Carl Maria von Weber an Johann Gänsbacher in Prag
Gotha, Mittwoch, 14. Oktober 1812

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S: Wohlgebohren

Herrn Johann Gänsbacher

berühmten Compositeur

zu Prag.

bey S: Exellenz dem H: Grafen

von Firmian, im Fürstlich

Kynskischen Palais auf dem

Alstädter Ring.

Gegen Postschein

frey.

Geliebter Bruder!

Deinen Brief vom 29t August, fand ich bey meiner Ankunft d: 6t Sept: hier zu meiner großen Freude. daß ich dir nicht eher antwortete geschah weil du mir schriebst, daß ihr erst Anfangs 8ber nach Prag zurükkehren würdet. dieser Brief wird dich Schwärmer also wohl endlich treffen.

Ja freilich hätte ich in München bey euch sein mögen*. wir wollen das alles noch einmal in Gedanken durchleben. ich habe dir so viel zu erzählen, und dich so viel zu fragen, besonders aber auch über Beer. der junge schreibt weder an Gottfried noch an mich mehr, spielt den Beleidigten weil wir ihm ein paarmal die Wahrheit gesagt haben pp so kömt er in der Welt nicht fort. — daß Papa Vogler und alle übrige Menschen Freude an deinen Arbeiten* hatten, dank ihnen der Teufel. ja Bruder, laß uns fest und männlich auf dem betretenen Wege fortgehen, und laß uns gegenseitig durch offenes Hinweisen auf unsre Fehler und Schwächen, immer vollkommener werden.

Es reut mich jedes Wort das ich schreibe, weil ich dich bald zu umarmen hoffe, jezt also nur das nothwendigste.      Meine Oper ist immer mit gleichem Beyfall gegeben worden*.      Berner ist unser*.      d: 1t Sept: verließ ich Berlin mit schwerem Herzen weil ich da unendliche viele Liebe und Freundschaft genoßen habe. in Leipzig blieb ich 3 Tage, hauptsächlich wegen Rochliz mit dem ich auch viel von dir sprach*. Er äußerte Zweifel wegen dir, und sagt er fürchte du möchtest bald nachlaßen in deinem Eifer für die Musik: Zeitung. ich versicherte ihn vom Gegentheil. Strafe mich also nicht Lügen, und sey fleißig, über deine Reise könntest du einen intereßanten Bericht erstatten*.      von Härtel ließ ich mir deine Exempl: der Sonate geben die ich dir mitbringe. überall sprach ich so schlecht wie möglich von dir. Kühnel verlegt meine zarte Overture D moll. neue Variat: und ein Clarinett Concertino, auch ein neues Clavier Concert /: aber nicht eher als bis es fertig ist :/ d: 6t kam ich hier an, und wurde äußerst gütig vom Herzog aufgenommen. stekke seitdem in Arbeit bis über die Ohren, weil ich in Berlin nicht viel thun konnte, und mit so vielem Rükständig bin. da ich hier so eingezogen wie in Darmstadt lebe, so fehlt es mir nicht an Zeit.      Spohr mit seiner Frau wird Ende 8ber in Prag eintreffen. ich habe ihm Briefe an deinen Grafen, an Jung, und an Liebich, gegeben, nimm dich seiner so viel als möglich an, es ist eine anscheinend kalte, aber treffliche Seele. Es wäre gut, wenn du eine vorläufige Anzeige seiner Ankunft in die Zeitung besorgtest. sein jüngstes Gericht, hat einzelne treffliche Sachen, aber auch sehr viel überladenes buntes*. Grüße ihn 1000 mal von mir. und mache ihn auch mit Victorine bekannt.

Wie steht es nun mit meinen Geschäften in Prag? allem Anschein nach werde ich schwerlich vor Ende November eintreffen, doch würde ich wenn es durchaus nöthig wäre vielleicht noch früher kommen. Wo werde ich logiren? bey Liebich oder Pachta, ich bitte dich mir über alles dieses ausführlich zu schreiben, denn ich möchte nicht gern nach Prag kommen, viel verzehren und nichts einnehmen. da ich hier alles frey habe. Ein Concert werde ich auf jeden Fall geben. mit Einer neuen Oper* ist noch der fatale Umstand vorhanden daß ich noch kein Sujet habe. ich habe zwar zwey versprochen*, aber es ist doch noch nicht ganz sicher. vielleicht hat Liebich oder du etwas auf dem Korn.

