Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Dresden
Wien, Samstag, 25. bis Mittwoch, 29. Oktober 1823 (Nr. 19)

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Danke Gott mit mir mein geliebtes Leben, über den glänzenden Erfolg der Euryanthe.      Müde und ermattet von allen Ehrenbezeugungen auch nachher in Gesellschaft, muß ich doch meiner geliebten Lina noch gute Nacht und Victoria zurufen. Nach jedem Akt wurde ich herausgerufen. nach dem lezten 2 mal. Der Jäger Chor* 3 mal gesungen pp u: s: w:

Morgen früh den näheren Bericht deines todtmüden Carls.

Guten Morgen meine gute Mukkin, habe gut geschlafen auf den heißen Tag, und eile nun in der Ordnung zu berichten.      Mein Empfang wie ich ins Orchester trat war der Enthusiastischte und glänzende, den man sich denken kann. Es wollte gar kein Ende nehmen. Endlich wie ich das Zeichen zum Anfang gebe, Todtenstille.      Die Ouverture rasend applaudirt, sollte da capo gemacht werden, ich ging aber weiter um den Gang der Oper nicht zu verlängern. die Antwort der Männer, den Frauen Heil in der Introd:, applaud: Schluß der Introduktion. der Reigen. im Rezitativ, das besonders Forti vortrefflich vortrug, immer so bravo gemurmel. Ich bau auf Gott*, natürlich, tüchtig.      Euryanthes Cav:* sehr schön gesungen. großer Beyfall. das Duett der Weiber*. Furore.      Grünbaums Arie*, trefflich gesungen. sehr applaud: Finale*, Furore. mich herausgerufen mit rasendem Bravo Geschrey pp.

2t Akt. Fortis Arie*. schon die Mittelsäzze mit bravos, am Ende, Furore. das Rache Duett* zwischen der Grünb: und Forti. wüthender Beyfall. beide herausgerufen. Adolars Arie*, nichts. — ist das nicht unbegreiflich? Haitzinger war aber auch zu ängstlich. Duett Hin nimm die Seele mein*, gefiel sehr, doch hatte ich auch davon noch mehr erwartet.      Unbeschreiblich aber war der Enthusiasmus nach dem Finale des 2t Aktes. das muß man aber auch von diesen Chören hören. es erschütterte mich selbst. ich natürlich wieder stürmisch herausgerufen.

3t Akt. Nun ein Lauffeuer von Beifalls Wuth.      das Duett zwischen Euryanthe und Adolar. dann, schirmender Engelschaar*, immer unterbrochen von Freude Zeichen.      Der Jäger chor* 3 mal gesungen, weil sie gar nicht ruhten.      der höchste Punkt aber erreichte die Theilnahme im zu ihm!* Eine solche Wechselwirkung zwischen Publikum und der Sache, habe ich noch nie erlebt, sie spielten förmlich mit, jeder | Takt wurde durch Thränen, Bravo gemurmel und Klatschen begleitet. und die Sonntag sogleich wieder herausgerufen.      Es war aber auch hinreißend wie sie die Arie singt und spielt.      Was soll ich weiter detailliren so ging es fort.      auf die höchste Höhe stieg es abermals bei, Trozze nicht. und am Schluße der Jubel — Mein geliebtes Weib so etwas kann man nicht beschreiben. — ich führte die beiden Weiber mit heraus, da ich der andern nicht gleich habhaft werden konnte, darauf riefen sie mich wieder allein heraus. Dann den Forti noch.      Alles schwamm in Seligkeit, die Sänger Chöre, Orchester alles war Wonnetrunken, und erstikte mich fast mit Liebkosungen.      Von da fuhr ich in die LudlamT wo 27 Dichter und Künstler versammelt waren. das Zimmer festlich erleuchtet, mit Guirlanden geschmükt, mein Bild in der Mitte mit einem Lorbeerkranz. die vielfältigen Beweise von Liebe und Verehrung waren rührend und schön. Hier hast du die Gedichte die ich gleich mitnehmen konnte. Eines von Kastelli, Saphir, und ein ungarisches von Graf Majlath bekomme ich erst in Abschrift*.

