Webers Tagebücher – Anlage, Überlieferung, Edition
Die Tagebuchaufzeichnungen, die Carl Maria von Weber vom 26. Februar 1810 bis zum 3. Juni 1826 (anderthalb Tage vor seinem Tod) unter wechselnden Jahrgangs-Titeln (Tagebuch der Reise … / Tagebuch des Jahres … / Notizen und AusgabeBuch des Jahres … / Tage und Ausgabebuch des Jahres … / Notizen und Ausgaben des Jahres … o. ä.) konsequent führte1, sind ein kaum zu überschätzender Glücksfall für die Weber-Forschung, erlauben sie doch einen quasi ungefilterten Blick auf den Alltag eines Künstlers, gleichermaßen auf sein Leben und Schaffen. Hans Schnoor sah in ihnen eine „lebensgeschichtliche Quelle von höchster biographischer Bedeutung“, einen „Rechenschaftsbericht, wie er in dieser Form von keines Meisters Hand existiert“2, und Friedrich Herzfeld urteilte etwas überspitzt: „Wir können bis auf Tag und Stunde genau verfolgen, welche Opern Weber nicht nur besucht, sondern auch studiert hat. Webers Lebenslauf läßt sich also bis in alle kleinsten Einzelheiten noch feststellen“3. Freilich enthalten die Tagebücher, wie es Webers Sohn Max Maria formulierte, keine „ausführliche[n] Niederschriften im Memoirenstyle, etwa nach der Art der Varnhagen’schen“4. Nur für den persönlichen Gebrauch vorgesehen und nicht auf Außenwirkung bedacht, fehlt den Aufzeichnungen jeglicher literarische Anspruch, dafür sind sie gänzlich frei von jeder Form von Selbstdarstellung oder -inszenierung, in ihrer Sachlichkeit und der oft geradezu lakonischen Kürze der Notate sozusagen ,Weber pur‘.
Wer in den Tagebuchnotizen umfangreichere ästhetische Äußerungen sucht, wird bei der Lektüre enttäuscht sein; bereits Max Maria von Weber beklagte, dass sich in ihnen neben den von seinem Vater „mit der Genauigkeit eines Staatskassieres geführten Verrechnungen seiner Einnahmen und Ausgaben […], welche die Aufwände für die verschiedenen Branchen des Hausstandes, Kleidung, Wäsche, Bücher &c. nachweisen“, nur „sehr kurze Notizen über die Ereignisse des Lebens“ und extrem selten „eine flüchtige Reflexion“ fänden5. Werturteile über besuchte Theatervorstellungen, Konzerte oder die Werke anderer Künstler (Musik wie Literatur) gehen tatsächlich selten über ein oder zwei Worte („äußerst brillant“, „gut“, „glatt“, „elend“ oder ähnlich) hinaus; in dieser Beziehung enthalten Webers Briefe und Schriften wesentlich substantiellere Aussagen. Absolute Ausnahmen bleiben im Tagebuch Selbstreflexionen über das eigene künstlerische Wirken (z. B. am 13. Mai 1812). Umso wichtiger sind die zahllosen Hinweise, die die Entstehung fast aller Kompositionen aus dem genannten Zeitraum bis in Details, wenn auch nur schlaglichtartig, nachvollziehbar machen und die Verbreitung dieser Werke (Drucklegung, Verkauf von Partiturkopien etc.) illustrieren.
Zur Anlage der Tagebuchnotizen
Auslöser für das Tagebuchschreiben war ein für Weber traumatischer biographischer Einschnitt: Am Ende seiner Tätigkeit in Württemberg in dubiose Machenschaften seines Dienstherren verstrickt und selbst hoch verschuldetT, begann Weber nach Prozess und Arrest direkt am Tag seiner Landesverweisung mit den Notizen; sie waren ihm sozusagen ein Instrument der (besonders finanziellen) Selbstdisziplinierung, deren Akribie Max Maria von Weber zu Unrecht mit der Pedanterie eines Buchhalters verglich, und der künstlerischen Selbstvergewisserung. Diesen Anspruch verdeutlicht speziell die „Moralische Uebersicht des Jahres 1810“, die den ersten Jahrgang beschließt und in der Weber den 26. Februar 1810 selbst als Beginn „eine[r] neue[n] Lebens Epoche“ bezeichnet.
