Carl Maria v. Weber’s unvollendet hinterlassene komische Oper „Die drei Pintos“ (Teil 1 von 5)

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Carl Maria v. Weber’s unvollendet hinterlassene komische Oper „Die drei Pintos“. Von Carl von Weber.*)

I.
Wer Weber als Menschen kennt, wie er uns aus seiner Lebensbeschreibung entgegentritt, wie er sich in seinen zahlreichen Briefen an seine Gattin und seine Freunde kundgiebt, wer ihn als Künstler in seinen Werken versteht, wird als einen seiner hervorstechendsten und liebenswürdigsten Züge einen nie versiegenden Humor lieb ge¦wonnen haben, der sich wohl den eben so kleinlichen wie peinlichen Anfechtungen des täglichen Lebens, als auch den Beschwerden und Rückschlägen eines zielbewussten künstlerischen Ringens gewachsen zeigt. Um so erstaunlicher muß es sein, daß des Meisters Schaffen, das so unmittelbar aus seinem innern Sinn und aus den Einwirkungen des Lebens heraus auf fast alle Gebiete der künstlerischen Darstellung trat, gerade auf dem des Humors sein Denkmal hinterlassen, das dessen andern großen Werken ebenbürtig wäre. Seine einaktige Oper „Abu Hassan“, einzelne heitere Scenen unter seinen Liedern, die Gestalten Aennchens im „Freischütz“, des Krips in der „Sylvana“ und des „Scherasmin“ im „Oberon“ legen aber zur Genüge dar, daß es nicht der Mangel an Gestaltungskraft war, der eine weitergehende Bethätigung nach der angedeuteten Richtung verhindert hätte. Vielmehr tragen äußere Umstände die Schuld an dieser nie wieder gut zu machenden Versäumniß. Denn es war von | jeher Weber’s lebhaftester Wunsch, eine komische Oper zu schreiben, Musik-Gestalten zu schaffen, die nicht in den grenzenlosen Weiten der Romantik, sondern in den engeren Räumen heiterer Wirklichkeit sich bewegten.

Noch mit den letzten Arbeiten am „Freischütz“ beschäftigt (Anfang 1820), hielt Weber Umblick und Umfrage nach einem Text-Dichter und nach einem Stoffe, der den Ansprüchen an eine „komische Oper“ genügen könnte. Der Dichter gab es damals in Dresden, wo Weber seit 1817 als Königlicher Capellmeister angestellt war, eine große Anzahl, an Stoffen konnte es nicht fehlen. Das schöngeistige Leben der Hauptstadt Sachsens fand zu jener Zeit seinen Mittelpunkt in dem „Liederkreise“, einer Vereinigung von Gebildeten aller Stände. Die Richtung wurde dem „Liederkreise“ von Ludwig Tieck gegeben, der auf der Höhe seiner romantischen Epoche stehend, den großen Spaniern Lope, Calderon, Moreto, damals seine besondere Aufmerksamkeit zuwandte. Somit waren überhaupt spanische Stoffe auf der Tagesordnung und das Angebot solcher als Opern-Texte an Weber war ein beträchtliches. Selbst ein eifriges Mitglied des „Liederkreises“ und daher vollen Theil an der dort herrschenden Anschauungsweise habend, fand Weber gegen einen spanischen Stoff an sich nichts einzuwenden, und so war es denn trotz Weber’s echt deutscher Gesinnung als Mensch und Künstler erklärlich, daß ein solcher das Buch zu seiner komischen Oper abgab. Dicht vor Vollendung des „Freischütz“ trat Weber mit einer Koryphäe des Dresdner „Liederkreises“, dem Dichter Theodor Hell (Hofrath Winkler), in Verbindung wegen des Textes zu der neuen Oper. Am 28. Februar 1820 fand die erste Besprechung statt, am 13. April war der erste, am 9. Mai der zweite Act in Weber’s Händen. Am 13. Mai aber vollendete Weber den „Freischütz“, und nun schien der Weg frei für die neue Schöpfung. Theodor Hell hatte das Buch zu derselben, das er eine „scherzhafte Oper in drei Acten“ nannte, auf einer Novelle aufgebaut, die im Jahrgange 1819 der Dresdner Abendzeitung unter dem Titel „Der Brautkampf“ von Dr. C. Seidel, erschienen war. Die Oper sollte den gleichen Namen führen, doch hat Weber selbst denselben in „Die drei Pintos“ abgeändert. Dieser letztere Titel hat seine Berechtigung in dem Vorwurfe des Stückes. Ein lustiger Student nimmt einem plumpen, tölpelhaften Don Pinto einen Brief ab, in welchem derselbe durch seinen Vater als Heiraths-Candidat bei einem Freunde eingeführt werden soll. Der Student will im Uebermuth, unter Pinto’s Namen, also als Pinto Nr. 2, die reiche Heirath machen und zieht nach Sevilla[.] Er steht aber ab, als es sieht, daß das Mädchen einen Andern hoffnungslos liebt, dem nun als Pinto Nr. 3 vermittelst des gestohlenen Namens und Briefes zur Hand der Geliebten verholfen wird. Den richtigen Don Pinto aber beseitigt man mit List und Gewalt. Wir werden weiterhin auf die Dichtung Th. Hell’s zurückzukommen haben.

