Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Berlin, Dienstag, 24. Dezember 1816 (Folge 2, Nr. 12)

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Mein gutes theures geliebtes Leben!

Wie geht es dir geliebtes Weihnachtskind? ich bin ein armes Christkindelein. habe nits meinem Muks zu schenken, und muß alles für beßere Zeiten aufsparen wo ich mir gleich meinen Buß zur Belohnung holen kann. Habe 2 Tage nicht mit dir pabsen können. ja, es geht jezt auf die Reise Anstalten los, und da muß ich herumlaufen und alle Bekanntschaften erneuern damit ich brav Briefe bekomme, und an Geld verdiene, damit wir was haben. d: 21t wo ich meinen Brief No: 11 abgeschikt hatte, erlebte ich noch eine recht schöne Scene.      ich brachte nehmlich gegen Abend Lauska die ihm dedicirte Sonate, indem ich weiter nichts dazu sagte, als, da hab ich dir zu Weinachten was gebracht.      die Freude hättest du sehen sollen wie er den Titel las, so habe ich in langer Zeit Niemand sich freuen sehen. Auch Sie war außer sich. da wurde was ehrliches von dem fernen Schneefuß gesprochen und seiner in Ehren und Liebe gedacht. Sie gieng dann in Gesellschaft und ich muste ihm die Sonate spielen, und wir zergliederten und genoßen so recht das Dings.      Später gieng ich zu Hothos, wo es Gottlob mit der Mutter* beßer geht, und man wenigstens für ihr Leben nicht mehr zu fürchten hat. ich sah sie den Abend seit ihrer Krankheit zum erstenmale. Ihre erste Frage war nach dir, und sie läßt dich herzlichst grüßen so wie die ganze Familie.      d: 22t Sonntags holte ich Hoffmann ab zu Pölchau, zur KirchenMusik. aß zu Mittag bey Mossons der ältesten Schwester der guten Beer, wo ich auch gute Schelte kriegte daß ich dich nicht hin gebracht hatte. und Abends war ich wieder bey Hothos, weil ich ihnen den Mittag versagt hatte.      Wie ich nach Hause kam, fand ich deinen lieben Brief No: 10 vom 16t Xb worüber ich mich innigst freute, gab ihm einen derben Buß, und fraß ihn 2 mal durch vor Schlafengehn, schlief darauf herrlich, verzehrte ihn d: 23t zum Frühstük, konnte aber nicht schreiben weil mich der Östreichische Gesandte hatte rufen laßen. ich dachte er würde mir die vortrefflichen 150 ƒ geben, aber nein, er gab mir die Königl. Bayerische Dose mit denen musikalischen EngerlnT, einem Huldvollen Schreiben des Königs, und des Grafen Kollowrat, Oberstburggrafen der es an Zichi alles geschikt hatte.      Der H: v: Muks hatte also doch recht gesehen, und ich bitte wegen meiner Zweifel die aus dero etwas confusen Äußerungen entstanden deh- und wehmüthigst um Verzweiflung.      Ich freute mich mit meiner gewöhnlichen DosenFreude, stekte sie in Satt, und ging nun gleich auch zu anderen Gesandten Visiten schneiden. Gleich nach Tische desgleichen, kaufte auch der Koch ein kleines Kettchen und Pastille daran zu Weynachten, als Gegengeschenk für die Nadel. war Abends beim Oberst Rühl, und dann Gesellschaft bei uns zu Hause bis 1 Uhr. und Nun sizze ich hier, und will meinem guten Muks sein Brieflein beantworten indem ich zugleich hoffe zu Weihnachten auch ein anderes von ihm zu erhalten.

