Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Mittwoch, 30. April bis Freitag, 2. Mai 1817 (Nr. 44)

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Mein guter lieber Mukken-Schneefüßiger Hamster-Schnukeduzer Mops!

Ich muß dir wenigstens geschwind einen guten Morgen sagen, da soeben die dringendsten Aufsäzze expedirt sind, und ich einen Augenblik allein bin, den ich nicht beßer benuzzen kann, als wenn ich mir eine Freude mache, die ich zur Stärkung wohl brauchen kann, denn es geht hart über deinen Carl her, der übrigens guten Muths und Gesund ist, und dem jeder Tag der ins ZeitMeer versinkt, ein Schritt näher zu seiner Zufriedenheit und häuslichem Glükke sein muß.       Grünbaums sind ziemlich wohl, gefallen sich recht gut hier, und grüßen dich herzlich. du kannst denken daß alle Augenblik deiner erwähnt wird. Baßi und ich eßen jezt gewöhnlich oben bei Grünbaums. Sie ist etwas ängstlich wegen ihrer Gesundheit geworden, und das ist ihr auch wahrlich nicht zu verdenken. es ist eine schrekliche Sache wenn man es genau überlegt welche Kleinigkeit eine ausübende Künstlerin von des Glanzes höchster Höhe zur Bettlerin herabwerfen kann. d: 28t führte ich sie in der Stadt herum, Abends ins Theater*. Gestern d: 29t war SezPr: von J: v: P: Mittag aß ich bei Saßarolli, der ein entsezliches Freßen gab, so recht unmenschlich viel. dann fuhr ich mit Grünb: und Baßi, zum Grafen Vitzth: Sandrini, Miksch pp Abends sang Gned im ZwischenAkte die große Scene des Herzogs aus der Camilla im Kostüme, und gefiel nicht sehrT. Worüber der arme Teufel ganz außer sich war. überhaupt geht er wie im Traume herum, in dieser neuen Welt, da er noch nie aus dem östreichischen Staate heraus war, und hier so ganz andere Sitten, Verhältniße pp sind. Nun später wird es schon beßer gehn. Schmidl und ich sorgen für ihn.      Dann arbeitete ich bis 12 Uhr, nachdem ich früh um 5 Uhr schon aufgestanden war, sonst komme ich gar nicht zurecht. Heute habe ich nun schon Lection* gehabt, und jezt OrchesterP: von Johann.       Etwas unangenehmes habe ich heute, das ist daß mein Ferdinand weg geht. er ist so ordentlich und brav, ich werde mich schwer an einen Anderen gewöhnen, auch wechsle ich sehr ungern mit LeutenT.      Dafür komt aber auch heute ein Brief von Muks, der, ist er so wie der lezte, liebe, gute, heitre, mich wieder ganz erheben und stärken wird.

Nun baa, liebe gute theure Lina. ich küße dich Millionenmal in Gedanken, ewig dein treuster innigst liebender Carl.

Ich weiß nicht warum ich gestern den ganzen Tag so ein Oz war, und dachte, es wäre Freytag Donnerstag, und müste ein Brief von dir kommen. natürlich kam keiner. Meine Probe von Johann gieng ganz herrlich, und die Grünb: überraschte Alle aufs außerordentlichste. Mittag im Engel, dann mit Grünb: zum Graf Luxburg, Abends der lustige Schuster, zum 1t male hier, italienisch. gieng miserabel*, und wir haben was ehrliches da von Muks gesprochen*. Abends noch gearbeitet. Heute früh viel geschrieben, wegen dem Paß für die Sachen herumgelaufen, den ich Morgen richtig bekomme. Es ist | wirklich außerordentlich mit welcher Freundlichkeit und Achtung man sich bei solchen Gelegenheiten gegen mich benimmt, welches mir sehr wohlthuend ist, weil ich darin sehe wie sehr allgemein mein Streben etwas zu leisten, anerkannt wird. etwas anderst als in – –

