Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Sonntag, 4. Mai bis Montag, 5. Mai 1817 (Nr. 45)

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Guten guten Morgen meine vielgeliebte gute Lina!

Da hab ich mich schon vor einer Stunde herpflanzen wollen um mit dir zu plaudern und nun hat mich der arme Gned ganz verstimmt und abgehalten. ich werde ihn nach Berlin spediren und gewiß alles mögliche thun ihn fortzubringen. es ist wirklich ein höchst trauriger Fall. Wer dabey bestimmt übel wegkomt das weiß ich!* – – Nun, Gott wird’s wo anderst wieder schenken. – Nun zu etwas heiterem. Mein Joh: v: Paris ist Gestern vortrefflich gegangen*. und die Grünbaum hat die Leute ganz toll gemacht*. im 1t Akt hatte sie Angst, und den habe ich schon beßer von ihr gehört, aber im 2t sang sie wahrhaft göttlich. Das Ganze gieng aber auch herrlich und ist eine sehr schöne Vorstellung. Auch sogar Tänze mit Kastagnetten haben wir zusammen gestoppelt, zur Tafel hatten wir aus der Königl: Silberkammer Serviçe. pp. Sie wurde herausgerufen und dankte bescheiden. Wilhelmi als Joh: war recht brav. Genast desgl: als Senneschall. der Wirth* auch. nur der Page hätte anderst sein können, doch that das arme Julchen was sie konnte. Chöre und Orchester!! – Nun!!! –      Der König war ganz überrascht, und sehr zufrieden.      Es scheint mir aber die höchste Zeit daß die Grünb: sich schont. Wenn sie noch ein paar Jahre in Prag so angestrengt fort singt, und mitunter ein Buberl oder Mädel kriegt, so könnte dieses schöne Talent wirklich untergehen, und was dann? – –      Nach der Oper waren wir bei Grünb: Bassi und Schmidl. und tranken etwas Pantschampper*. Wo des H: v: Muken Königs in Prag, Gesundheit      hoch! hoch! getrunken wurde. Ach Gott, wie haben wir dich alle hergewünscht, denn ich weiß du hättest gewiß deine gröste Freude daran auch gehabt. Morgen geht der ganze Hof nach Pillnitz. ich hoffe daß wir bald einmal Oper draußen haben. Von Morgen an ist auch der Montag frey, und wird nur Sonntag, Diest: Mittw: Donn: und Samstag gespielt. Morgen fange ich nun schon die Proben vom Lotterieloos und Blaubart an. d: 18t will die Grünb: schon fort nach Berlin.

Vorgestern kam der Paß richtig noch fort. die Post war schon zu, aber der PostMstr. war doch so gütig es noch zu besorgen*. es wird also heute schon alles in deinen Händen sein.      Das war ein harter Tag, früh um 10 Uhr und Abends 6 Uhr GeneralProben.      Endlich habe ich auch Antwort von Mlle: Amberg erhalten. Sie hat wohl Lust zu kommen, aber noch ein Jahr Contract.

So weit kam ich Gestern, als ein Schwarm von Menschen nacheinander kam, unter andern auch H: Schaper, dem ich aber mündlich wiederholte, was er schriftlich nicht abgewartet hatte*. Auch Schmidl machte nebst Töchtern AbschiedsVisite da er heute mit nach Pillnitz muß. dann Conferenz mit Hellwig. Mittag im Engel. dann zum Grafen Vizth: viel Dinge abgemacht, und für den armen Gned ausgewirkt, daß er ihn für 3 Gastrollen bezahlte. das ist doch gewiß honett. Man sagt Graf Brühl sei auf seinem Gute Seiffersdorf 3 Stunden von hier, in einer Stunde erfahre ich es gewiß, ist er da, so fahre ich heute noch hinaus, um ihm den Gned auf die Seele zu binden*.      Vom Grafen, gieng ich aufs Bad spazieren, wo schon ein ganzer Zug voraus war. von da fuhren wir zu Waßer zurük, und wurden von einem entsezlichen Plazregen erwischt. dann ins Theater*, und Abends bei Grünb: Heute komt ein Brief von Lina, und da freuen wir uns alle schon darauf.      Mein guter lieber Muks, jezt hast du gewiß recht harte Tage Viel Sorgen, Anstrengung, Lauferey und Ausgaben. ich bin nur recht froh, daß der May so hübsches Wetter bringt, und mein guter Schneefuß im Garten hoffentlich nicht | frieren darf. täglich bitte ich Gott um gut Wetter für dich, denn wäre es schlecht, und du hättest viel zu spielen, so könntest du dich recht leicht erkälten, oder verderben.      Das Wiedererwachen der Natur und die zunehmende Fröhlichkeit der Menschen um mich herum, macht mich fast traurig, und ich krieg so eine Sehnsucht nach meiner Lina, daß ich gleich auf die Post schikken könnte, und Schwager fahr zu, rufen möchte. Wenn ich so früh Morgens aufstehe, und so entsezlich ernst und einsilbig bin, daß ich oft vor mir selbst erschrekke, so schelte ich mich recht aus, indem ich mir sage daß dies unangenehm für Mukkin sein müße, und jeder Tag Sie gleich fröhlich anlachen soll. – Aber das ist bei meiner bisherigen Lebensweise natürlich so gewesen, und konnte auch nicht wohl anderst sein.      So wie ich aufstehe, steht der ganze Tag mit seinen Lasten, Arbeiten und Sorgen vor mir, und die Erwartung der Dinge die da kommen werden, und ihre gehörige Besorgung, erfüllt mich ganz, und läßt mich ihr mit Ernst gerüstet entgegen treten. je mehr von dieser Last abgearbeitet ist, desto heiterer werde ich, und am Ende des Tages sehe ich beruhigt und froh auf das Geschehene zurük. Zu dieser Beobachtung meiner Selbst, bin ich erst seit meinem lezten Aufenthalt in Prag gekommen, wo ich so oft unzufrieden mit mir war daß mein unbezwinglicher Ernst, dich oft zu ängstigen schien. Nu, ich will mir alle Mühe geben, gleich ganz lustig aus dem Bett zu steigen, aber, ich stehe für nichts, wenn nicht Mukkin selbst Wunder an mir altem Bären wirkt, und gleich fröhlich mich umgaukelt. /: bei dem Wort fällt mir der Friz Clam ein :/ ich gehe auch gleich fort mit dem steinernen Gesicht zur Arbeit, und Mittag bring ich schon ein heiteres, oder – recht verdrießliches mit.      Arme Mukkin, welch ein Geschäft hast du; bist als ewige Stirn Glätterin und Verdruß Gutmacherin angestellt. ist ein schöner Posten, aber etwas Fatigent. Wenn dir nur die Geduld nie reißt, bitte bitte, nimm einen recht starken Faden dazu, und Rosenfarb. gelte???