So schloß ein Tag, der mir ewig merkwürdig bleiben wird, und hoffentlich auch in der Kunstgeschichte unsrer Zeit seinen Plaz einnehmen wird.      Danke Gott mit mir, für die überschwängliche Huld, womit er mich vor Tausenden überschüttet.

d: 27t Schönen guten Morgen, Frau Mukkin. Heute Nacht habe ich erst recht geschlafen wie sichs gehört. Gestern früh war große Cour bei mir, Mosel und alle kamen glükwünschend und lobpreisend.      auch nahm ich noch ein paar Verkürzungen vor, in der 1t Szene zwischen den beiden Weibern im 1t Akt, und im 3t wo die Euryanthe allein ist*.      Die Bemerkungen aller meiner Freunde kam mit meiner eigenen überein.      Mittag war ich bei Festetitsch, und Abends in der Burg, wo die Lästerschule vortrefflich gegeben wurde. dann, recht ermüdet gleich in Bett. Heute nun ist die 2t Vorstellung, und Mittwoch, zum Benefiçe der Sonntag die 3t unter meiner Direkzion. Du kannst mir also auf diesen Brief nicht mehr hieher antworten | sondern nach Prag. wo du ihn an Jungh adreßirst. S: Majestät der Kaiser sind zwar noch nicht hier, er soll aber heute oder Morgen ankommen. ich hoffe so dann gleich Audienz zu bekommen, und mache dann meine andern Abschiedsbesuche ab. dann geht es Gott lob und Dank, Heimwärts, zu der Mukkin und der Mäzze*. Was freue ich mich.

d: 28t      Guten fröhlichen Morgen, herzliebster Schatz! Die Gestrige Vorstellung war bei weitem besser als die erste, und der Enthusiasmus des Publikums wo möglich noch größer. Mein Empfang war wieder der rauschendste, jedes Musikstük wurde mit Furore applaudirt, ich wurde nach dem 1t Akt herausgerufen. Die Grünbaum und Forti, nach ihrem Duett*, ich wieder nach dem 2t Akt. die Sonntag nach ihrer lezten Arie*, und ich wieder am Schluß, und dann die Sonntag.      Nun frage ich ob man mehr in dieser Welt verlangen kann? und ob es nicht so viel ist, daß selbst die Mukkin zufrieden sein kann. NB: Der Jägerchor* wieder 3 mal gesungen.

Gestern früh wurde ich wieder mit Besuchen überhäuft, und probirte um ½ 11 Uhr die Abkürzungen die sehr wohlthätig wirkten. Du weißt ich hatte immer Skrupel bei diesen Szenen, aber da mein Hosterwitzer Publikum, und besonders die Gallerie es nicht langweilig fanden, so tröstete ich mich. Hier aber sah ich die Nothwendigkeit ein, und griff frisch zum Meßer.

Mittag war ich bei Rosenbaum*, dann fieng ich an so manche Komißionen zu besorgen*. nun und Abends dann die Euryanthe. darauf noch ein bißel in die LudlamT, und in Bett. Heute eße ich beim H: Grafen v: Schulenburg, unserm Gesandten, der sich wirklich auch errinnert daß ich auf der Welt bin. —

Morgen dirigire ich zum leztenmale hier die Euryanthe. und Morgen geht auch endlich dieser Brief fort. könnte ich ihm doch Flügel leihen, denn da du unglüklicher Weise den Tag der Aufführung weißt, so sizzest du volle 8 Tage in TodesAngst; die aber hoffentlich durch das Resultat vergütet werden wird. Nun ade, anziehen. Heute muß auch eigentlich ein Briefel von dir kommen. ade! ade!

