Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Freitag, 17. Januar – Montag, 20. Januar 1817 (Nr. 19)

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Mein theures vielgeliebtes Leben.

Der Erste freie Augenblik gehört dir, und dadurch meiner Erholung und Freude. das Ende meines Briefes No: 18 den ich heute früh um 11 Uhr abschikte mag dich wohl etwas beunruhigt haben, ich muß mir daher wenigstens den Trost gönnen, dir auch sogleich zu schreiben daß alles wieder beigelegt ist, und meine gezeigte Entschloßenheit ihre gute Wirkung nicht verfehlt hat. Sie sehen daß sie es mit einem Manne zu thun haben, mit dem man nicht spielen und spaßen kann, sondern der fest und untadelhaft handelt, und nicht und nirgends um seine Existenz verlegen zu sein braucht. Um 12 Uhr kam der Graf Vizthum zu mir, und wir erklärten uns gehörig, und er versicherte mich Er nähme es als ein Versehen im Kabinett, und werde mich als KapellMeister pp vorstellen, er blieb bis nach 1 Uhr bey mir sizzen, und ich aß dann ruhig zu Mittag im Engel, besuchte dann Bassi, und gieng um ½ 4 Uhr wieder nach Hause. um 4 Uhr fuhr der Graf vor, und brachte mich in das VersamlungsZimmer, wo sämtliche Kapelle deutsch und ital: Personale beysamen waren. Er stellte mich also als KapellMster, Direktor der deutschen Oper, und Dirigent der KirchenMusik und ital: Oper auf, und sagte unter anderm, die sämtlichen Herren würden erkennen daß S: Majestät alles aufsucheten ihnen Freude und Ehre zu machen in dem er einen so – – – pp Mann an ihre Spizze stelle pp darauf nahm ich das Wort, bat um ihr Zutrauen pp und dann strömte alles auf mich ein mit Büklingen, Komplimenten und Empfehlungen.

Somit ist denn der erste Schritt gethan. der Graf versicherte mich nochmals heilig binnen wenig Monaten werde meine Anstellung auf LebensZeit resolvirt sein, und also lege ich alles in Gottes Hände. –

ich gieng nach Hause, bekam Visiten, zog mich um, ordnete ein bischen an meinen Sachen, und nun sezze ich mich her und plaudere mit Muks.

Joseph wird meine erste Oper sein. und Morgen schon die erste Probe. Ein H: Wilhelm aus Cassel giebt den Simeon als Gast, oder vielmehr zur Probe. Gestern war ein neues Stük von einem hiesigen, Georgio. es heißt consequent, und ist total ausgepocht worden*. Gestern früh besuchte ich mehrere Dichter, und Gesandte*, und hoffe doch einen recht angenehmen Kreis von geistreichen Menschen zusammen zu finden. Meine Wohnung ist allerliebstT, es wäre schön wenn mir Muks eine Visite machen könnte, aber – das wird nicht gehen. – Nun zu Beantwortung deiner lieben lieben Briefe, die mir in alle dem Strudel eine herrliche Erquikung sind, denn ihr heiterer Ton ist mir so wohlthuend, daß ich dich manchmal freßen könnte vor Liebe, und dann eine recht herzliche Sehnsucht nach dir kriege, die dann doch auch endlich gestillt werden wird. O heilger Michael!! also zuerst No: 18. – deine Briefe habe ich alle sehr richtig erhalten, und sie trafen mich noch richtig in Berlin.      Was ist denn das dummes mit dem Mantel, ich habe Kystings um die Besorgung gebeten, und erst 2 Tage vor meiner Abreise die bestimmte Antwort erhalten daß sie ihn nicht verkaufen wolle, und schon ihrer Schwester geschrieben haben ihn zurük zu schikken. das ganze ist wieder einmal eine Mankelei von Mama, die gewiß darum gebeten hatte, und wer weiß was alles versprach. schreibe es zu dem übrigen, aber schimpf nicht auf mich, sonst kriegst du wahrlich Haue ) ) ).      Nun ich bin nur froh daß der dume No: 13 endlich angekomen war. Ich habe herzlich gelacht über die wohlgelungene Figur die du von mir gezeichnet hast. soll ich ihn unter Glas und Ramen aufhängen?      bey Schmidls haben wir auch | tüchtig gelacht wie ich die HofKleider vom Juden, anprobirte, und wie ein gepuzter Hund aussah*. schadet aber niz, geht doch.      Die Mädels riefen ein über das andere mal, auch ach, wenn doch Mll: Brandt da wäre die würde mit lachen. du hast hier schöne Spektakel verführt wie ich höre, du toller Hanswurst. a prospos Hanswurst pp so hätte ich wohl von der Pastete mit eßen mögen. Nun, du sollst schon welche kochen, warte nur.      Ich eße vor der Hand im Engel, gebe für s Eßen 10 gr: 4 gr. für Wein, und 2 gr. Kaffene, und das ist täglich 1 ƒ. conv: Geld. Heute hab ich auch einen recht hübschen Bedienten angenommen. Monatlich 8 rh: auch Holz fahren laßen für 16 rh: ja ich brauche viel Geld. Ist recht gut daß ich in Berlin noch was verdient habe, und nicht gleich nach Geld hungrig thun darf. meine lezten Briefe waren alle so kurz und 1000 mal unterbrochen geschrieben, daß ich gar nicht weiß, ob ich dir gesagt habe, daß ich Schleßinger mehreres versprochen* habe, wofür er mir 50 Fried: dor gab. Die müßen jezt dran.

