Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Montag, 25. August 1817 (Nr. 83)

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Meine vielgeliebte Mukkin!

Sobald wieder ein 25ter erscheint, steht auch der Wagen vor der Thür, und ich treibe bald ungeduldig die Postillions an, statt daß ich jezt ganz geduldig sizzen und den Gänsekiel treiben muß. 1000 Dank für deinen lieben freundlichen Brief No: 84, den ich Gestern erhielt, und der mir wenigstens dein Streben beweißt deine Heiterkeit zu erhalten. daß die arme Mutter viel weint glaube ich wohl, und ich werde mich überhaupt auf eine gute Anzahl Thränen gefaßt machen müßen, die wahrscheinlich die ersten Wochen unseres Ehestandes begleiten werden, und die sogenannten FlitterWochen trüben. Nun in Gottes Namen mit gutem Muth und Hoffnung auf Ruhe und Freude wird ja endlich auch uns dauernder Sonnenschein erfreuen, und die Mutter wird sich gewiß bei ihrem lieben Louis, dem kleinen Enkel, und dem Bewußtsein ihm wahrhaft nüzzen zu können beim Theater, auch zufrieden fühlen. Siboni ist hier weggegangen wie ein Dieb in der Nacht, ohne von Jemand Abschied zu nehmen, weil er schnell eine gute Gelegenheit fand, und auch außerdem schikke ich dir keinen solchen gefährlichen Herrn.      Was die Damen Besuche betrifft, mußt du dich schon an sie gewöhnen, denn das gehört mit zu den Vorrechten des Künstlers, — die Fr. v: Hünerb: hat 2 erwachsene Töchter* bei sich, ist aber noch immer eine sehr schöne Frau, kannst aber ganz ruhig sein, denn ich bin der Vortrefflichste aller Vortrefflichen und habe nur Gedanken für meine Taube in Prag. – /: Ah, das war zärtlich – gelte? :/

Alles außer der verkauften Kleider. hast du noch einen Plan? welcher ist denn das? laß ihn doch hören, oder giebst du ihn erst von dir wenn er schon geglükt ist?      Ich habe allerdings nur 1 Koffer und das Kästchen im Wagen, daher nimm nichts mit als was höchst nöthig ist, weil meine Musikalien den halben Koffer füllen, und wir doch auch manches von der Mutter einzupakken haben werden. Was du jezt nicht entbehren kannst, kann ja in einem Verschlag bei unserer Abreise von Prag hieher geschikt werden.      ich freue mich sehr darauf Freund Bomsel hier zu sehen.      Gestern war ich in dem neuen Quartier, fand es aber verschloßen. die Leute sind wohl herausgezogen, haben aber noch Sachen drinnen stehn. Was möglich ist will ich in Stand sezzen, aber mir graut wenn ich bedenke was noch alles in die eigentliche Wirthschaft nöthig ist, Porzellan, Küchengeschirr und Geräthe aller ArtT. Habe auch schon Komißion wegen einer Köchin gegeben. Was ich zu Stande bringen kann, soll geschehen, aber du wirst noch genug zu thun vorfinden. daß wir hier bleiben, weißt du jezt schon, und ich denke Gott wird es wohl zum Besten gelenkt haben, und bin ganz zufrieden. Freylich fehlt auch noch die Bestätigung auf Lebenslang vom König, aber das entscheidet sich noch vor meiner Abreise*. ein harter Schlag ist es daß man als Taxe die ersten 3 Monate Gehalt verliehrt, also 375 rh: Nun, vielleicht geht es damit auch anderst. Schrank und Korb werde ich gleich ins neue Quartier transportieren laßen.      Die armen Gallinas. es ist ein Glük daß der Dr. wieder hergestellt ist. du hast also noch immer den Ausschlag? ey ey, das dauert mir doch zu lang, hüte dich nur vor Erkältung daß kein langwieriger Husten draus wird.

ich weis es leider wohl daß mein Sujet schon als Schauspiel bearbeitet ist, da ist aber weiter nichts zu machen*. Es thut auch nicht viel, es | ist ein junger unbekannter Mann, und daß ich die Oper schreibe, weis ziemlich schon die ganze Welt, und wie’s ihm in Prag gieng, gieng’s ihm schon hier und in Berlin, in Wien wirds eben so sein, und die übrigen Theater sind nicht von Bedeutung. doch muß ich eilen die Oper bald zu vollenden, damit es auch Geld und Ehre bringt, und nicht auf die lange Bank komt.      Warum ich Schwefel bäder nehmen muß? das ist eine kuriose Frage, weils der Dr. so befohlen hat, dann nehme ich Malz Bäder, und kome als Bayrsches Bier zu dir.

