Caroline von Weber an Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin
Dresden, Dienstag, 21. Februar 1837

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Gewiss, meine Lieben, werdet Ihr nun wohl schon durch Euren Freund erfahren haben dass ich Euren Brief kein so freundlich Gesicht gemacht habe, als es sonst wohl immer der Fall ist, aber auch uns hatte grade die böse Gripp mit ihren Polipenarmen umfangen und hielt uns tüchtig fest. Ich kann daher, mein guter Jähns Ihre Klagelieder nur mit Variationen beantworten, denn kaum habe ich die hässliche Madame abgeschüttelt so hat sie nun um so zudringlicher die beiden Knaben heimgesucht. Max besonders leidet an einen sehr heftigen Husten, und Sie wissen, dass bey ihm mich das doppelt ängstigt. — Nun Gott wird auch wieder helfen, man muss den Muth nicht verlieren. Dass auch Sie, lieber Freund, bey Ihren Geschäft, an dem garstigen Uebel leiden ist gewiss recht recht verdriesslich, aber um alles in der Welt schaffen Sie ja die Hypochondrischen Grillen fort, die machen die Sache nur schlimmer. Ich weiss es lange, dass mein guter Sohn Jähns ein bischen an der Einbildung krank liegt, dass er das Rosenfarb[n]e Schwarz sieht, dass er sich auch sehr oft denkt die Leute hätten etwas gegen Ihn, wenn auch kein Gedanke davon wahr ist, aber ich habe mir vorgenommen gegen diese Krankheit, als strenger Arzt zu Felde zu ziehen und tüchtig mit ihm zu zanken. Auch habe ich gefunden dass Sie wohl all das Glück erkennen, was Gott in reichen Masse über Sie ausgeschüttet hat, aber es ist Ihnen noch immer nicht recht wohl dabey. — Sie geniessen alles noch mit einer Art von Angst. — Ach lieber Sohn, ich bitte Sie Bliken Sie mit heitern Lebensmuth um sich, und gewiss, Ihr Herz muss sich mit dankbarer Freude erfüllen. Welche Schätze hat das Leben Ihnen noch aufgespart, und welche hat es Ihnen schon gegeben? Denken Sie nur einmal wie viel Sie schon durch eigne Kraft errungen haben, und wie viel Fähigkeit Sie in sich haben noch mehr zu erreichen? Komt so eine Zeit des Trübsins und Kleinmuths, ach dann gewinnen Sie es nur über sich, sich so viel wie möglich herraus zu reissen, und gestatten Sie Ihrer Seele die Bequemlichkeit des sich gehen lassens nicht, Sie glauben nicht wie leicht man solche geistes Faulheit anfangs überwindet, und wie unendlich schwer es in späteren Jahren wird. Jetzt reicht noch meiner guten Ida Heiterkeit hin den bösen Dämon zu bannen aber später, glauben Sie mir, verliehrt dieser Zauber doch etwas von seiner Kraft, und dann sind Sie unglüklich, und machen unglüklich. Doch halt, so ernsthaft sollte die Schelte eigendlich nicht ausfallen, aber Ihr habt mir nun einmal erlaubt Eure Mutter zu sein, so muss ich auch das Recht haben den grossen Sohn die Wahrheit derb zu sagen. Ja, und ich bin eigendlich noch gar nicht fertig, denn das Kapitel wegen dem Misstrauen habe ich noch nicht einmal abgehandelt. Ach Sie arme Seele! Warum glauben Sie nur nicht dass man Sie lieb hat? Sie lieben ja auch die Menschen, und was vom Herzen kommt geht ja wieder zum Herzen. Unter einer Bedingung will ich nun aufhören zu schmälen, wenn Sie mir nehmlich versprechen mit Ihrer Zweifelsucht bey mir eine Ausnahme zu machen, und fest überzeugt zu sein, dass ich, mit immer gleicher Liebe Eurer gedenke selbst wenn ich böse auf Euch bin. Na, nun die die Hand her! so! hübsch gut und freundlich! Nicht gebrumt, nicht gekrittelt, der Ida das Leben nicht sauer gemacht, immer mit fröhlichen Muth der Hypochonderie etwas gehustet, und nebenbey alle Morgen nüchtern ein frisches Eydotter in ein Glass Wasser mit Zuker gequirlt, getrunken, dabey freundlich der Mutter gedacht, und Alles wird gut gehen. Punktum!!!

Nun soll eigendlich der Brief anfangen.