Aber lieber Schneefuß, nimm mir nicht übel, du bist doch ein entsezlicher Oz.      Wie ich den 27t Dec: Morgens sagte, ja wenn du wüstest was ich weiß pp da wuste ich noch nicht, daß Schmidels vorlaut dir schon alles geschrieben hätten, konte also wohl sagen, wenn du schon wüstest pp, verstanden dummer Kerl? sucht da noch Wunder was extraß, will alle Tage die entsezlichst glüklichen Ereigniße haben, der ungenügsame Muken Schneefuß Seehund!!!! – –

O du Schmeichelkaz und Spizbube. Teppich will er haben? Nun – – – ich habe wirklich dieselben noch einmal besehen, und – – – – mir aufgeschrieben was sie kosten, mehr geht vor der Hand nicht an.

Nun No: 19. Incognito, bravo, Halsweh, nitz, Iphigenien Probe*, das glaub ich; bei der Kinder Prüfung hätte ich Theil nehmen mögen um die Freude, und das wahre Vergnügen aller zu sehen. ist das nicht mehr werth als ein Ball oder herausrufen? gelte lieber Muks.      – Nun nun sei nur nicht zu böse, ich bin doch brav, wenn ich auch einige Leute habe Bußen müßen, wer wird denn da so einen Lärm machen, und du besonders, besaufst dich alle Tage daß du Mitten in der Nacht nach Hause gebracht werden must. – Weist du was, wir wollens gegen einander aufheben.      Ach liebe Lina welch ein Unterschied gegen sonst, da hätten wir schön gejammert und von Mangel an Liebe gestöhnt wenn sich eines unterstanden hätte ohne das andre ordentlich lustig zu sein.      Aber jezt in jeder frohen Stunde bin ich recht eigentlich bei dir, weil ich mir denke wie du dich freuen würdest mich so zu sehen, und wie froh bin ich wenn ich das auch von dir weiß. – Den blauen Rott habe ich nur einmal angehabt, solche Mittel brauche ich nicht – – . An Grünbaums schreibe ich Morgen. So! zu Herrn Küstner nach Leipzig will sie laufen? geht nicht, hat schon einen Dienst der Muks. muß den andern Muks bußen, kochen und pflegen. – – Siehst du, du Vielfraß, hast dir Magerl verdorben, und der gute Jungh muß wieder gut machen, sei froh daß ich nicht da war, das hätte eine gute StrafPredigt gesezt. das wäre […] freilich schön, wenn mich mein gnädigster König nach Prag schikte. das wird er aber hübsch bleiben laßen, denn er braucht mich hier zu nothwendig. Es giebt viel, sehr viel zu thun. ich komme schon in meinem Leben nicht aus dem Arbeits Strudel heraus. Geduld! Geduld!!!!

Nun No: 20. Ja ja, Willkommen in Dresden. Wo es aber gar nicht so still abgehen wird als ich dachte, die Gesandten pp wollen mich alle haben, und sind meistens alte Bekannte von mir, der Bayersche, Preußische pp, das kizzelt denn nun Schmidl sehr, der sich wirklich unendlich thätig, und wahrhaft als Freund benimmt, auch mehr Einsehen und brave Ansichten hat, als | ich Anfangs glaubte. Er ist mir eine sehr gute Stüzze, durch ihn erfahre ich alles, lerne alle Verhältniße kennen, und er bringt auch wieder bis Oben hinauf, alles was für mich gut ist. Die Italiener ziehen entsezliche Gesichter, es hilft aber nichts, denn Unsereins tritt gewiß honett auf, und mit einer gewißen Unabhängigkeit.

