Caroline von Weber an Friedrich Wilhelm und Ida Jähns in Berlin
Dresden, erhalten Sonntag, 21. Mai 1837

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Dass mich jedes Lebenszeichen von Euch meine geliebten Kinder immer innig, herzlich, freut, das wisst ihr wohl; dass ich aber in dieser Zeit jeder Zeile von Euch, mit sehnsüchtiger Sorge entgegen sah das meine Lieben, könnt Ihr der Mutter Weber glauben. Wie freuete ich mich als ich wieder die Züge von Idas Hand erblickte; wie glücklich macht es mich dass nun alles so gut geht, und der kleine Mensch seine Schuldigkeit thut! und das arme Mütterchen wenigstens einen Theil ihrer Sorge los geworden. Dass aber je die Angst ganz aufhören wird meine gute Ida, das glauben Sie ja nicht; denn was in der Welt gliche der sorgenden Liebe einer guten Mutter? sieht sie nicht in jeder Kleinigkeit eine Gefahr für den kleinen Liebling? mögte sie nicht allem vorbeugen was ihm, schädlich werden könnte? glauben Sie mir, dieses liebe Wesen wird nun das höchste Intresse Ihres Lebens sein, und selbst die Rathschläge erfahrener Mütter können Ihnen nicht einen Theil dieser liebenden Sorge ersparen, denn Alles müssen Sie selbst erleben und erfahren ehe die besonnene Ruhe eintritt die das Aufziehen späterer Kinder erleichtert. Aber wissen Sie liebe Ida dass es mich ein wenig besorgt macht dass der kleine Mann jetzt schon zu essen bekömt? war denn das wirklich nothwendig? ehe die Kinder einen Zahn haben sollen sie eigendlich nur von der Muttermilch leben, und werden Sie dabei auch nicht so dick, so schadet das gar nichts, man vermeidet dadurch den Stos zu vielen Uibeln. Doch der Arzt wird es wohl für richtig gefunden haben, und so bitte ich Sie nur beste Frau, geben Sie dem Jungen wenigstens nicht viel, und lassen Sie sich von der mütterlichen Eitelkeit nicht verleiten ihn fett zu stopfen, denn glauben Sie mir, die diken Kinder vertragen viel weniger als die Magern wenn einmal eine Krankheit über sie komt, besonders leiden sie beim Zahnen leichter an Krämpfen. Doch das Alles wird Ihnen Ihre gute Mutter gewiss auch sagen, und Sie haben ja in ihr die Erfahrung zur Seite.

Brauche ich es Euch wohl erst noch zu sagen meine Kinder dass ich den 21sten mit ganzer Seel in Eurer Mitte sein werde?* Mein inniges Gebet, für das Wohl Eures kleinen Lieblings wird sich mit dem Eurigen vereinen, und gewiss wird auch Webers Geist Euch segnend umschweben. Möge Gotte dem lieben kleinen Max die guten Eigenschaften seiner guten Eltern schenken, möge er ihn beschützen auf seinen Lebensweg von jetzt bis ins späte Alter. Gebt Ihm den Kuss der Pate von mir, und versprecht ihm in meinen Namen innige Liebe so lang die Mutter Weber lebt. Euch aber meine Kinder danke ich herzlich für das liebevolle Zutraun was ich mir schenkt, und ich verspreche es zu verdienen so viel es in meinen Kräften steht. Schreibt mir doch aber wer die übrigen Paten* sind —. Ich kann sie wohl halb errathen, aber ich hätte gern ausser dem Vater noch einen Namen dabey gelesen. — — —