Die ,Selbsttherapie‘ mittels Rechenschaftslegung im Tagebuch war tatsächlich erfolgreich: Bis 1816 gelang es Weber, die nicht unerheblichen Schulden in Stuttgart vollständig zu tilgenT. Dass er auch danach am Tagebuchschreiben festhielt, beweist, wie wichtig und selbstverständlich ihm diese Art der persönlichen ,Buchführung‘ inzwischen geworden war: Er behielt auf diese Weise nicht nur einen Überblick über finanzielle Verpflichtungen, noch ausstehende Zahlungseingänge und Geldanlagen bei Bankhäusern6, sondern auch über seine umfangreiche Korrespondenz7, über Absprachen mit Verlegern und vieles mehr. Zudem dienten ihm die Tagebuchnotizen nicht selten als Vorlagen zum Briefschreiben; besonders in den Briefen an seine Braut und spätere Ehefrau Caroline Brandt / von Weber findet sich nicht selten der Begriff des ,Tagebuch-Referierens‘, gemeint ist das tageweise Beschreiben seiner Erlebnisse und Aktivitäten, sichtlich (bis hin zu Formulierungen) angelehnt an die Tagebuchnotizen, die sozusagen den Erinnerungs-Leitfaden lieferten.
So detailliert man Webers Alltag auch nachvollziehen kann, darf man freilich nie – hier muss man Herzfelds Begeisterung über den lückenlosen Einblick in Webers Biographie (siehe oben) zumindest hinsichtlich der Absolutheit widersprechen – von einer Vollständigkeit oder gar Konsequenz der Mitteilungen ausgehen; ihr gänzlich privater Charakter bedingt, dass Weber nur das ihm Wichtige festhielt, zudem in einer für ihn (teilweise nur für ihn) nachvollziehbaren Form (auf andere Leser musste keine Rücksicht genommen werden8; vielfach sind Kürzel oder Chiffren verwendet9, deren Form immer wieder wechselt und keineswegs konsequent durchgehalten wird). Weder die zahlreichen Korrespondenznachweise noch die Hinweise auf soziale Kontakte sind als komplett anzusehen: Es sind etliche Briefe Webers überliefert, deren Nachweis im Tagebuch fehlt (zudem gibt es zahllose Datumsdiskrepanzen zwischen den Briefen und den dazugehörigen Tagebucheinträgen10), und immer wieder sind in Briefen, Erinnerungen von Zeitgenossen oder ähnlichen Quellen Begegnungen mit Weber thematisiert, die er selbst in seinem Tagebuch nicht erwähnte (also die er keiner Erwähnung für wert befand oder schlicht vergaß). Selbst das erste Zusammentreffen Webers mit E. T. A. Hoffmann am 3. März 1811 in Bamberg hinterließ in den Tagebuchnotizen erstaunlicherweise keinerlei Spuren11. Und trotzdem ist der Detailreichtum, der uns an Webers Leben und Wirken teilhaben lässt (bis hin zu fast voyeuristischen Einblicken in seine häufig wechselnden Frauenbekanntschaften vor seiner Verlobung mit Caroline Brandt) übergroß.
Nicht nur hinsichtlich der Weber-Biographik, seiner beruflichen Tätigkeit als ausübender Musiker bzw. Kapellmeister und der Genese seiner Werke ist das Tagebuch eine Quelle ersten Ranges; auch fachfremde Forscher finden hier ein unerschöpfliches Reservoir an Informationen: Für Soziologen, Historiker, Theaterwissenschaftler, Germanisten u. a. können die Aufzeichnungen einen repräsentativen Informationspool bereithalten. So ist die Prager Theatergeschichte zwischen 1813 und 1816 aufgrund des Fehlens der Theaterzettelüberlieferung und der Lückenhaftigkeit der Presseberichterstattung nur unter Rückgriff auf zwei Weber-Quellen genauer zu rekonstruieren: Neben dem Prager Notizen-Buch (quasi den dienstlichen Protokollen, angelegt für den internen Theatergebrauch) bieten Webers private Tagebücher durch die Hinweise auf Vorstellungen, an denen Weber als Dirigent beteiligt war bzw. die er besuchte, wesentliche Informationen zur Rekonstruktion der SpielpläneTTTT.
