten. Er wurde sehr bitter daß ich gar nichts für ihn thäte, und noch nicht einmal die Aufführung seines Te Deums angezeigt hätte pp*. Seit Jahr und Tag bin ich der Mus: Zeit: einen Bericht schuldig, nun werde ich ihn ausarb[eiten].* du glaubst nicht wie wehe mir so etwas thut. Es ist wahr, Er hat gewiß viel für uns gethan, aber fehlte es bey uns an [etwas] anderm als an der Gelegenheit daßelbe zu thun? durch B[eers] Nachläßigkeit kam die Rec: seiner Gesänge lange nicht dran; [es] ist wahr, aber kann ich etwas dafür? Am Ende wird Er wieder herzlich und meynt, wenn wir uns nur einmal wieder sprechen könnten, dann wäre schon alles gut. das glaube ich auch, aber dazu sehe ich noch gar keine Hoffnung schimmern.

Nun lebe wohl mein lieber treuer Hans, schreibe bald wieder Halte fest aus bey deinem Vorsazze, und behalte lieb deinen dich ewig unveränderlich liebenden treusten Bruder W:

Mad: Liebich grüßt dich bestens.

Gegen Ende des Monats wird auch Graf Clam erwartet.

addio senza addio.

Apparat

Zusammenfassung

meldet Ankunft in Liebwerda; über Caroline Brandt; Privates; empfiehlt ihm, seine Stellung nicht aufzugeben; über Vogler, Meyerbeer, Gottfried Weber

Incipit

Endlich kann ich dazu kommen deine lieben Briefe

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Wien (A), Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, Bibliothek (A-Wgm)
    Signatur: Weber an Gänsbacher 33

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
    • Siegelrest
    • am linken Rand der Adressenseite Echtheitsbestätigung von F. W. Jähns (Tinte): „Eigenhändiger Brief von C. Maria v. Weber.“

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Nohl 1867, S. 237–240 (Nr. 32)
    • Worbs 1982, S. 57–59
    • tV: MMW I, S. 441–442

Textkonstitution

  • „… zu Trient“Trient ist durchgestrichen und von fremder Hand durch Mantova ersetzt.
  • „und“durchgestrichen
  • „nichts“über der Zeile hinzugefügt
  • „eiten“ergänzt von den Hg.
  • „etwas“ergänzt von den Hg.
  • „eers“ergänzt von den Hg.
  • „es“ergänzt von den Hg.

Einzelstellenerläuterung

  • „… die Friedensfeyer und Beleuchtung mitgemacht“Zur Feier der Rückkehr des Kaisers aus Paris wurde am 6. Juli am Prager Ständetheater Gerles Festspiel Irenens Feyer gespielt und am 7. Juli wiederholt; vgl. den Aufführungsbericht. Die Musik zu dem Festspiel stammte angeblich vom Landesadvokat Johann Nepomuk Kaňka (1772–1865); vgl. Hesperus. Ein Nationalblatt für gebildete Leser, Jg. 1815, Bd. 2, Nr. 32 (Juli), S. 249.
  • „… , und will sie aufführen.“Am 20. Oktober 1814 kam Meyerbeers Oper Wirt und Gast in Wien unter dem Titel Die beiden Kalifen im Kärntnertortheater erfolglos zur Erstaufführung. Die UA hatte bereits am 6. Januar 1813 am Stuttgarter Hoftheater stattgefunden.
  • „… Te Deums angezeigt hätte pp“Über die Aufführung am 4. Juli 1813 im Wallensteinschen Garten in Prag hatte Weber seinen Namensvetter im Brief vom 14. Juli 1813 informiert, aber keinen Pressebericht verfasst.
  • „… ich ihn ausarb eiten .“Weber schrieb die geplante Rezension nicht, vgl. Frank Ziegler in: Weberiana 21 (2011), S. 108–110.
  • Rec:Abk. von „Recension“.

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