Liebe gute Lina die Zeit wird mir erschreklich lang nach dir. alle Tage gukk ich in Kalender. der ist zum Glük in Wochen abgetheilt. und da rechne ich unaufhörlich. die Zeit wird zwar dadurch nicht kürzer, aber es rükt doch so nach und nach näher.

So eben bringt Gned die Nachricht daß der Graf Brühl in Seyfertsd: ist. ich muß also gleich alle Anstalten treffen, und werde nicht viel mehr mit Mukin pabsen können. hab sogleich nach der Post geschikt um doch deinen Brief zu haben, und ihn, wenn gleich kurz, doch noch etwas beantworten zu können.

adje. Mein gutes geliebtes Bräutlein. Sey brav und heiter. Gott segne Dich + + +. Ewig dein dich unendlich liebender treuer Carl.

Kein Brief von Muks.      die fatale Post. hoffentlich sind es nur die schlechten Wege und sonst nichts.

ich fahre jezt
eben zu Brühl.

Grüße an die Mutter und Drs. Millionen Küße.
Ewig dein Muk.

Apparat

Zusammenfassung

betr. den Sänger Gned, den er Brühl empfehlen will; berichtet über Aufführung des „Johann von Paris“ in Dresden; teilt mit, dass er den Pass am 2. Mai abgeschickt habe; Tagebuch 4. Mai

Incipit

Da hab ich mich schon vor einer Stunde herpflanzen wollen

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 92

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.) ; Adressenseite (Bl. 2) abgeschnitten
    • Rötel- und Bleistiftmarkierungen von Max Maria von Weber

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Muks, S. 389–393

    Einzelstellenerläuterung

    • „… übel wegkomt das weiß ich!“Weber lieh Gned mehrfach privat Geld; vgl. die Tagebuchnotizen vom 19. April, 1. und 3. Mai 1817.
    • „… Paris ist Gestern vortrefflich gegangen“Vgl. den Bericht in der Abend-Zeitung vom 20. Mai 1817.
    • „… die Leute ganz toll gemacht“Sie gab die Prinzessin von Navarra.
    • „Wirth“Pedrigo, Besitzer eines Gasthofes, gesungen von Joseph Emil Metzner.
    • „… . und tranken etwas Pantschampper“Familiensprachlich für Champagner.
    • „… gütig es noch zu besorgen“Freitags ging die reitende Post von Dresden nach Prag. Hof-Postmeister war laut Adressbuch Johann Samuel Richter.
    • „… er schriftlich nicht abgewartet hatte“Weber hatte dem Sänger offenbar mitgeteilt, dass weder Aussichten auf ein Engagement am Dresdner Hoftheater noch auf Gastauftritte bestanden.
    • „… auf die Seele zu binden“Für Gned, der das erhoffte Engagement in Dresden nicht erhielt (zum Grund vgl. Webers Brief an seine Braut vom 30. April bis 2. Mai 1817), erwirkte Weber eine Zahlung von 90 rh. in Dresden sowie Gastauftritte in Berlin; vgl. die Tagebuchnotizen vom 4. und 5. Mai 1817.
    • „… Plazregen erwischt. dann ins Theater“Gegeben wurde Pagenstreiche; vgl. den Bericht in der Abend-Zeitung vom 20. Mai 1817.

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