Caroline von Weber an Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin
Dresden, erhalten Mittwoch, 18. Juli 1838

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Meine lieben Kinder

Als ich heute vor 8 Tagen von einem Spaziergang nach unsern lieben Loschwitz nach hause kam, berichtete unsere Hausfrau, dass ein Herr, und zwey Damen, aus Berlin, dagewesen, deren Namen sie aber rein vergessen hatte — nur so viel wusste sie noch, dass es ein Herr Director gewesen, der mir Grüsse bringen wollte, von Tochter, und Schwiegersohn. Wer konnte es da wohl anders sein als Euer Vater? Ich konnte nur gar nicht begreifen warum Er nicht hinterlassen hatte wo sie wohnten, denn, so spät es war, hätte ich sie noch aufgesucht, und warum sie mir nicht ein paar Zeilen von Euch mitgebracht hatten! — Mir that dies Verfehlen recht weh, denn ich hätte gar gern etwas recht ausführliches von Euch gehört. Nun muss ich mich gedulden bis der Lange Sohn kömmt, der mir dann gewiss, durch sein Scelettartiges Aussehen, beweisen wird, wie schlecht es ihm geht. Mein Arm führt sich immer noch schlecht auf, und ich leide oft arge Schmerzen. Mit Sehnsucht erwarte ich meinen Arzt aus dem Bade zurück, um endlich zu erfahren was ich thun soll um den bösen Gast los zu werden, denn alle Einreibungen pp haben nichts gefruchtet. Gegen eine Badereise werde ich mich sehr streuben, und lieber eine Cur auf dem Lande vorziehen, da können doch die armen Jungen auch etwas theilnehmen. Wenn nur der Arzt damit zufrieden ist! Wäre es aber der Fall, und Sie kommen Anfang August hieher guter Jähns, so finden Sie eine genaue Beschreibung meines Aufenthalts bey unseren Hausleuten, und Sie müssen die kleinen Beinchen schon ein bischen anstrengen, (wenn Sie es nicht vorziehen hinaus zu schwimmen) wenn Sie uns sehen wollen.

Max hat ohne Murren seine Reise aufgegeben und ich werde, wenn ich noch aufs Land gehe, den Alex wenigstens 14 Tage Urlaub erbitten. Geht es denn meinen kleinen Max gut? wächst er er? kann man ihn bald den grossen Max nennen? Und meiner Tochter Ida, wie geht es der? ist Ihr das lange Stillen wirklich gut bekomen? Allen Respekt vor so einen kleinen Helden! Das soll Ihr der Jähns einmal nach machen.

Mit dem Herrn Gernlein ist mir’s recht schlimm gegangen. Denn denkt nur, der fatale Mensch hat jedes Wort was ich harmlos mit ihm plauderte, wie ich höre, abdrucken lassen, und noch Vieles dazu, was mir nicht in den Sinn kam zu sagen, wenigstens so nicht, wie er es hinstellt*. Nein es ist wirklich zu toll! vor einen Spitzbuben kann ich meine Sachen hüthen, aber so ein Zeitungs Mensch stiehlt einen die Gedanken aus der Seele. Erst macht er mich, durch erheuchelten Enthusiasmus, treuherzig, weint vor Webers Bilde; schimfte auf Alles was nicht Weber ist; blos um ein paar Seiten in seinen elenden Blatte zu füllen. Aber bekome ich nur das Blatt, (der Komet) und hat er zu toll gelogen, dann soll es ihm so nicht hin gehen, wenigstens bekömmt er dann einen Dank von mir den er nicht drucken lässt.

Ich wollte Sie auch noch bitten guter Jähns, Herrn Rollstab in meinen Namen recht herzlich zu bitten, über die bey Schlesinger erscheinenden Musikstüke, ein paar Worte zu schreiben, um das Publicum auf den Standpunkt zu stellen von welchen die Sachen beurtheilt werden müssen. Man sagte mir Schlesinger hat eine recht pralende Anonce davon in die Welt geschickt*, und da wäre es wohl gut wenn ein Mann wie Rollstab den Sachen seinen Segen mitgäbe. Gern hätte ich ihm selbt geschrieben, aber als er, voriges Jahr hier war, hoffte ich vergebens ihn bey mir zu sehen, (was mich wahrhaft gefreut haben würde, weil er ein treuer Freund Webers war, und ist) ich muss daher fürchten er habe Webers Frau ganz vergessen, und ich würde zudringlich erscheinen, wollte ich auf meinen Namen hin, es wagen ihm die unbedeutende Frau ins Gedächtniss zurück rufen! Drum gehen Sie guter Jähns und sprechen mit ihm, Sie sind auch gut! und über den nächsten Dummenstreich will auch die Mutter nicht zanken. Uibrigens machen Sie nur welche, das giebt Stoff zur Unterhaltung.