Die herrliche Iphigenie!* – ja ja, sie mögen nur an mich denken. In der Jesuiten Gaße hänge ich also? nun gut. aber du must sagen, brav ist er wohl, wenn er nur ein bischen hübscher wäre. – gestochen gehts noch an*.       Dein Undinen Rezept ist gut. Hoffmann wird auch Zeichnungen dazu schikken, und ich dir dann auch mehr darüber schreiben.

Deine Geld Geschichten wollen mir nicht recht gefallen. deine Abrechnung kann ja nur bis zum 1t Xb 1816 gehn, Wer steht dir denn für das übrige? und was soll das heißen?, der Liebich Herrlichkeit dauert nur noch 2 Monate*Sieh dich ja vor, und frage vernünftige Leute um Rath. die Leinwand ist gut, wenn es nicht anderst ist, so mache dich bezahlt wie du kannst, aber Geld ist noch beßer.

Ich freue mich auf das Verzeichniß deines Fleißes, du braver lieber Muks, meine gute angehende liebe HausMutter. Ist dir denn nicht recht wohl in dem Gedanken an die Ruhe?

Es ist freilich höchst traurig mit der Mutter*, aber es ist durchaus nicht anderst möglich, und must du ihr allenfalls durch Jungh die Sache bald beizubringen suchen. Sie komt ja dann wieder in ihr Theater Element, und zu ihrem Louis.

     Nun adjeu, ich muß noch ein bischen zu Schmidl und habe ganz lahme Finger. Millionen Bußen meinem theuren geliebten Leben, von ihrem treuen heißliebenden Carl.

Mein geliebtes Leben, es war wohl recht gut daß ich dir VorVorgestern schreiben konnte, denn ich bin so Tag und Nacht überhäufft daß ich gar zu nichts komme, sogar in meinem Zimmer liegt noch alles durcheinander wie Kraut und Rüben, und ich habe noch nicht ganz ausgepakt.      Geschwind also referiren und dann auf die Post. d: 18t Bedienten angenommen. um ½ 10 Uhr Lese Probe und Musik von Joseph bis nach 1 Uhr. Mittag im Engel. um 4 Uhr Conferenz bey Graf Vizthum, einen dreiektigen Hut gekauft. Abends sehr große Gesellschaft und Ball bey dem Englischen Gesandten bis 2 Uhr. sehr schön und sehr ehrenvoll von allen Seiten aufgenommen. d: 19t Sonntag. um 10 Uhr in große Galla, zum Handkuß bey S: Majestät dem Könige, Königin und Prinzeßin. der König sagte, ich freue mich Sie bei mir zu haben, die Königin sprach viel von dir und nannte dich einen Engel.!!!!! /: aus der Holzkammer? :/ Mi dann in die Kirche, Anordnungen. Mittag bey Preußischem Gesandten. Abends Theater Rosamunde*. dann in Bett mit Kopfweh. Heute um 9 Uhr Orchester Probe von Egmont, und um 10 Uhr bis ½ 2 Uhr von Joseph mit Chor. hierauf einigen Verdruß*, und jezt geschwind an Muks schreiben Füß anziehen, und um 4 Uhr beim Oestreichischen Gesandten eßen. Meine Aufnahme ist überall brillant, nur mein DienstVerhältniß sehr unangenehm, da ich nicht das bin was ich wollte, und diese Zurüksezzung mich immer mehr wurmt. Meine einzige Freude, ein Brief von dir mein geliebtes Leben, meine gute Lina, habe ich heute auch vergebens erwartet. Die Arbeit ist ungeheuer, da ich überall nicht nur nichts gethan, sondern auch Kabalen und Hinderniße aller Art finde. Nun Gott wird wohl helfen. Nun muß ich schließen, und möchte doch gar zu gerne noch mein Herz | gegen dich mein einzig geliebter Muks ausschütten, aber es geht nicht. Es kommt so viel zusammen, die Nothwendigkeit mich in Ansehen zu sezen macht daß ich mich vor der Hand überall zeigen muß, ja sogar froh sein darf es auf eine Weise zu können die den anderen H: unmöglich ist. dann die häusliche Confusion, und die überhäuften Geschäfte. – – –

Gott behüte dich gesund und wohl, sei heiter und froh, und schreibe mir oft und viel, mein Geist umschwebt dich stets innig liebend. Grüße Junghs und Grünbaums. ich hätte so gerne geschrieben aber es ist platterdings unmöglich. ich küße dich Millionenmale, Ewig dein dich über alles liebender treuer Carl.