Zweitens hier ist ein braver Mahler aus Dresden, der vortrefflich en Miniature malt, der hätte große Lust mit mir nach Prag zu reisen, wenn er Hoffnung hätte da etwas zu machen. Er nimmt 12–14 Ducaten für ein Portrait. erkundige dich ein bischen darnach und schreibe mir ausführlich darüber. Wie ich den überhaupt mich ganz auf dich verlaße, den ich so innig liebe. brauchst nicht eifersüchtig zu sein alter Jörgel.      Was macht denn Victorine die hat mir in ewiger Zeit nicht geschrieben*. Schreibe mir nur sogleich wieder. der Prinz Friedrich bey dem ich eigentlich wohne, kömt künftige Woche von seiner Reise zurük. gegenwärtig arbeite ich an einer Hymne von Rochliz, wo eine rechtschaffene Fuge dran soll, dann an einem neuen Clavier Concert und an einem Melodram, SapphoT. das wäre etwas für Mad: Löwe. wakkelt dir das Herz im Leibe, bey dem Nahmen? schau schau! die Dülken hätte er auch vergeßen. du bist doch ein guter Kerl. Höre wenn du mir in Prag nicht ein paar hübsche Intriguen schaffst bist du unglüklich. in Berlin war [ich] überflüßig versorgt, hier bin ich aber ganz auf dem Hund.

nun lebe wohl, empfehl mich überall bestens, Kleinwächters, Clamm, Pachtas, ppp besonders aber in deinem [lie]ben Hause. und antworte bald wieder deinem treusten Bruder
Weber.

Apparat

Zusammenfassung

über die Schwierigkeiten mit Meyerbeer; erwähnt Berner als Mitglied des Vereins; über seine Reise nach Leipzig, Gespräche mit Rochlitz und Verlegern; neue bzw. geplante Werke; empfiehlt ihm Spohr und bittet um Zeitungsanzeigen und Vorbereitungen, auch wegen seines geplanten Konzerts; erkundigt sich nach Chancen für einen Dresdner Miniaturmaler in Prag; Privates

Incipit

Deinen Brief vom 23t August, fand ich bey meiner Ankunft

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Wien (A), Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, Bibliothek (A-Wgm)
    Signatur: Weber an Gänsbacher 21b

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. einschl. Adr.)
    • Siegelabriss
    • PSt: CHARGÉ
    • auf der Adressenseite von fremder Hand Prag gestrichen und darunter notiert: Haagensdorff

Textkonstitution

  • s„ß“ überschrieben mit „s
  • „vergeßen“unsichere Lesung
  • „… aber in deinem lie ben“Textverlust durch Siegelabriss

Einzelstellenerläuterung

  • „… München bey euch sein mögen“Gänsbacher war auf Einladung von Heinrich Baermann von Salzburg, wohin er mit den Firmians gereist war, nach München gefahren; vgl. Gänsbacher, Denkwürdigkeiten, S. 43.
  • „… Menschen Freude an deinen Arbeiten“In seinen Denkwürdigkeiten (S. 43f.) erwähnt Gänsbacher besonders sein Requiem, das Vogler in München begutachtet und aus dem Gänsbacher vor P. von Winter, J. N. von Poißl und P. J. Lindpaintner Ausschnitte (Dies irae, Domine) am Klavier vorgestellt hatte.
  • „… mit gleichem Beyfall gegeben worden“In Berlin hatte es bis zu diesem Zeitpunkt drei Aufführungen gegeben: am 10., 14. und 20. Juli 1812.
  • „… worden . Berner ist unser“Mitglied des Harmonischen Vereins.
  • „… auch viel von dir sprach“Treffen in Ermlitz am 3./4. September 1812; vgl. Tagebuch.
  • „… du einen intereßanten Bericht erstatten“Ein solcher Bericht erschien nicht in der AmZ.
  • „… auch sehr viel überladenes buntes“Vgl. dazu auch Webers Urteil im Tagebuch zum ersten Eindruck am 16. September 1812.
  • „… geben. mit Einer neuen Oper“Zu den Planungen vgl. auch die Briefe an J. Gänsbacher vom 20. März, 25. April und 16. Mai 1812.
  • „… ich habe zwar zwey versprochen“Zu Absprachen über zwei Bühnenwerke in Zusammenarbeit mit Gubitz (Libussa sowie Sappho) vgl. den Themenkommentar zu nicht ausgeführten KompostitionsprojektenT.
  • „… in ewiger Zeit nicht geschrieben“Der letzte Brief von ihr ist am 20. Juni 1812 im Tagebuch dokumentiert.

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