Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Dienstag, 21. Januar bis Freitag, 24. Januar 1817 (Nr. 20)

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An Mademoiselle

Carolina Brandt.

Wohlgebohren

MitGlied des Ständischen Theaters

zu

Prag.

Mein theures geliebtes Leben!

Habe Dank für deine freundlichen lieben Zeilen vom 17 und 18t No: 20 /: soll heißen 21 :/ die ich Gestern Abend fand, und als eine rechte Herzstärkung 2 mal vorm schlafengehn zu mir nahm, und darauf ruhiger und froher zu Bette gieng. Nachdem ich Gestern meinen Brief No. 19 an dich abgeschikt hatte, zog ich mich an, und war eigentlich sehr verstimmt daß ich in Gesellschaft gehen sollte, es war aber nicht zu ändern und ich ergab mich drein, und gieng mit Hofrath Böttcher /: weißt du noch im Phantasus? :/* zu dem Grafen Bombell, Östreich: Gesandter. hier wurde ich wirklich mit außerordentlicher Freundlichkeit aufgenommen, und spielte troz meinem heftigen Kopfweh so ziemlich. was gefiel. die Gräfin sang, sehr schön, und es war recht angenehm da, ich fuhr dann mit ihnen ins Theater. Schachmaschine. H: Wilhelmi aus Caßel den Karl Ruf, recht brav*. dann in Bett, und deinen lieben Brief gefreßt. nicht sonderlich geschlafen, um ½ 9 Uhr schon zum Grafen Vizthum, und etwas ernstlich mit ihm gesprochen. um ½ 10 Uhr bis 1 Uhr Probe, jezt nur meinem Muks guten Tag sagen, und dann wieder umziehen, und zu denen Prinzen* gehn Aufwartung machen. Mittag 4 Uhr beym Französischen Gesandten Graf Dillon. Abends Egmont*. da hast du mein Tagewerk.

Mein guter Muks laß dich 1000 mal abbußen für dein so schönes Streben, mir Freude zu machen, ich sehe Dich schon in Gedanken mit der Küchen Schürze, und den alten Rokk mir entgegen halten. Gott gebe uns seinen Seegen dazu, es mag noch mancher Verdruß unterdeßen vorüber wallen, aber ich werde schon fest stehen und mir nichts thun laßen; gelte Muks?      Ich bin wohl neugierig wie die Silvana gehn wird, ich glaube schwerlich daß der H: Triebensee sie begreifft*. Muks und Grünbaums werden ihre Sache schon gut machen, und somit wird es wohl gehen*.      Dein Plan wegen deinem Bruder nach Prag ist nicht übel, aber hüte dich doch ihn zu etwas zu bereden[.] wenn es ihm dann nicht gefiele, müstest du die Schuld tragen. ich in Hinsicht der Mutter wäre es freylich am besten auf diese Art*. Mit dem Berliner neuen Theater ist noch vor ein paar Jahren wohl an nichts zu denken, das geht alles gar langsam*.      Das Geld von der Wolf habe ich erhalten*, und steht es zu deinen Befehlen wenn du es brauchst. Mit Mad: Liebich mache Ja keine Umstände bezahlt die dich nicht gleich so brauchst du nicht zu spielen. Wenn eine Verbindlichkeit nicht gehalten wird, so hebt sich die andere auch, später hättest du das Nachsehen, und fielst mit den andern Gläubigern in eine Maße. sei doch nicht so entsezlich saumselig in solchen Geschäftssachen. du hast ja noch nicht einmal bis zum 1t Xbr in Ordnung, geschweige das Neuere. ich warne dich nochmals, sieh dich vor, laße dir deine Gage verdoppeln ppp Wegen Grünbaums und Gned* schreibe ich bis nächsten Posttag nach Prag.

Nun ist es die höchste Zeit daß ich schließe ich gebe dir eine Million Bußen in Gedanken und drükke dich innig an mein Herz, Gott segne dich + + + Ewig dein Carl.