Das Elend in Prag* kann ich mir denken, und bedaure oft die armen Menschen. ich habe alles kommen sehen und bin überzeugt daß es dich auch sehr beruhigt mich aus diesem Gewirre entfernt zu sehen. du kannst auf jeden Fall ruhiger dabey sein. aber ich würde auch durch die Krankheit Liebichs und die anderen Unordnungen in viel Verdruß verwikkelt worden sein, und es mir wenigstens sehr zu Herzen genommen haben, Nein, nein, es ist schon so beßer, und du,!! daß du die Ohren steif hältst, das sage ich dir, sonst sezt’s Wiz.      Die Wäßrige Waßermann Geschichte hat mich auch sehr lachen machen. Komt er noch einmal zu dir, so sage ihm daß er an Ballabene die schönen 150 ƒ We We zahlt.      das giebt nicht einmal | einen Rott, den ich doch jezt so nothwendig brauche. ach, es graut mir ganz wenn ich an diese Ausgaben denke, und doch muß es sein. – übrigens müßen mir die H: Waßermänner doch schreiben, dann werde ich Ihnen schon antworten. Apropos von Antworten, hat sich der H: Ebers in Leipzig gegen mich heftig verlauten laßen, weil ich sein schlechtes Arrangement meines Quintetts gerügt hatte. ich gebe mich aber nicht weiter mit dem Kerl ab, und Gubiz wird ihm schon eins auswischen.      Auch H: Seconda hat mir endlich einen demüthigen Brief geschrieben, und um Nachlaß eines Theils des Honorars gebeten – – die Relation unseres GeburtstagesT wirst du nun bald haben, die deinige erhalte ich vielleicht heute.      Heute Abend sehe ich dich auch im Geiste das Krippel aufpuzzen. da wird H: v: Muks recht geschäftig sein. Es ist mir so wohlthuend daß du dir in dem engen häuslichen Kreise meiner guten Junghs so wohlgefällst, daß ich dir es nicht genug sagen kann. Wie steht es denn mit der edlen KochKunst? hast du schon was gelernt? Wenn du nicht einen ordentlichen Lehrbrief hast, und dein Meisterstük kochst wenn ich komme, so mag ich dich nicht! du weißt schon Fett must du sein und kochen können.

Das wolle ja Gott verhüten daß die gute Mutter Jungh solch Leid ins Haus brächte, es wird auch wohl nicht so arg sein, als du fürchtest. deine Mutter soll sich nur hübsch warm halten und nicht soviel herumspazieren, dann wird es auch bald wieder vorüber gehen.

Den schönen Dresdner Brief sende ich dir hier wieder zurük. Wohl hast du Recht daß in Pr: wohl schwerlich Jemand so freundlich und Kunst ehrend handeln würde, er hat mich herzlich gefreut, und ich sehe es recht gerne daß du beim freiwilligen Schluß deiner Theatralischen Laufbahn, noch so manche schönen ehrenden Zeichen und Beweise der Anerkennung erhältst. du must doch billigerweise darauf dankend antworten.      Sei nicht böse lieber Muks daß ich die MantelGeschichte noch nicht geordnet habe*, aber in dieser Zeit ist theils mit den Leuten nichts anzufangen, theils habe ich noch nicht Zeit dazu finden können.

Bald werde ich dir bestimmt den Tag meiner Abreise schreiben können.      Von hieraus werden schon vorläufig alle Anstalten in Magdeburg und Braunschweig gemacht. ich hoffe von dieser Reise manches Gute, besonders von meinem Pathen und Koppenhagen*. die weitere Entfernung darf uns nicht betrüben mein geliebtes Leben. alle Posttag kriegt Muks doch seinen Brief, und die unendliche Sehnsucht nach dir mein geliebtes Wesen, kann nicht mehr höher steigen.      Manchmal pakt sie mich recht unendlich so daß es glaube ich wenig brauchte mich zu überreden mich in den Wagen zu sezzen und zu dir zu fliegen.      doch das geht nicht. die beßere Ueberzeugung muß ihr Recht behalten, und belohnt sich am Ende desto schöner und haltbar fürs ganze Leben.      du hast dieses nun auch schon so überzeugend erfahren, daß auch du mit gefaßtem frohen Muthe allem entgegen siehst, und das ist es was mich erst recht eigentlich stärkt und ermuthigt.      Gott wird schon alles zum Besten lenken, Ihm wollen wir vertrauen, aber auch kräftig das unsrige thun, und nicht die Hände faul in den Schooß legen.