Zur Überlieferung
Es ist einer glücklichen Fügung zu danken, dass dieser Schatz an Informationen überhaupt bis zum heutigen Tag erhalten blieb, denn der gänzlich private Charakter der Notizen bedingte auch, dass die Tagebücher – so sah es zumindest Weber selbst – nach seinem Tod ihre Relevanz verloren. In seinem quasi testamentarischen Brief vom 10. Februar 1822 hatte Weber seine Frau Caroline ausdrücklich angewiesen: „Meine alten Tagebücher verbrenne ungelesen.“ An diese Weisung fühlte sich die Witwe gebunden. So drohte den Tagebüchern nach einer Zeit der ersten Trauer, in der ein solches ,Autodafé‘ für Caroline von Weber mental noch einen zu großen Kraftakt bedeutet hätte, wenige Jahre nach Webers Tod tatsächlich die Vernichtung. Der junge Friedrich Wilhelm Jähns, der 1829 als glühender Weber-Verehrer erstmals mit der Familie von Weber in Kontakt trat, konnte, glaubt man seinen späteren Berichten, Caroline von Weber davon überzeugen, dem letzten Willen des Verstorbenen nicht zu folgen. Ausführlich beschrieb Jähns mit fast 50 Jahren Abstand – im Brief an Robert Musiol vom 2. April 1877 – seinen Einsatz: Nur durch sein „inständiges Bitten u. Flehen, ja Beschwören, wurde das Damokles-Schwert abgelenkt“, und das zunächst aus reiner Pietät, ohne Kenntnis des Inhalts. Erst später (1836), als ihm die Witwe die Lektüre der Tagebücher gestattete, erkannte er tatsächlich, „welch’ einem Schatz für die Kunstgeschichte der Untergang gedroht hatte“. 1841 bewirkten Anfragen von Seiten des Verlegers Heinrich Schlesinger, dass Caroline von Weber sich nochmals mit der Frage des Umgangs mit den Tagebüchern beschäftigte; wieder drohte die Vernichtung, doch die Aufzeichnungen entgingen erneut diesem Schicksal12.
Die Tagebuch-Manuskripte blieben bis Mitte des 20. Jahrhunderts in Familienbesitz der Webers und waren für die wissenschaftliche Forschung weitgehend unzugänglich. Zwar werteten Max Maria von Weber (für sein Weber-Lebensbild) und Jähns (für sein Werkverzeichnis) die Notizen aus, doch eine vollständige Publikation eines derart privaten Zeugnisses erachtete die Familie zunächst wohl als Sakrileg13. Max Maria von Weber bewertete zudem aufgrund der „abgerissene[n]“ Notizen seines Vaters „auch nicht eine Seite des Tagebuches zum Abdrucke [für] geeignet“ und erkannte ihren „unschätzbare[n]“ Wert lediglich in ihrer Funktion als „Unterlagen für [die] Darstellung von Weber’s sehr genau darin verzeichneter Thätigkeit, das Studium seiner Verbindungen, seiner Correspondenz, und zur Feststellung der Daten“14.
Auskünfte an Wissenschaftler wurden von der Familie auf Anfrage erteilt (besonders von der Urenkelin Mathilde von Weber ist eine diesbezügliche Korrespondenz dokumentiert15), doch nach Jähns, der quasi als ,Familienmitglied‘ betrachtet wurde, wurde – abgesehen von Friedrich Herzfeld, der eine erste kurze inhaltliche Bestandsaufnahme der Tagebücher publizierte16, – wohl erst dem Weber-Forscher Hans Schnoor wieder ein umfangreicherer Zugang zum Weber-Archiv gewährt. Das änderte sich erst in den 1950er Jahren, als Mathilde von Weber der Berliner Staatsbibliothek auf Initiative von Wilhelm Virneisel zunächst (spätestens 1954) einen kompletten Mikrofilm der Tagebücher zur Verfügung stellte, nach welchem eine vollständige Fotokopie erstellt werden konnte17, und dann speziell 1956, als Mathilde von Weber in Abstimmung mit dem Erben Hans-Jürgen von Weber testamentarisch verfügte, dass der gesamte sogenannte Weber-Familiennachlass (und damit auch die Tagebücher) nach ihrem Tod (1956) als Depositum in der (Ost-)Berliner Deutschen Staatsbibliothek verwahrt werden solle, wo er in der Folge der Forschung zur Verfügung gestellt werden konnte18. Per Schenkung von 1986 durch Hans-Jürgen von Weber wurde die Bibliothek dann auch Eigentümer, verbunden mit der Selbstverpflichtung, den Weber-Nachlass wissenschaftlich auszuwerten.