Apparat

Zusammenfassung

sei von Vitzthum dem gesamten Personal der deutschen u. ital. Oper als Kapellmeister, Direktor der deutschen Oper, Dirigent der Kirchenmusik u. ital. Oper vorgestellt worden; Antwort auf Caroline Brandts Briefe No. 18–20; über sein Leben in Dresden; habe Schlesinger mehrere Kompositionen zugesagt, wofür er 50 Frdr. erhalten habe; Privates; betr. Porträtstich Webers; betr. Gage Carolines; Tagebuch 18.-20. Januar: gesellschaftl. u. dienstl. Verpflichtungen; sei überall äußerst zuvorkommend aufgenommen worden, was ihn aber die Unsicherheit über seine Stellung nicht vergessen machen könne; Orchesterprobe von Egmont und Joseph, Herumreichung in der High Society, Gala im Königshaus

Incipit

Der Erste freie Augenblik gehört Dir, und dadurch

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 74

    Quellenbeschreibung

    • 2 Bl. (4 b. S. o. Adr.)
    • Auf dem ersten Blatt sind am jeweils äußeren Rand einige Buchstaben stark verblasst.
    • Auf Bl. 2r hat Jähns nach dem Wort „Unabhängigkeit.“ vermerkt: „gehörig zu No 19. von 17. Jan. 1817“; ebenso am Ende des Briefes „(gehörig zu No 19 aus Dresden vom 17. Jan. 1817.)“
    • Rötelmarkierungen von Max Maria von Weber

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Muks, S. 324–330 (Nr. 60; ohne NS vom 20. Januar)
    • / tV: AMZ, Neue Folge, Jg. 3, Nr. 33 (16. Aug. 1865), Sp. 546 (Nachdruck aus MMW)

Textkonstitution

  • „denn“unsichere Lesung
  • „… eine herrliche Erquikung sind, denn“Wort am Rande durch Restaurierung (Papierergänzung) verblasst.
  • „auch“durchgestrichen
  • Hansgelöschter Text nicht lesbar
  • „[…]“gelöschter Text nicht lesbar
  • „Vor“über der Zeile hinzugefügt
  • „Mi“durchgestrichen

Einzelstellenerläuterung

  • „… und ist total ausgepocht worden“Vgl. dazu auch die Dresdner Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 21 (24. Januar 1817).
  • „… mehrere Dichter , und Gesandte“Zum Personenkreis vgl. die unvollständigen Angaben im Tagebuch.
  • „… wie ein gepuzter Hund aussah“Weber lieh sich für die Vorstellung beim König am 19. Januar 1817 (vgl. Tagebuch) die nötige Hofkleidung; vgl. den Brief vom 14. Januar 1817.
  • „… daß ich Schleßinger mehreres versprochen“Vgl. die Tagebuchnotizen vom 10. Januar 1817.
  • „… , Halsweh, nitz, Iphigenien Probe“Zur Premiere am 12. Januar vgl. weiter unten.
  • „… Die herrliche Iphigenie !“Die Iphigenie auf Tauris war laut Tagebuch der deutschen Bühnen am 12. Januar 1817 im Prager Ständetheater gegeben worden. Die Oper gehörte zu den von Weber in seinem Notizenbuch zur Aufführung empfohlenen Werken. Zur Prager Aufführung vgl. u. a. den Bericht im Sammler, Jg. 9, Nr. 13 (30. Januar 1817), S. 52.
  • „… – gestochen gehts noch an“Caroline Brandt hatte offenbar berichtet, dass im Schaufenster in der Prager Jesuitengasse – vermutlich jenem der Musikalienhandlung Haas im gelben Hause Nr. 186 – Webers neues Porträt, 1816 gestochen von Friedrich Jügel, aushing.
  • „… dauert nur noch 2 Monate“Nach dem Tod des Theaterdirektors Liebich wurde am 24. März 1817 dessen Frau offiziell die Direktion übertragen; vgl. die Abend-Zeitung vom 15. April 1817. Bis dahin führte sie die Geschäfte interimistisch, unterstützt durch den Regisseur F. R. Bayer, vgl. Der Sammler, Jg. 9, Nr. 13 (30. Januar 1817), S. 52.
  • „… höchst traurig mit der Mutter“Christiane Brandt sollte nach der Eheschließung ihrer Tochter Caroline, die sie bislang versorgt hatte, bei ihrem Sohn Louis untergebracht werden.
  • „… Gesandten . Abends Theater Rosamunde“Vgl. Abend-Zeitung Nr. 22 (25. Januar 1817) u. 23 (27. Januar 1817).
  • „… Chor . hierauf einigen Verdruß“Wieder das Anstellungsverhältnis betreffend; vgl. dazu die Tagebuchnotizen.

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