Entschuldige mich bey meinem guten Dr: daß ich ihm nicht geantwortet habe, aber es geht nicht, und Sie erfahren ja alle wie es mir geht durch dich.      Schließlich laß dir und allen herzlichst zum Neuen Jahre | gratulieren. den Sylvester Abend bringe ich bey Krausens zu, da wollen wir punkt 12 Uhr deine Gesundheit trinken. ich umarme dich aufs innigste, meine theure geliebte Braut. Es bleibt beim Alten.
Ewig dein dich zärtlichst liebender treuer Carl.

Abends.

Mein lieber guter Muks.

Brief ist keiner gekommen, die Briefträger werden es sich comode machen, und erst morgen ihn bringen weil das Wetter gar zu abscheulich ist, zum Halsbrechen, glatteist und regnet durcheinander, ich werde mir also auch gleich einen Wagen holen lassen um diesen Brief auf die Post zu bringen. Heut habe ich zufällig herrliches französisches Tuch gesehen, aber sehr theuer 9 Thlr. die Elle, werd mir aber doch einen schönen Frack machen laßen damit ich Dir gefalle*.

Da bin ich schon wieder gestört worden und muß nun geschwind schließen und auf die Post fahren, und dann in Gesellschaft, wozu ich gar keine Lust habe. weißt Du noch heute vorm Jahr war es so langweilig bei Liebichs. Der arme Mann, grüße ihn doch herzlichst von mir. Mein theures geliebtes Leben ich küsse Dich vielemale, behalte mich lieb sei heiter und guten Muths, es wird wohl alles gut gehen, und auf alle Fälle bleibt Dir ewig und unveränderlich die treue Liebe deßjenigen der nur in Dir sein Glük, seine Freude, sein Leben sieht, nehmlich die Deines braven Mukken Königs Karl 1000000000000000 Bußen.

Apparat

Zusammenfassung

Tagebuch 21.-23. Dezember; betr. Prager Theaterverhältnisse; betr. Honorarzahlungen an Weber; Reisevorbereitungen

Incipit

Wie geht es dir geliebtes Weihnachtskind?

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung in 2 Textzeugen

  • 1. Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 69

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. u. 4 angeklebte Zeilen o. Adr.)
    • ursprünglich wohl 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
    • Siegel

    Provenienz

    • Weber-Familiennachlass

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Muks, S. 277–282
  • 2. Textzeuge: Kopie: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: 55 Nachl. 50, Abt. 7 (1816)

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (1 b. S.) Nachschrift: Abends am 24. Dezember 1816, Text ursprünglich auf Bl. 2r des autographen Briefes
    • Abschrift (durchgängig in lateinischer Schrift) von Mathilde von Weber nach einer Abschrift von Maria von Wildenbruch

    Einzelstellenerläuterung

    • „… es Gottlob mit der Mutter“Fraglich, ob Henriette Hotho gemeint oder deren ggf. im Haushalt wohnende Schwiegermutter.
    • „… Das Elend in Prag“Gemeint sind die Verhältnisse am Ständetheater nach Webers Abschied.
    • We WeAbk. von „Wiener Währung“.
    • „… MantelGeschichte noch nicht geordnet habe“Zum geplanten (gescheiterten) Verkauf eines Mantels, vermittelt durch das Ehepaar Kisting vgl. auch Webers Briefe an seine Verlobte vom 1.–4. Januar und 17.–20. Januar 1817.
    • „… von meinem Pathen und Koppenhagen“Die Anstellung in Dresden 1817 vereitelte die Reisepläne, die Weber erst 1820 umsetzen konnte.
    • „… laßen damit ich Dir gefalle“Am 11. Januar sind im Tagebuch die Ausgaben für 4 EllenTuch mit 35 rh 8 gr und der Schneiderlohn mit 12 rh eingetragen.

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