Editionsprojekte
Mit der Schenkung wurde die Idee einer Gesamtpublikation der Tagebücher erneut aufgegriffen. Zweimal waren entsprechende Vorhaben bereits gescheitert: Hans Schnoor wollte gemeinsam mit Hans Joachim Moser und Wilhelm Virneisel in den 1950er Jahren eine Weber-Brief- und -Tagebuchausgabe ins Leben rufen19, an der Mathilde von Weber, die bereits handschriftliche Übertragungen zu einigen Teilbereichen zusammengestellt hatte20, als Mitherausgeberin mitwirken sollte. Schnoor dienten die Tagebücher besonders zum Erstellen von Briefregesten (als Vorarbeit zur geplanten Briefausgabe)21. Aufgrund mangelnden Verlagsinteresses blieb es bei diesen noch nicht weiter konkretisierten Plänen und fragmentarischen Vorarbeiten22.
Einen zweiten ,Anlauf‘ versuchte Franz Zapf in Dresden, der im Zuge seiner Neugestaltung der Weber-Gedenkstätte in Hosterwitz (1957) auf die Tagebücher aufmerksam geworden war und ab 1963 die systematische Vorbereitung einer Edition betrieb. Bei seinem überraschenden Tod 1966 lagen immerhin maschinenschriftliche Übertragungen des Gesamtkorpus vor – ungeachtet zahlreicher Übertragungsfehler eine beachtliche Leistung! Bei der Kommentierung war Zapf allerdings über Vorarbeiten zu den Jahrgängen 1810 bis 1812 und 1817 nicht hinausgekommen23. Der Deutsche Verlag für Musik in Leipzig erwarb zwar 1969 ein maschinenschriftliches Manuskript, engagierte sich aber nicht für einen Abschluss der Fragment gebliebenen Arbeit.
Bereits im Vorfeld der Nachlass-Schenkung von 1986 initiierte Wolfgang Goldhan, der Leiter der Musikabteilung der Deutschen Staatsbibliothek, in Hinblick auf das Jubiläumsjahr (Webers 200. Geburtstag) etliche Weber-Projekte (gedruckter Autographenkatalog, Edition der Braut-Briefe Webers, Lieder-Edition) und griff schließlich auch den Vorsatz der Tagebuch-Drucklegung erneut auf, der aber erst mit den Planungen für eine neue Weber-Gesamtausgabe Gestalt annahm: Seit 1992 wird dieses Vorhaben – zunächst ,analog‘ geplant24 und in Angriff genommen, schließlich im Verbund mit der Brief- und Schriftenausgabe als genuin digitale Edition umgesetzt25 und (nach vorläufigen elektronischen Probe-Editionen ab 200826) seit 2011 auf der Homepage der Weber-Gesamtausgabe für die interessierte Öffentlichkeit in verschiedenen Bearbeitungsstufen27 frei zugänglich – in der Berliner Arbeitsstelle durch Dagmar Beck betrieben, die eine erneute Gesamt-Übertragung nach den Originalen vorlegte. Seit 2022 wird sie von Frank Ziegler vorrangig bei der Kommentierung unterstützt (Einzelstellen- sowie Themenkommentare; Personen-, Werk- und Ortsauszeichnungen mittels Verlinkungen inklusive Ausbau der entsprechenden Datenbanken; Verweisungen auf inhaltlich ergänzende bzw. in Einzelfällen auch korrigierende Hinweise in Briefen, Dokumenten und Schriften; Querverweise bei inhaltlichen Bezügen von zeitlich voneinander getrennten Tagebuchaufzeichnungen zum selben Sachverhalt). Die Berliner Staatsbibliothek fertigte 2016 von allen Tagebuch-Jahrgängen Digitalisate an, die nicht nur über den stabikat der Bibliothek frei einsehbar sind, sondern auch direkt von der Edition aus (als Faksimileansicht) angesteuert werden können.