Um 2 Uhr. Richtig da ist Dein lieber No: 15 vom 23 und 24t /: wieder eine unrichtige Nro: :/ das ist ja zum Jubeln, daß Max seine Bakzähne so schön bekommt, Gott sei ewig dafür gepriesen. Wohl hast Du Recht mir nicht diese Freuden vorzuenthalten, Sie beruhigen und erheitern mich unendlich, denn andere Sorge als um Euch habe ich nicht.      daß | aber die Madam recht confus ist, sehe ich aus Ihren Briefen. Sie zeigt mir nicht mehr den Empfang der Meinigen an, sie beantwortet sie nicht Punkt für Punkt, sie freut sich nicht über alles Gute was ich ihr schreibe. kurz, sie verdient Haue, und in Bett.      da bin ich viel braver.

Bis jezt spüre ich keine sonderliche Abspannung, und warm versorgt bin ich ja auch, wenn nur schon der Kaiser da wäre, und ich bei ihm gewesen wäre, das ist das einzige was mich länger aufhalten kann. sonst — Erholung? wann hätte ich mir die gegönnt? und wie könnt ich sie haben, ohne dich.      Benedikt wird gewiß referiren. Er kann aber auch nicht mehr sagen als ich dir erzählte.      Unzelmanns wiederkommen? wer hat dir das weiß gemacht*. Er hat hier jemand aufgetrieben der ihm 2000 f Conv. M: geliehen hat. diese hat er bei hiesiger Direktion deponirt. die giebt auch 2000 ƒ und garantirt einen jährlichen Abzug von 1300 ƒ ist damit Könneritz und die Gläubiger zufrieden, so bleibt er gleich hier. so sagte mir gestern Schreyvogel.      Ich möchte gewiß gern an Morlachi schreiben aber es ist mir unmöglich. du glaubst nicht wie ich die Augenblikke zusamstehlen muß, um dir zu schreiben.      Böttger grüße auch bestens von mir. die Fr. v: Piquot war recht krank, an der Gelbsucht es geht aber beßer. künftigen Sonnabend eße ich bei ihr.

Bravo, Frau Mukkin, das ist recht daß du dich hast mit der Mäzze spazieren kutschen laßen. wenn ich zurük komme wollen wir auch den neuen WagenT probiren.      Die arme Böttger das wäre ein ungeheurer Verlust für ihn.      Deine Lokken sind schon lange bestellt. ob die andern nicht zu spät kommen, laße ich dahin gestellt sein.      Nun muß ich zu Tische. 10 000 gute Bußen.

d: 29t      Nun endlich heute soll er fort, dieser Brief. der hoffentlich ein Freudenbringer ist, denn Er erzählt den glänzendsten Erfolg, und sagt daß du ihn nicht mehr nach Wien beantworten darfst.      Heute komt der Kaiser. nun komt es darauf an wann ich Audienz bekomme.      Vor 8 Tagen werde ich doch wohl schwerlich wegkommen. dauert’s mir zu lange, so gehe ich eben fort. Wenn der Buchhändler Stuhr in Berlin, oder die Schauspieldirektorin Bellarti in Meseritz 12 # für den Freyschützen schikt, nebst Revers so kann man ihr ihn senden*.      Lauterbach hat eine Partitur abzuliefern.

Nun gebe ich diesen Zeilen meinen vollen Seegen für Euch mit. + + +. Mögen sie Dich so beglükken als ich es hoffe und wünsche. theile allen Theilnehmenden Nachrichten mit.

besonders empfiehl uns auch bei Könneritz; und so schnell als es nur immer möglich eilt in deine Arme, und zu der lieben Mäzze Euer Euch zärtlichst liebender treuer Carl

Die herzlichsten Grüße an Roth und die Fräuleins.