Doch nun zur Beantwortung Ihrer herzlichen Frage mein guter Jähns, meine Reise nach Berlin betreffend. Ich sehe Euch so ganz als zu uns gehörend an, dass ich so offen und aufrichtig zu Euch sprechen will wie zu meinen Kindern. Wenn ich Euch die Lage der Dinge werde vorgetragen haben, sollt Ihr dann selbst urtheilen was ich thun kann und darf. Ich habe Euch schon mitgetheilt dass ich dieses Jahr einen bedeutenden Verlust erlitten habe. Nun kommt noch dazu, dass die Intressen der Kapitalien fast alle auf 3 prozent herunter gegangen sind, so dass ich da einen Abzug von beynah 200 Thaler erleide; dann habe ich den Max zum praktischen Unterricht zu dem besten Mechanikus hier (Herrn Ensmann) gegeben, wo er die Stunden, die ihm ausser der Technischen Anstalt noch bleiben, zubringt. Für diesen Unterricht bezahle ich Monatlich 8 Thaler. Der Alex ist seit dem ersten May auf der Academie*, um es im Zeichnen vorwärts zu bringen da er sich nun fest bestimt hat Lithograph zu werden. Dabey muss ich ihm aber, in den übrigen Wissenschaften, (ausser dem Klavier Unterricht) noch täglich 3 Stunden geben lassen, was auch bedeutend mehr kostet als im Institut. Max hat auch noch Latein, Englisch, und französischen Unterricht privatim, so dass ich jeden Monat über 30 Thaler Stundengeld zu bezahlen habe, da ist nun noch nichts für Bücher, Kleider, und sonstige Nothwändigkeiten, auch habe ich noch einen armen Bruder mit vielen Kinder die meiner immer bedürfen, kurz meine guten Kinder, ehe nicht Meyerbeer die Oper macht, darf ich mir wohl nicht erlauben eine bedeutende Summe zu meinen Vergnügen zu verwenden — Ich hatte wohl im Stillen ein bischen auf das Honorar für die noch ungestochenen Sachen gerechnet*, aber seit mir nun auch das zu Wasser wurde, darf ich mir es nicht mehr erlauben an die Freude zu denken die mir eine Reise nach Berlin würde gemacht haben. Nun, wie Gott will! vielleicht kommen noch einmal wieder bessere Zeiten, darauf will ich hoffen.

Dass übrigens die Sachen an Meyerbeer noch nicht fort sind, ist mir sehr lieb denn durch Winkler erfuhr ich vor wenig Tagen dass wir ihm ja das nur schiken sollen was nicht gestochen ist, weil er alles Uebrige schon habe. Da können wohl gleich die 32 Lieder* zurükbehalten werden, auch die Ouvertüre zur Silvana und das Rondo, Alles andere aber bitte ich, gleich per Post fortzuschiken, und da Sie doch nun einmal die Güte hatten an M. zu schreiben, ihn noch mit zu bitten, im Fall er die Sachen nicht brauchen kann, es uns durch Schlesinger wissen zu lassen[.] Vielleicht wäre dann doch noch ein kleiner Nutzen daraus zu ziehen, und Ihre viele Mühe guter Jähns, für Sie und mich nicht umsonst gewesen. Was Sie für Porto auslegen, wie auch die Auslagen für die gewaschenen Tücher lassen Sie mich im nächsten Briefe wissen damit ich nicht gar zu sehr in Ihre Schuld gerathe.

Ueber die Recension Ihrer Lieder* habe ich mich recht gefreut, und habe nicht begreifen können warum Sie sich betrübten. Lassen Sie doch die kleinen Hunde vor Neid ein bischen knurren und bellen, das schadet nicht, auch selbst dann, wenn sie mit der Feder beissen. Macht doch das Alles die Welt aufmerksam auf Ihre Sachen, und dass die das Licht nicht zu scheuen brauchen, und einen Kennerblick aushalten, weiss Vater Jähns wohl. Nur um alles in der Welt sich nicht ängstlich machen lassen und immer denken, dass der Ort in dem man lebt nicht mitzählt. Ihre Feinde feiern einen Triumpf wenn sie sehen dass ihre kleinen Wiederhaken sitzen bleiben und schmerzen. Ueber meine Theatergeschichte braucht Ihr Euch keine Sorge zu machen, denn ich habe damit gar nichts zu thun. Wahrscheinlich hat ein Weber Enthusiast, nach dem letzten Furore der Euryanthe* erfahren, dass wir kein frey Entree haben, und ist darüber so empört worden, dass er an die große Glocke geschlagen, und sogar an Lüttichau geschrieben hat, damit er sich vor der Welt rechtfertigen soll wegen dieses Verbrechens. — Lüttichau hat für gut gefunden die Wahrheit zu umgehen und zu versichern wir hätten noch nie vergeblich um ein Billet zu Webers Opern gebeten. Es ist mir aber nie eingefallen den Herrn Lüttichau zu bitten, folglich hat er mir nichts abschlagen können. Ich kümmere mich um die Sache nicht, kenne auch meinen Ritter nicht einmal, nur glaube ich, er wird mit seinen guten Willen nichts bezweken als dass wir in Lüttichau einen Feind bekomen — nun meinetwegen, daraus mache ich mir nicht viel. Zu verschweigen ist bey der ganzen Sache nichts, aber es ist doch besser meine Freunde thun nichts dabey damit L. nicht etwa denkt ich hätte die Hand dabey im Spiele. Du lieber Gott! zu solchen Sachen bin ich verdorben, ich will nur Ruhe. Habe ich 11 Jahre mein Billet bezahlt so werde ich es auch noch ferner thun oder nicht mehr ins Theater gehen. Doch nun lieben Leute muss ich schliessen Denn ich habe schon fast den Krampf in der Hand, und ich fürchte Ihr werdet ihn in die Augen bekommen. Drum nun Punktum für heute. Ich umarme Euch und den kleinen Max herzlich. Die Leinwand und Baumwolle schike ich morgen per Post, und M Hase* lässt recht recht recht schön bitten Ihr mögten den mitkomenden Merino zum besten Färber Berlins schiken damit sie künftig ihre schlanke Gestalt in violette Farbe hüllen könne. Seit nicht böse dass ich Euch plage, aber sie hatte die Leinwand besorgt, und als sie hörte dass ich sie abschikte, wollte sie die Gelegenheit benutzen. Aber bitte lasst immer gleich wissen was die Sachen kosten.