Dann wurde ich zum Grafen gerufen der mir etwas eröffnete das mich sehr traurig machte. Manche Menschen trifft doch seltsames Unglük, und dieses ist gewiß eines der seltsamsten, aber ich bitte dich erzähle es Niemand, höchstens Drs: Es betrifft den armen Gned. Stelle dir vor, er sang doch vorgestern die Scene aus der Camilla, wo Ihro Maj: die Königin allein im Theater war*. diese ließ sogleich den Grafen rufen, und bat und beschwor ihn in der grösten Bewegung ja diesen Menschen nie mehr vor ihre Augen zu bringen, da er die frapanteste Ähnlichkeit in Gesicht, Haltung und Figur mit demjenigen Manne hatte, der bei der unglüklichen Epoche in Leipzig Sr. Maj: dem Könige seine Gefangennehmung ankündigte*. Natürlich würde durch diese Ähnlichkeit sie ewig diese Errinnerung verfolgen, und jedesmal ein Stich ins Herz sein. Das ist nun so natürlich, daß gar nichts dagegen zu sagen ist, aber der arme Gned, ohne Geld hergekommen, ohne alle Aussicht weiter. Hellwig und ich wollen ihn nach Leipzig empfehlen, auch der Graf wird thun was er kann. Es ist recht traurig, und auch wir hätten ihn so gut brauchen können. – um ½ 12 Uhr hatte ich eine kleine Probe von Joh: Dann Mittag bei Grünb: deßen Bruder heute angekommen war, und ein sehr lieber Mensch scheint. Er war ganz außer sich seinen Bruder zu sehen es sind nun 9 Jahre daß [sie] sich getrennt haben. – zum Mittag kam dann nun die beste Speiß, und das war ein Mukkenbrief No: 47. Was Grünbaums hören sollten las ich ihnen gleich vor. Nachtische gingen wir spazieren, dann ich in den Tell*, um 8 Uhr nach Hause, spielte ein bißel Klavier, und nun pabs ich mit Lina. immer das Beste zulezt.      Zuerst also – Haue ) ) und wieder ))) du bist ein schlechter Mops, was sagst du denn ich hätte mit dir gezankt? ist ja nicht wahr, aber das Gewißen schlägt dich? gelt? Nein gewiß nicht liebe Lina, hab dich nicht im geringsten betrüben wollen, und mir gar keine Gewalt angethan, was ich dir geschrieben habe ist so als wenn wir miteinander davon gesprochen hätten, und wir müßen ja über alles ausführlich reden. ich kräche nicht! und Puntum ich bin gut, und kein Brumbär, sing wie ein Zeisig so fein, und schön und hell.      Die TheaterNeuigkeiten sind schön, und haben uns sehr amüsiert. ich bin froh daß H: Ehlers endlich unter die Haube gebracht ist*. – Du hast Recht, nicht zur Bompe zu gehen, ich bitte dich selbst darum, so etwas ist immer unendlich schmerzlich und angreiffend.      Daß der Schrank fertig wird ist mir sehr lieb, und danke ich [der] sorgenden geliebten Herrin aufs herzlichste dafür.      Du armes geheztes Vies, wirst entsezlich viel zu thun haben, besonders mit dem einballiren. die Fracht soll ich wohl hier bezahlen? in Gottes Namen, dann muß sie aber gleich in gutem Gelde bestimmt werden. |

Der FreiPaß ist eine große Vergünstigung die nicht leicht Jemand gestattet wird, und erspart viele Kosten. ich werde ihn erst Morgen spät erhalten wenn dieser Brief schon auf der Post ist, und dir dann in einem anderen Couvert schikken das mein neuer Bedienter Franz darüber machen soll, da ich GeneralProbe habe.

Lieber Mukel, der Klementsche Spiegel wäre recht schön, aber wir können ihn nicht brauchen. er ist zu breit und zu niedrig zwischen die Fenster, die muß ich schon hier ganz paßend machen laßen. Glaubs gerne daß das Geld knapp wird, und du ein armer Hund bist, wird mir bald um nichts beßer gehn, so wie ich ins neue Quartier kome. die Kleinigkeiten sind des Gukguks. schreibst du denn Alles auch hübsch auf? es ist so angenehm zu wißen was einen die Sachen kosten.      Dem Vater werde ich also nächstens nach Mainz schreiben, und um seinen Seegen bitten.

Sieh, Mukkel, das kann mich wahrhaft kränken, daß du glaubst ich wäre böse auf dich gewesen, wahrhaftig nicht. ich weiß gar zu gut wie sich so etwas spinnt. Ließ nur meine Briefe mit einer freundlichen Meynung dann werden sie dir auch so vorkommen. Gott sey Dank, ich bin recht heiter, und sehe mit großer Ruhe und Ergebung manches nothwendige Gewitter oder trübe Wölklein an meinen GeschäftsHimmel ziehen, indem ich mich immer mit dem Sonnenschein tröste der dann wieder kommen muß, und auch richtig nicht ausbleibt. Ich studire gewaltig H: Eulenspiegels LebensRegeln, und finde sie sehr gut.       also sei kein Oz, ich war immer gut, und meine Bußen waren um nichts papierener als die, die ich dir jezt geben will, da [Kusssymbol] und da [Kusssymbol] Millionen dito.