Editorial

Summary

berichtet ausführlich u. begeistert über die Uraufführung der Euryanthe und die anschließende Ehrenfeier bei Ludlam; 27.10.: über Besuche am 26.; will noch den Kaiser abwarten um dann aufzubrechen; 28.10.: über die zweite Aufführung, die noch besser ausgefallen sei; erwähnt Kürzungen, die sehr wohltätig wirkten; nur die Abwesenheit des Kaisers halte ihn noch auf; 29.10.: der Kaiser werde heute erwartet; Abreise verzögere sich aber wohl um 8 Tage; Anweisung den Verkauf von Freischütz-Part. betr.

Incipit

Danke Gott mit mir mein geliebtes Leben

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Mus. ep. C. M. v. Weber 174

    Physical Description

    Corresponding sources

    • Reisebriefe, S. 58–63
    • MMW II, S. 528-530 gekürzter Abdruck der Briefteile 25.-27.10., S. 531f. ein zusätzlicher Abschnitt vom 28.10.

    Commentary

    • “… 2 mal. Der Jäger Chor”Nr. 18.
    • “… gemurmel. Ich bau auf Gott”Nr. 4.
    • “… , natürlich, tüchtig. Euryanthes Cav:”Nr. 5.
    • “… Beyfall. das Duett der Weiber”Nr. 7.
    • “… . Furore . Grünbaums Arie”Nr. 8.
    • “… trefflich gesungen. sehr applaud: Finale”Nr. 9.
    • “… t Akt . Fortis Arie”Nr. 10.
    • “… Furore . das Rache Duett”Nr. 11.
    • “… . beide herausgerufen. Adolars Arie”Nr. 12.
    • “… Hin nimm die Seele mein”Nr. 13.
    • “… Adolar . dann, schirmender Engelschaar”Nr. 16.
    • “… Freude Zeichen. Der Jäger chor”Nr. 18.
    • “… Theilnahme im zu ihm !”Nr. 20.
    • “… bekomme ich erst in Abschrift”An Gedichten in diesem Zusammenhang sind überliefert: zwei von Seidl sowie je eins von Kuffner, Castelli und Mailáth; vgl. unter Gedichte (Schriften).
    • “… wo die Euryanthe allein ist”Kürzungen im Rezitativ nach der Cavatine Nr. 5 und der Arie Nr. 6 sowie in Nr. 17.
    • “… der Mukkin und der Mäzze”Darunter von unbekannter Hand: Max.
    • “… Forti , nach ihrem Duett”Nr. 11.
    • “… Sonntag nach ihrer lezten Arie”Nr. 20.
    • “… sein kann. NB: Der Jägerchor”Nr. 18.
    • “… Mittag war ich bei Rosenbaum”Zu den Gästen der Mittagstafel bei Rosenbaums in der Stadtwohnung (Nr. 337 Ledererhof) gehörten nach Rosenbaums Tagebuch-Notizen Johann Uhl mit Ehefrau Julie, geb. Csekonics, und Schwager Csekonics aus Eisenstadt, Elisabeth Beisteiner und Heinrich Koch sowie zwei nicht sicher zuzuordnende Personen: Elsler und Stürmer. Am Nachmittag kamen noch Betty Vio und weitere Personen (Etzelt, Reimann, Kwiakowsky, Kridl) hinzu; vgl. Weber-Studien, Bd. 8 (S. 491–493).
    • “… so manche Komißionen zu besorgen”Laut Tagebuch suchte Weber H. Anschütz auf.
    • “… hat dir das weiß gemacht”Vgl. dazu auch Webers Brief an Könneritz vom 14. Oktober 1823.
    • “… kann man ihr ihn senden”Ob der Versand der Partitur erfolgte, ist ungewiss. In seinem Ausgabenbuch notierte Weber nach April 1823 keine Verkäufe von Freischütz-Partituren mehr. Auch ein entsprechender Honorareingang ist weder dort noch im Tagebuch registriert, was eher gegen einen Versand der Partitur spricht.

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