Frank ZieglerEndnotes
- 1Größere Lücken enthält der Jahrgang 1814 (es fehlen Einträge vom 5. bis 20. April, 26. Mai bis 9. Juni, 19. Juni bis 26. Juli sowie 1. August bis 31. Dezember), diese Lücken entstanden allerdings erst nach Webers Tod. Friedrich Wilhelm Jähns notierte in seinen handschriftlichen, 1871 aus dem Weber-Tagebuch ausgezogenen Briefregesten (D-B, Weberiana Cl. VII, Bd. 28a) zur zweiten Jahreshälfte 1814: „Von hier fehlt Alles im Tagebuch bis Schluß des Jahres 1814. Zur Zeit als Webers Wittwe lebte, war noch alles vollständig.“ Jähns erhielt die Tagebücher angeblich erstmalig 1836 von Caroline von Weber zur Lektüre ausgehändigt (vgl. seinen Brief vom 2. April 1877), möglicherweise nochmals 1848 (vgl. die Ankündigungen in den Briefen vom Juli/August 1848), an seiner Erinnerung ist also wohl nicht zu zweifeln. Als Jähns die Tagebücher später als längerfristige Leihgabe von Max Maria von Weber erhielt, um an seinem Werkverzeichnis zu arbeiten (vgl. den Brief von Jähns an Antonie Weber vom 19. September 1865), müssen sie bereits lückenhaft gewesen sein, da im Werkverzeichnis für den entsprechenden Zeitraum keine Tagebuch-Belege genannt werden. Die Verluste dürften somit zwischen 1836 und ca. 1862/63 entstanden sein; ob noch Caroline von Weber oder bereits Max Maria von Weber Hand anlegte, um ggf. missliebige Passagen zu tilgen, ist ungewiss. Es dürfte sich allerdings nicht um zufällige Verluste, sondern um vorsätzliche Entnahmen handeln, möglicherweise um allzu private Details zum Beginn der Beziehung zwischen Weber und seiner späteren Frau geheimzuhalten.
- 2Vgl. Hans Schnoor, Weber. Gestalt und Schöpfung, Dresden 1953, S. 111.
- 3Friedrich Herzfeld, Die Tagebücher Carl Maria von Webers, in: Allgemeine Musikzeitung. Wochenschrift für das Musikleben der Gegenwart, Jg. 63, Nr. 51 (18. Dezember 1936), S. 786. Friedrich Wilhelm Jähns beurteilte die Tagebücher in seinem Weber-Werkverzeichnis (S. 15) – über das rein Biographische hinausgehend – als eine „höchst wichtige historische Quelle über Weber’s Leben im Allgemeinen, wie über seine musikalische wie schriftstellerische Tätigkeit“, betonte also zusätzlich ihre Bedeutung als Quelle von werkgenetischer Relevanz.
- 4Max Maria von Weber, Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild, Bd. 1, Leipzig 1864, S. XI. Bezogen auf die damals gerade begonnene Edition: Tagebücher von K. A. Varnhagen von Ense. Aus dem Nachlaß Varnhagen’s von Ense, hg. von Ludmilla Assing, 14 Bd., Leipzig bzw. Hamburg 1861–1870 (bzw. 2. Aufl. 1863ff.).
- 5Max Maria von Weber, Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild, Bd. 1, Leipzig 1864, S. XI.
- 6Aus den Jahren nach der Heirat existieren parallel zu den Tagebüchern noch zwei separate Ausgabenbücher, die überwiegend Hinweise zu Haushaltsausgaben, aber auch zum Verkauf der Bühnenwerke Webers (Partiturkopien und Textbücher) enthalten: aus den Zeiträumen von Dezember 1817 bis Oktober 1818 mit späteren Nachträgen (zunächst geschrieben von Weber und weitergeführt von seiner Frau) und Januar 1821 bis September 1823 (geführt überwiegend von Caroline von Weber mit Nachträgen Webers; D-B, Mus. ms. autogr. theor. C. M. v. Weber WFN 2 bzw. 3), die wohl überwiegend der finanziellen Abstimmung zwischen den Ehepartnern dienten.
- 7Dass die Tagebücher Weber auch als „Briefbücher“ dienten, belegen auch die mehrfachen Verweise „vide Aufs.“ (oder ähnlich), mit denen sich Weber wohl auf seine Sammlung von Entwürfen zu Aufsätzen und Geschäftskorrespondenz (heute überwiegend in D-B, Mus. ms. autogr. theor. C. M. von Weber WFN 6) bezog.