O! Er eitle Krott, ich soll die Sachen auspakken, damit ich ihn hernach recht loben muß? nitz da, alles bleibt im Ueberrott. wenn ich ein bischen schnuffeln kann, so will ich’s zwar gern thun, aber ich traue mich nicht recht, weil ich sie beßer versorgt glaube eingepakt. nun ich werde ja sehen wo, und wie sie stehen.

Du bist ja ein erz spekulativer KaufmannsKopf geworden? allerdings mußt du ihm wenn der Cours beßer wird, gut Geld, für meine Rechnung geben. das steht immer gleich, und die Scheine werden mir dann nach dem Tage des Empfanges berechnet. Nun muß ich aber schließen. Heute bist du gewiß bei Dr: ich habe ihre Gesundheit getrunken*, heute Abend, und fleißig an Euch gedacht, will ihnen auch noch ein paar Worte schreiben.

Gute, gute Nacht. Gott segne dich + + + sey brav, heiter und froh, und du machst ganz glüklich deinen dich über alles liebenden alten Hamster Carl.

Alles Schöne an die Mutter. auch Grünbaums grüßen bestens. |

Guten Morgen, in größter Eile noch ein paar gute Bußen, da hast du Schnud!       Jezt geht’s in die Probe. ich warte mit Schmerzen auf den Paß. sollte ich ihn ja nicht mit heutiger Post schikken können, so kömt er gewiß mit nächster.

Gott segne dich geliebtes Leben, gute brave alte Lina. Millionen Bußen.

Editorial

Summary

Tagebuch 28. April bis 1. Mai; betr. den Sänger Gned; habe sich um einen Freipass für die Verschickung von Möbeln bemüht, den er Caroline Brandt am 2. Mai zusenden wolle; Privates; betr. Kosten des Umzugs; teilt mit, dass er ihren Vater in Mainz um seinen Segen bitten werde

Incipit

Ich muß dir wenigstens geschwind einen guten Morgen sagen

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Weberiana Cl. II A a 2, 7

    Physical Description

    • 1 DBl. (4 b. S. o. Adr.)
    • am unteren Rand der letzten Briefseite von F. W. Jähns mit Tinte: “Carl Maria von Weber an seine Braut. Eigenhändig.”
    • Rötel- und Bleistiftmarkierungen von Max Maria von Weber

    Provenance

    • vermutlich zu jenen 60 Weber-Briefen gehörig, die Max Maria von Weber Anfang 1854 an Friedrich Wilhelm Jähns verkaufte; vgl. Max Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns. Ein Familiengemälde für die Freunde, hg. von Karl Koetschau, Dresden 1906, S. 403

    Corresponding sources

    • Muks, S. 382–388

Text Constitution

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  • ß“s” overwritten with “ß
  • Freytagcrossed out
  • ß“s” overwritten with “ß
  • “Herrin”dreizehnfach unterstrichen
  • s“ß” overwritten with “s
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Commentary

  • “… Stadt herum, Abends ins Theater”Gegeben wurde Das Mädchen von Marienburg.
  • “… habe ich nun schon Lection”Webers Italienisch-Unterricht (17. Februar bis 5. September 1817).
  • “… male hier, italienisch. gieng miserabel”Vgl. den Bericht in der Abend-Zeitung vom 13. Mai 1817.
  • “… ehrliches da von Muks gesprochen”Caroline Brandt hatte in dieser Oper am Prager Ständetheater die Rosine gegeben.
  • “… Königin allein im Theater war”Laut Hoftagebuch (Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, Bestand 10006 Oberhofmarschallamt, O 04, Nr. 214) besuchten „Ihre Majtℓ. die Königin und der Prinzeßin Königℓ. Hoht. das Theater“, während „Ihre Majtℓ. der König [...] den Abend den Geschäften“ widmete.
  • “… dem Könige seine Gefangennehmung ankündigte”Nach der Leipziger Völkerschlacht am 19. Oktober 1813; vgl. u. a. Friedrich Christoph Förster, Geschichte der Befreiungs-Kriege 1813. 1814. 1815, 7. Aufl., Bd. 2 (= Neuere und neueste Preußische Geschichte, Bd. 4 = Preußens Helden im Krieg und Frieden, Bd. 6), Berlin 1864, S. 383f.
  • “… dann ich in den Tell”Vgl. den Bericht in der Abend-Zeitung vom 20. Mai 1817.
  • “… unter die Haube gebracht ist”Im März 1817 hatte Ehlers in Hamburg gastiert und offenbar seine spätere (dritte) Frau Minna Barlow, die Tochter des dortigen Souffleurs, kennengelernt.
  • “… ich habe ihre Gesundheit getrunken”Das Ehepaar Jungh hatte am 1. Mai seinen 9. Hochzeitstag.

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