Noch mals 1000 Grüsse an Euch, und vom guten Rothe die herzlichsten Glückwünsche. Nächstens wird er selbst schreiben. Empfehl Sie mich Ihrer lieben Familie und sehen Sie den bösen Lichtenstein so grüssen Sie ihn vonIhrer
C. v. Weber.

Die Kinder umarmen Euch.

Editorial

Summary

Glückwünsche zur Taufe am 21. Mai; schildert ihnen ihre finanzielle Situation; Max arbeitet beim besten Mechanikus Enzmann neben seinen Studien in der Technischen Anstalt (Unterrichtskosten 8 Taler); Alex ist seit 1. Mai auf der Kunstakademie, will Lithograph werden, beide haben noch Privatunterricht, jeden Monat 30 Taler, ihren Bruder mit seinen vielen Kindern muß sie auch unterstützen; aus all diesen Gründen kann sie nicht nach Berlin kommen; von Winkler erfuhr sie, dass Meyerbeer nur die ungestochenen Sachen haben wolle, da können die 32 Lieder, die Ouvertüre zu Silvana und das Rondo zurückbehalten werden; sie bittet ihn, die Sachen per Post an Meyerbeer zu schicken; falls er sie nicht gebrauchen kann, sollen sie Schlesinger wieder zur Verfügung stehen; kommentiert die Freikarten‑Geschichte nach der Euryanthen‑Premiere

Incipit

Dass mich jedes Lebenszeichen von Euch

Responsibilities

Übertragung
Frank Ziegler, Eveline Bartlitz

Tradition

  • Text Source: Dresden (D), Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (D-Dl)
    Shelf mark: Mscr. Dresd. App. 2097, 23

    Physical Description

    • masch. Übertragung nach dem verschollenen Original (Nr. 24 des Konvoluts)
    • 7 S.
    • Vermerk auf der 1. Seite: “(Empfangen den 21sten Mai 1837)”

    Corresponding sources

    • Weberiana 27 (2017), S. 60f. (Auszug)

    Commentary

    • “… in Eurer Mitte sein werde?”Am 21. Mai 1837 wurde Max Jähns getauft; erste Taufpatin (in Abwesenheit) war Caroline von Weber.
    • ichrecte “ihr”.
    • “… aber wer die übrigen Paten”Weitere Taufpaten waren Hinrich Lichtenstein, Kommerzienrat Friedrich Wilhelm Krause (1765–1840, Besitzer der Domäne Colbatz), Adolf Borbstädt, Domkandidat Georg Müller (gest. 1840) sowie Johanna Klöden.
    • “… ersten May auf der Academie”Akademie der bildenden Künste in Dresden.
    • “… die noch ungestochenen Sachen gerechnet”Zu den entsprechenden Verhandlungen mit Cranz vgl. die Briefe vom 20. Januar, 21. Februar sowie vom März/April 1837.
    • “… wohl gleich die 32 Lieder”Webers autographe Sammlung mit 32 Liedern, Gesängen und Kanons (das heute bis auf Bl. 1 verschollene sogenannte „grüne Heft“) ging zunächst leihweise an Meyerbeer, wurde von Jähns allerdings am 7. Oktober 1839 aufgrund der geplanten Drucklegung des Grablieds WeV B.1 innerhalb der Reihe der „Nachgelassenen Werke“ Webers zurückerbeten.
    • “… Ueber die Recension Ihrer Lieder”Vermutlich die ausführliche Besprechung „Fr. W. Jähn’s Lieder-Compositionen“ (gezeichnet: G. N.) in: Berliner Figaro, Jg. 7, Nr. 72 (28. März 1837), S. 287f.
    • “… dem letzten Furore der Euryanthe”Premiere am 8. Januar 1837; vgl. den Brief vom 20. Januar 1837.
    • “… per Post, und M Hase”Vermutlich die im folgenden Brief genannte Linchen Haase.

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