Weber begann sofort mit der Composition der „drei Pintos“, aber schon die ersten Anfänge derselben waren von einem jene hindernden Umstände begleitet, die mit verhängnißvoller Folgerichtigkeit den Fortgang der Arbeit an dem Lieblingswerke stören sollten. Diesmal war es die Bestellung der Musik zu „Preziosa“, die von dem Dichter P. A. Wolff und dem Intendanten der Berliner Hofbühne, Graf Brühl, so dringlich gemacht wurde, daß sie erledigt werden mußte. So gingen beide Arbeiten neben einander her; „Preziosa“ wurde am 25. Mai, (vollendet am 15. Juli), „Die drei Pintos“ am 27. Mai 1820 begonnen*. Am 23. Juli ging nun zwar auch der Text zum dritten Aufzug bei Weber ein, aber die Arbeit an der Oper wurde ganz zur Seite gelegt, da dieser am 25. Juli eine Kunstreise nach Norddeutschland und Kopenhagen antrat, die ihn erst Anfang November wieder nach Dresden zurückführte*.

Im Jahre 1821 ist dann fast Alles das entstanden, was der Welt von den „drei Pintos“ geschenkt worden ist. Die Notizen Weber’s in seinem Tagebuch und auf der Urschrift des Entwurfes, die sich hierauf beziehen, sind folgende: Im Tagebuch: 23. Mai 1820 „gearbeitet drei Pintos.“ 19. Januar 1821 „gearb Pintos.“ 21. „Ganzen Tag gearb. Introduction Pinto’s entworfen.“ 14. Juli „Introduction gearb.“ Auf dem Entwurfe zu Clarissens Arie*: „den 31. Juli 1821.“ Weiter im Tagebuch: 31. August „gearb. Terzett Hdur vollendet entworfen.“ 15. October „Duett Gdur Nr. 7 entworfen.“ 18. October „Nr. 4 C dur ¾ entworfen.“ 28. October „Finale des ersten Actes gearbeitet.“ 8. November „Finale Nr. 6 vollendet entworfen und hiermit den 1. Act.“ Endlich am 20. September 1824 „gePintot.“ *

(Fortsetzung folgt).

[Originale Fußnoten]

  • *) Alle Rechte vorbehalten

Apparat

Zusammenfassung

Über Webers Opernfragment Die Drei Pintos. Carl von Weber erläuert insbesondere die Entstehungsgeschichte des Librettos und verweist auf die Datierungen zur Entstehung der Musik durch Webers Tagebuch und das Konvolut D-B, Mus. ms. autogr. C. M. v. Weber WFN 3.

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung und Kommentar
Obert, Salome

Überlieferung

Textkonstitution

  • „dieser“sic!

Einzelstellenerläuterung

  • „… am 27. Mai 1820 begonnen“Vgl. entsprechende Tagebucheintragungen.
  • „… November wieder nach Dresden zurückführte“S. Tagebuch.
  • 23. Mai 1820recte „27. Mai“.
  • „… dem Entwurfe zu Clarissens Arie“Arie Nr. 2 „Wonnig Süßes Hoffnungs Träumen“ in dem Konvolut D-B, Mus. ms. autogr. C. M. v. Weber WFN 3.
  • „… am 20. September 1824 gePintot.“Zu der abweichenden Transkription s. entsprechende Tagebucheinträge in der WeGA.

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