- 8Das betrifft auch das Schriftbild: Während Weber sich in seinen Briefen – je nach Empfänger – eher um eine lesbare Handschrift bemühte, wird die Schrift vor allem in den späteren Tagebuch-Jahrgängen immer flüchtiger, was gerade bei der Lesung von einzelnen Personennamen, aber auch bei sehr kurzen Notaten ohne Kontextualisierung sowie bei Wortendungen nicht immer Eindeutigkeit bezüglich der Lesung erlaubt. Die Herausgeber versuchen in diesen Fällen nicht, vermeintliche Eindeutigkeit herzustellen, sondern bekennen sich zu den Schwierigkeiten bei der Transkription. Der problemlose Rückgriff auf die Tagebuch-Faksimiles erlaubt den Nutzern, sich selbständig mit der Interpretation durch die Editoren auseinanderzusetzen.
- 9Um ein problemloses Verständnis der Aufzeichnungen (auch für Nicht-Muttersprachler) zu erleichtern, werden in den Transkriptionen die Kürzel weitgehend konsequent aufgelöst (bei Wiederholungen aber in der Regel nur einmal pro Tages-Eintrag), allerdings nicht im Haupttext, sondern mittels aufzuklappender Textkonstitutions-Felder. Das scheint besonders deshalb nötig, da Weber einerseits identische Kürzel für verschiedene Inhalte verwendete, andererseits einzelne Worte mit verschiedenen Kürzeln bedachte. So kann – freilich ein Extrembeispiel – beispielsweise nur aus dem Kontext erschlossen werden, ob der Hinweis „4 Pr:“ als „um 4 Uhr [gemeint 16:00 Uhr] Probe“ oder als „Quartettprobe“ aufzulösen ist, zumal das Wort Quartettprobe auch als „4t Pr:“, „Quart: Pr:“ oder „QuartettPr:“ abgekürzt zu finden ist. Wenn die Editoren keine eindeutige Auflösung erschließen können, werden soweit möglich Varianten angeboten. Die Abkürzungsauflösungen durch die Editoren sind lediglich als ,Handreichung‘ zu verstehen – wer sie nicht benötigt, kann die entsprechenden Kommentierungssymbole ignorieren.
- 10Solche Widersprüche deuten darauf hin, dass die Tagebuchnotizen nicht täglich geführt, sondern gelegentlich auch rückwirkend mehrere Tage „nachgearbeitet“ wurden (ggf. nach vorläufigen, danach vernichteten Notizen). Eine Passage in Webers Brief an Caroline Brandt vom 10. April 1817 illustriert diese Vorgehensweise: „seit einer Reihe von Jahren bin ich nicht so überhäuft und erdrükt gewesen, wie jezt die lezte Zeit, wo ich seit 20 Tagen nicht einmal mein Tage und Ausgabenbuch besorgt habe“.
- 11Weber scheint das durch Hoffmanns Tagebuch gesicherte Treffen tatsächlich vergessen zu haben, da er am 12. Juni 1816 in Berlin in seinem Tagebuch notierte, er habe „Hoffmanns Bekanntschaft gemacht“.
- 12Vgl. die Briefe Caroline von Webers an das Ehepaar Jähns vom September und November 1841. Caroline von Webers Unsicherheit im Umgang mit den Tagebüchern führte allerdings auch dazu, dass von ihr nie – wie aus dem Bestand der Werk-Autographen und Briefe – Teile an Weber-Verehrer oder Autographensammler verschenkt wurden. Auch Max Maria von Weber, der zu solchen Zwecken besonders Webers Sammlung seiner Brief- und Schriftenentwürfe (vgl. Anm. 7) erheblich reduzierte, rührte die Tagebücher in dieser Beziehung nicht an.
- 13Auf solche Vorbehalte deutet auch Hans Schnoors Argumentation hin, in der er die Ausgangsfrage bezüglich der „wissenschaftlichen Moral“ formulierte, die sich an die „Erhaltung und Auswertung dieser unschätzbar wichtigen Dokumente“ knüpfe: „Darf man entgegen dem testamentarisch bekundeten Willen des Schreibers solcher Lebensbeichte von ihrem Geheimnis öffentlich Gebrauch machen?“ Schnoor kam zu einem positiven Ergebnis, da er in Webers Tagebüchern einen wesentlichen „Schlüssel zu seinem Wesen und Schaffen, zu seiner Innen- und Außenwelt“ sah.