Gott Lob! dass Frau Ida so gesund ist, und dass die dumme Gripp dem kleinen Burschen nichts geschadet hat. Ich will Euch aber einmal was sagen: spitzt Euch ja nicht zu sehr auf einen Jungen, denn wenn Frau Ida so wohl ist, dann glaub ich komt ein Mädchen. Die Jungen zeigen ihre Natur schon recht früh und sind schon unartig wenn man sie noch nicht schlagen kann, drum wollen wir doch ja nicht lauter jungen Mützchen machen denn meine Prophezeihung wird wohl eintreffen. Für das mitgeschikte Buch danke ich recht schön. Es ist etwas ganz eigenthümliches, aber wie Sie sagen, manches höchst gelungene darin. Ich darf das Buch doch wohl noch ein Weilchen behalten nicht wahr? Dass Herr Krantz so freundlich sein will die Noten wieder zu nehmen* ist mir sehr angenehm, und ich bitte Sie, guter Jähns, sie ihm neben meinen besten Dank zurük zu geben. Ich hoffe das kleine Geschäft welches wir jetzt miteinander zu machen gedenken* soll nur der Anfang zu einen grösseren sein, denn Meyerbeer arbeitet nun ernstlich an den Pintos. Lieb wäre mir es guter Jähns wenn ich noch vor Ostern mich wegen den Honorar für die Musikstücke einigen könnte, ich will Ihnen meine Gründe sagen. Alle 2 Jahr muss nehmlich W. der Obervormundschaft eine Abrechnung vorlegen, und ist Geld für die Kinder eingegangen so muss er es abliefern. Zu Ostern ist nun gerade der Abrechnungs-Termin, und da noch einige kleine Posten für die Kinder eingegangen sind, wäre mir es lieb wenn man das Honorar damit vereinigen konnte damit es nicht wieder 2 Jahre ganz unbenutzt da läge. Doch soll deshalb Herr Krantz keineswegs mit der Bezahlung gedrängt werden, wenn ich nur einmal weiss was er für die Sachen geben will so zahle ich es an Winkler einstweil aus meinen eigenen Mitteln, und erhalte es wieder wenn es Herrn Krantz bequem ist. Bitte schreiben Sie mir hierüber nur ein paar Zeilen ob es angehen wird oder nicht. Mit Winkler habe ich von der ganzen Sache noch nicht gesprochen. Die Lithographien unseres lieben Häuschens hat mich Herr Brauer gebeten, nebst ein Brief, mit beyzulegen, und Sie haben wohl die Güte alles an Herrn Krantz abzugeben*. Auch einen Theil der gewünschten Häkelbaumwolle lege ich bey. Die andern 3 ℔ schike ich dann mit dem gewebten Zeuch und der Watte. Auch bin ich fleissig für das Es (denn man kann doch eigendlich nicht sagen Er oder Sie) und ich denke es soll sich stattlich ausnehmen in dem langen Rock. Die Musikalien für Herrn Krantz wollen wir zwar abschreiben lassen, aber wenn es ihm Freude macht eine Handschrift Webers zu besitzen, so mag er sich eine davon wählen. Und nun lieben Kinder genug für heute. Gott erhalte Euch beide gesund. Den Vorschlag von wegen dem Accord lasse ich mir gern gefallen und habe mein Recht als Grundton gleich geltend gemacht denn ich habe tüchtig gebrummt, nicht wahr? Lebt wohl meine guten guten Kinder! Ich umarme meine Ida — und den langen Peter auch — Mit gleicher Liebe stets

Eure
C. v. Weber.

Apparat

Zusammenfassung

J. hat die Grippe, auch in ihrer Familie grassiert sie, redet ihm wegen seiner Hypochondrie ins Gewissen und wegen seiner Schwarzseherei; drängt ihn, das Geschäft mit Cranz wegen der Manuskripte bald abzuschließen, da vor Ostern die Obervormundschaft alle 2 Jahre eine Abrechnung von Winkler verlangt über für die Kinder eingegangenes Geld, und sie möchte nicht, dass es abermals 2 Jahre ungenutzt liegt; sie will auch Herrn Cranz nicht drängen, wenn sie nur die Summe weiß, will sie sie auslegen; persönliche Mitteilungen

Incipit

Gewiss, meine Lieben, werdet Ihr nun wohl

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Frank Ziegler, Eveline Bartlitz

Überlieferung

  • Textzeuge: Dresden (D), Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (D-Dl)
    Signatur: Mscr. Dresd. App. 2097, 19

    Quellenbeschreibung

    • masch. Übertragung nach dem verschollenen Original (Nr. 20 des Konvoluts)
    • 6 S.

Textkonstitution

  • „… alle Morgen nüchtern ein frisches“dreifach unterstrichen

Einzelstellenerläuterung

  • „… die Noten wieder zu nehmen“Vgl. dazu den vorhergehenden Brief vom 20. Januar 1837.
  • „… jetzt miteinander zu machen gedenken“Offenbar Verhandlungen über die Publikation ungedruckter Werke Webers (vgl. auch den vorhergehenden Brief vom 20. Januar 1837); der Vertrag kam allerdings, wie der nachfolgende Brief vom März/April 1837 beweist, nicht zustande, worauf Jähns den Verlag Schlesinger in Berlin ins Gespräch brachte, bei dem er tatsächlich 1839/40 einige „Nachgelassene Werke“ Webers publizierte.
  • „… alles an Herrn Krantz abzugeben“Lithographie von Webers Sommerdomizil in Hosterwitz, hergestellt von Fritz T. Brauer (1836); vgl. die Briefe von Ende Dezember 1836 und 20. Januar 1837.

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