Später

Eben war der alte Helwig bei mir und brachte Grüsse von Lichtestein, (aber nicht von Euch) dass Ihr wohl und munter seit wollte er aber wissen. Nun Gott lob! Das ist ja das Beste. Heute Nachmittag wird die Kaiserin* erwartet, und wenn die Majestät wohl ist, werden heut Abend die Hugenotten gegeben. Uiber unser schönes Theater* wird sie sich freuen, ich hoffe man wird über all den Schmutz einige Blumen Guirlanden hängen. Am neuen Theater wird aber fleissig gebaut, und man sagt es soll mit den Pintos eröffnet werden. Nun das wäre hübsch ich glaube es aber erst, wenn der erste Strich im Orchester gespielt wird*.

Rothe und Brauer lassen schönstens grüssen, und Max, und Alex machen ihren Kratzfuss. Meine gute Ida und den lieben Max umarme ich herzlich, da ich das nun aber bey Ihnen nicht auch kann, aus Furcht, Ida mögte über die jugendliche Nebenbuhlerin eifersüchtig werden, so biete ich Ihn die Hand mein guter Sohn mit der Bedingung dass Sie nicht zu stark Schütteln denn das thut dem armen Arm weh. Nun Gott mit Euch!

Sie schreiben wohl vor Ihrer Ankunft noch ein paar Zeil[en] nicht wahr?

Na das ist doch einmal viel gekritzel nicht wahr? seht wie Ihr durchkomt

Apparat

Zusammenfassung

berichtet neben privaten Dingen, dass Herr Gernlein das Gespräch mit ihr plus eigene Zutaten im Komet drucken ließ, worüber sie sehr verärgert ist; regt J. an, Herrn Rellstab zu bitten, über die Novitäten von Weber bei Schlesinger zu berichten, Schlesinger habe eine Annonce davon in die Welt geschickt; klagt über den baulichen Zustand des Theaters, Kaiserin wird erwartet zu einer Aufführung der Hugenotten; sie habe gehört, dass die neue Oper mit den Pintos eröffnet werden soll

Incipit

Als ich heute vor 8 Tagen von einem Spaziergang

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Frank Ziegler, Eveline Bartlitz

Überlieferung

  • Textzeuge: Dresden (D), Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (D-Dl)
    Signatur: Mscr. Dresd. App. 2097, 41

    Quellenbeschreibung

    • masch. Übertragung nach dem verschollenen Original (Nr. 41 des Konvoluts)
    • 5 S.
    • am Kopf die Notiz: „Empfangen 18. Juli. 38.“

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Weberiana 27 (2017), S. 69 (Auszug)

Textkonstitution

Einzelstellenerläuterung

  • „… nicht, wie er es hinstellt“Vgl. Rudolph Gernleins Humoristische Reiseskizzen in der Zeitschrift Komet, hg. von Herloßsohn, 1838, S. 919, 927, 935.
  • „… davon in die Welt geschickt“Der Subskriptionsaufruf für die Nachgelassenen Werke Webers erschien u. a. im Hofmeister‑Monatsbericht November 1838 (S. 159) sowie in: Carl Maria von Weber’s Nachlaß, in: Berliner Figaro, Jg. 8, Nr. 255 (31. Oktober 1838), S. 1018f. Möglicherweise sind hier vorab versandte Einzeldrucke gemeint.
  • „… Heute Nachmittag wird die Kaiserin“Maria Anna von Savoyen (1803–1884), Ehefrau von Kaiser Ferdinand I.
  • „… gegeben. Uiber unser schönes Theater“Das alte Morettische Hoftheater wurde 1841 abgerissen.
  • „… Strich im Orchester gespielt wird“Das von Gottfried Semper erbaute Theater wurde am 12. April 1841 mit der Jubelouvertüre von Carl Maria von Weber und dem Schauspiel Torquato Tasso von Johann Wolfgang von Goethe eröffnet.

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