Das Spadifankerl hast Du also sezirt? nun gut, mache nur ein andres, und ich habe ja auch künftig ein lebendiges, das kann gewiß gut Nein sagen. — — — Hab recht gelacht über manche Stelle deines Briefes; ja ja freß du nur in Wuth alle gebratenen Hünerbeine, so wirst du hübsch fett, sonst — — Was den Gros de naples betrifft, so ist er mir immer noch nicht schön genug, und nicht so schön als dein geschiktes erstes Muster, finde ich ihn also nicht ganz gut, so kaufe ich ihn in Prag, das ist ja einerley. der Kurs hat einen Purzelbaum gemacht? wie steht er denn? d: 22t Abends war Dichter KreisT, recht sehr angenehm*. vorher kaufte ich 6 silb: Kaffeelöffelchen, die wir wirklich sehr nöthig haben, jezt haben wir also 14 Stük. das ist freilich noch nicht genug, aber es geht nicht alles auf einmal. Gestern d: 23t hatte ich 2 Proben, Mittag im Engel dann Toilette gemacht, um 6 Uhr zu Böttger und mehreren Fremden meine Oper vorgelesen, von da zum großen Souper bei Graf Vizthum OberststallMster. bis 12 Uhr, wo das neuerfundene Terpodion, eine Art Harmonika gehört wurde. Gestern war eine neue Meße von Morlachi*. Nachmitt[a]gs arbeitete ich, und muste mich dann auf dem Terpodion einstudiren, was heute Mittag S: Majestät in Pillnitz hören will, und ich spielen mußT, da[s] heißt also rasirt, Füß angezogen pp, denn um 11 Uhr holt mich der Graf Vizth:* selber ab, ich eße bei Schmidl, und fahre Abends wieder herein.

also nun ade mein lieber nicht mehr melancholischer Hanswurst, sollte wider Vermuthen sein Edelmuth mir heute noch einen Brief bringen so will ich wenigstens den Empfang anzeigen. Die vorige Woche mit der lebhaften Correspondenz hat mich so verwöhnt, daß ich meyne es müste alle Tage was kommen. ade ade ade Gott segne Dich + + + erhalte dich gesund und froh, sei brav und behalte lieb, deinen dich innigst liebenden Carl.

Grüße an Alle, und Dir einige Bußen. –
Es ist nichts gekommen und ich muß fort. Das couvert macht schon zum 2t mal die Reise zu dir.

Apparat

Zusammenfassung

zur bevorstehenden Reise; fragt nach Carolines eigenem Plan; über ihr neues Quartier; die Bestätigung der lebenslangen Anstellung in Dresden fehlt noch; über seine Oper, die schon als Schauspiel existiere; Wohnungseinrichtung betr.; Dichtertee; Probe und Spiel auf dem Terpodion

Incipit

Sobald wieder ein 25ter erscheint, steht auch

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 119

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)
    • Rötel- und Bleistiftmarkierungen von Max Maria von Weber

Textkonstitution

  • „Gestern“überschrieben

Einzelstellenerläuterung

  • „… Hünerb: hat 2 erwachsene Töchter“Bertha Wilhelmine Friederike Johanne von Hünerbein (1799–1859) und Ulrike Eleonore von Hünerbein (1804–1832).
  • „… sich noch vor meiner Abreise“Laut Tagebuch erhielt Weber das Dekret über seine lebenslange Anstellung am 15. September 1817.
  • „… aber weiter nichts zu machen“Es existierten bis zu diesem Zeitpunkt zwei Schauspiel-Fassungen: Der Freyschütze, romantisch-komische Volkssage mit Gesang von Ferdinand Rosenau und Der Freyschütze, Schauspiel mit Gesang in drey Aufzügen von Joseph Alois Gleich mit Musik von Franz de Paula Roser. Zu Details vgl. Joachim Reiber, Bewahrung und Bewährung. Das Libretto zu Carl Maria von Webers „Freischütz“ im literarischen Horizont seiner Zeit, München 1990, S. 135–181.
  • „… Kreis , recht sehr angenehm“Laut Tagebuch beim Ehepaar Kuhn.
  • „… eine neue Meße von Morlachi“Vgl. den Bericht in der AmZ vom 17. September 1817.
  • „… holt mich der Graf Vizth:“Hier ist nicht der oben erwähnte Oberstallmeister, sondern der Hofmarschall Vitzthum gemeint; vgl. das Pillnitzer Hoftagebuch (Sächs. Hauptstaatsarchiv, 10006 Oberhofmarschallamt, O 05, Nr. 050, Bl. 29r/v).

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