Carl Maria von Weber an Heinrich Graf Vitzthum von Eckstädt in Dresden
Dresden, Donnerstag, 23. Januar 1817

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Hochgeborner Herr Graf!

Hochzuverehrender Herr Hof-Marschall.

Ich halte es meiner Pflicht gemäß, Ew. Hochgeboren nochmals schriftlich vorzutragen, was ich bereits mündlich die Ehre hatte, Hochdenenselben auszusprechen*.

Ich hoffe ganz im Geiste der anerkannten Huld, Güte, Gerechtigkeits- und Kunstliebe unsers allergnädigsten Monarchen zu fühlen, wenn ich zu glauben mich unterstehe, daß bei einer neu zu gründenden vaterländischen Kunstanstalt, es hauptsächlich darauf ankomme, ihr die Achtung der öffentlichen Meinung zu sichern, indem durch das ehrende Beispiel von Oben schon jeder Versuch auf den ehrenvollen | Ansichtspunkt gehoben wird, der allein ein Streben u. kräftiges Vorwärtsschreiten möglich macht.

Die öffentliche Meinung hat darin nur den Maaßstab der Vergleichung. Sie mißt nach dem, was für andere Kunstanstalten geschehen, den Werth der neuen. Daß dieses unmittelbar dann auch auf die dabei Beschäftigten einwirkt, ist klar.

Aus dieser einfachen Ansicht geht hervor, daß die Art und Weise, in der der Repräsentant des Ganzen, der jeweilige Leiter der Oper, im Verhältniß zu seinen Kunst-Collegen steht, auch die Ehrenstufe bestimmt, die Er durch die Anstalt, und die Anstalt durch ihn erhält.

Von dieser Ansicht von jeher erfüllt, ging meine Hoffnung dahin, als K. Kapellmeister die Leitung der deutschen Oper zu übernehmen. Nur in dieser Form konnte ich es annehmbar, ja nothwendig finden, in der vorläufigen Anstellung auf Ein Jahr zu suchen: sich der Allerhöchsten Gnade theilhaftig zu machen, um dann würdig befunden zu werden, auch ferner mein Streben dem Königl. Dienste weihen zu dürfen.

Hieraus entspringt von selbst collegialische Aushülfe in nothwendigen Fällen bei jeder Art des Allerhöchsten Musikalischen oder Theatralischen Dienstes. Ohne dieses tritt bloß ein subordinirtes Substituiren ein, welches dem Beispiele aller Hof-Kapellen zuwider ist, und, nach den Begriffen von Künstler-Ehre, die in der Welt festgestellt, jedem Künstler heilig sein müssen, mir durchaus unannehmbar sein muß. Ja ich würde mich der Ehre unwürdig halten, ein Königl. Diener zu sein, wenn ich anders denken, fühlen und handeln könnte, als mir nicht nur die deutsche Kunst, sondern die Kunstehre aller Zeiten und Orte gebietet.

Es geht also meine Bitte an Ew. Hochgeboren dahin, die Hoffnung zu erfüllen, die ich, vermöge früherer Unterhandlung, zu hegen berechtigt zu sein glaube; — um so mehr als alle Künstler, die auf ähnliche Art, auf 1 Jahr in K. Dienst zu treten das Glück hatten, z. B. H. Kapellmeister Morlacchi, pp. Concertmeister Polledro pp. doch sogleich mit den Titeln u. Vorrechten begabt wurden, die ihnen später blieben. | — Aber auch im schmerzlichen Falle der Nichterfüllung würde ich mir es zur Pflicht machen, so lange, bis Ew. Hochgeboren einen Würdigeren gefunden hätten, die Leitung der deutschen Oper auf einige Monate freiwillig fortzusetzen. Denn, wenn mir auch die Form im Leben, um des Lebens willen, etwas heiliges ist, so will ich doch nicht auf irgend eine Weise glauben lassen, daß das Gedeihen eines Kunstzweiges, so weit dessen Pflege sich mit meiner Künstler-Ehre vereinbart, mir weniger heilig sei,

der ich mit vollkommenster Hochachtung zu sein die Ehre habe, des hochverehrten Herrn Grafen
und hochverehrten Herrn Hofmarschalls
ganz ergebenster Diener
Carl Maria von Weber.

Apparat

Zusammenfassung

betr. Webers Anstellung in Dresden; gibt seiner Hoffnung Ausdruck, gemäß den früheren Verhandlungen die Leitung der deutschen Oper als Königl. Kapellmeister antreten zu dürfen; führt zur Begründung an, dass der Rang einer Kunstanstalt wesentlich vom Rang ihres Leiters abhängig sei; andernfalls werde er sein Amt nur so lange ausfüllen, bis ein Nachfolger gefunden sei

Incipit

Ich halte es meiner Pflicht gemäß

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Frank Ziegler

Überlieferung in 2 Textzeugen

  • 1. Textzeuge: Kopie: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Weberiana Cl. II B, 4. Nachtrag, Nr. 61, S. 992–994

    Quellenbeschreibung

    • Kopie von F. W. Jähns
  • 2. Textzeuge: Entwurf: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ms. autogr. theor. C. M. v. Weber WFN 6 (VII), Bl. 50/r u. v

Textkonstitution

  • „mich“über der Zeile hinzugefügt
  • „machen“über der Zeile hinzugefügt

Einzelstellenerläuterung

  • „… die Ehre hatte, Hochdenenselben auszusprechen“Vgl. die Tagebuchnotizen vom 22. Januar 1817.

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