- 14Vgl. das Lebensbild, Bd. 1, S. XIf.
- 15Vgl. Eveline Bartlitz, Ein Jubiläum eigener Art, in: Weberiana, Heft. 16 (2006), S. 82–84.
- 16Vgl. Friedrich Herzfeld (wie Anm. 3), S. 785f.
- 17D-B, Fot. 276 [3 Kästen], inventarisiert 1954. Der originale Mikrofilm ist Teil des Nachlasses von Mathilde von Weber: D-B, 55 Nachl. 50 (Mikrofilme).
- 18D-B, Mus. ms. autogr. theor. C. M. v. Weber WFN 1.
- 19Vgl. Eveline Bartlitz, In memoriam Mathilde von Weber (1881–1956), in: Weberiana, Heft 5 (1996), S. 7. Vgl. dazu auch Schnoors Korrespondenz (D-B, Mus. Nachl. Schnoor, Ordner 51ff., speziell mit Moser sowie Verlagen).
- 20D-B, 55 Nachl 50, Gruppen 7.1 (Briefübertragungen) und 7.2 (Tagebuch-Übertragungen zu den Zeiträumen 26. Februar 1810 bis 20. November 1813 und 1. Januar 1817 bis 23. Juni 1818) sowie – vermutlich als Kommentierungsgrundlage – 7.3 Notizen zum Dresdner Theaterspielplan.
- 21D-B, Mus. Nachl. Schnoor, in Ordner 24 und 26.
- 22Zu den fragmentarischen Vorarbeiten gehören in D-B, Mus. Nachl. Schnoor maschinenschriftliche Übertragungen des Jahrgangs 1817 sowie der ersten Hälfte des Jahres 1818 (nach den genannten Vorarbeiten von Mathilde von Weber), ergänzt durch Auszüge aus den Jahren 1820 bis 1826 (in Ordner 36 und 37). Das Material wertete Schnoor in seinen biographischen Arbeiten über Weber aus.
- 23Vgl. Dagmar Beck, Reinhold Franz Zapf. Ein Porträt, in: Weberiana, Heft 4 (1995), S. 3f. Ein Exemplar der mschr. Übertragungen von Franz Zapf befindet sich heute in D-B.
- 24Vgl. Eveline Bartlitz, Dagmar Beck, Joachim Veit, Zur Konzeption der Ausgabe der Briefe, Tagebücher und Dokumente Webers, im Programmbuch zur Tagung der Weber-Gesamtausgabe und der Internationalen Carl-Maria-von-Weber-Gesellschaft e. V. vom 3. bis 5. September 1993.
- 25Die formale Anlage der digitalen Tagebuch-Edition erarbeitete in Abstimmung mit Joachim Veit und Dagmar Beck im wesentlichen Peter Stadler, der auch die Überführung der Textvorlagen in XML-Dateien durch wechselnde Hilfskräfte (Abschluss: 2015 vgl. den Bericht vom 13. Oktober d. J.) begleitete und überwachte sowie bis 2025 die Möglichkeiten der Navigation fortwährend verfeinerte. Vgl. zur frühen Planungsphase auch Joachim Veits Beitrag in den Beiheften zu editio von 2009 (speziell S. 219f. und 226f.) sowie das dort von Dagmar Beck angefügte Fallbeispiel zum Tagebuch.
- 26Vgl. den Bericht von Joachim Veit vom 19. Mai d. J.
- 27Um einen möglichst frühzeitigen Zugang zu den Texten zu ermöglichen, veröffentlicht die Weber-Gesamtausgabe auch vorläufige Arbeitsergebnisse. Der Vermerk „bearbeitet“ weist auf den Abschluss der Edition hin, während der Hinweis „Kommentar in Bearbeitung“ darauf hindeutet, dass noch Nacharbeiten zu erwarten sind bzw. Darstellungsprobleme der Textpräsentation bestehen (aufgrund des responsiven Designs der Website, das die Anzeige an die verschiedenen Bildschirmgrößen der Nutzenden anpasst, können falsche Zeilen-Zuordnungen bei Tabellen mit Währungsangaben entstehen; in diesem Fall empfiehlt sich der vergleichende Blick auf die Faksimile-Ansicht).