Ich komme so eben nach Hause, um endlich nach Berlin zu schreiben, was find ich? einen lieben Brief von Muks No: 22 /: jezt ists recht :/ vom 20t und mache mir auch gleich eine förmliche Schäferstunde daraus, hott mich zum erstenmal aufs Kanapee mit dem grauen Joppel, und freß meiner geliebten Lina Brief durch. da kann man denn freilich auch nicht anderst als gleich antworten, obwohl eigentlich der arme Muks warten müste, da ich so viel Dienst Arbeiten habe, aber es thut nichts ich muß auch eine Freude haben, und mich stärken zu anderer Arbeit, unter der manches verdrüßliche ist.      Vor allem laß dich aufs zärtlichste an mein Herz drükken für die Gesinnungen die du aussprichst, die deiner und meiner würdig sind, wie ich sie auch von dir erwartete, und wie sie uns gewiß glüklich machen müßen.      Ich glaubte dir die Sache ausführlich genug geschrieben zu haben, aber es geht einem oft so wenn man zu sehr erfüllt ist, daß man dann nicht deutlich erzählt. die Sache ist ganz einfach die, ich bin nicht KapellMster, sondern Direktor der deutschen Oper, das will ich nicht leiden, weil ich dem italienischen KapellMster gleich stehen muß, meiner Ehre halber und der Ehre der deutschen Kunst, ließe ich das so hingehen, so hieße es gleich, ist ein dummer Deutscher, ist froh einen Bißen Brod zu haben, und läßt sich alles gefallen. Es ruht ein gewaltiger Schlumper auf der Sache, aber der ganze Hof und Stadt intereßiren sich aufs lebhafteste für mich, ich habe Vor- | gestern mündlich nochmals ernstlich mit dem Grafen Vizthum gesprochen, und ihm erklärt daß ich mich für gar nicht angestellt ansehe, bis mich der König zum KapellMster ernannt hätte, geschähe dieß nicht, so wollte ich, um die gute Sache nicht geradezu ins Elend zu führen 3–4 Monate bleiben bis er einen anderen hätte, aber ganz als freiwilliger, da ich nicht gewohnt wäre mit mir spielen zu laßen noch mir etwas zu vergeben, das mich in den Augen der ganzen Welt herunter sezzen müste. dieselbe Erklärung werde ich ihm heute schriftlich übergeben, und somit mag Gott seine väterliche Huld abermals walten laßen.      Ich kann dir aber zugleich sagen, und zwar nicht um dich zu beruhigen sondern bei meiner Ehre, aus ziemlicher Ueberzeugung, es wird sich alles zum Guten wenden, und mein Triumph alsdann desto größer sein. Alles spricht für mich, besonders die Prinzen und Prinzeßinnen, die mich durchgehends ganz ungemein liebreich und Achtungsvoll empfangen haben. Ich kann nicht anderst handeln, denn jezt gilt es, sich auf LebensZeit fest und ehrenvoll zu sezzen, oder ewig wie ein Hund zu leben. die Tage her hat mich die Sache sehr gekränkt und geärgert, aber jezt bin ich ganz ruhig, meine Proben gehen ihren Gang und heute über 8 Tage soll Joseph sein.      Sei ruhig liebes theures Leben, du kannst getrost und heiter die Sache abwarten, und jezt muß ich für heute schließen nachdem ich dir noch 10000000000 Bußen gegeben habe, du guter braver, geliebter Muks.

Es ist recht traurig, daß ich jezt gar nicht anderst als immer in Eile mit Lina reden muß, aber es geht nun einmal nicht anderst, und muß mit zu dem übrigen geschrieben werden.      Ich bin dir auch noch Referat schuldig. d: 22t von 9–1 Uhr Probe, dann Conferenz. Mittag im Engel. mit Böttcher zu Schirmers die nach Berlin auf Gastrollen gehen will, und meinen Rath erfragte*. zu Cantor Weinlich, und um 6 Uhr in einen gelehrten Thee, wo viel Ehre für mich aufgetischt wurde und sehr intereßante Sachen vorkamen. d: 23t von 9 Uhr bis 1 Uhr Probe, dann Prinz Anton und Prinzeß. Therese aufgewartet. hier wurde abermals viel von dir gesprochen – Mittag im Engel, um 3 Uhr nach Hause. an Muks, Lichtenstein, Eunike, Milder, Stümer pp geschrieben, und Aufsaz an den Grafen wegen meiner KapellMsterschaft gemacht. um 7 Uhr ins Theater, dem Grafen es vorgelesen. um 8 Uhr zum Preußischen Gesandten. viel gesungen und gespielt, um ½ 12 Uhr im Bett. – Puntum.

Du sollst meinen Briefen nicht mit Ängstlichkeit entgegen sehen Hallunt! ich bin voll guten Muthes, und sehe dich schon in Gedanken abängstigen. Du glaubst ich würde nicht in D: bleiben? und ich glaube das Gegentheil. Wollen sehen wer Recht hat. – Du armer Muks hast keine Ruhe bei Nacht. sieh die Sympathie, habe bisher auch sehr schlecht geschlafen. Wird schon auch wieder gut werden, und die Mutter gesund. ich warne dich nochmals wegen der Liebich, sieh dich vor, und spiele nicht, wenn sie nicht bezahlt. es ist hart aber wir müßen auf das unsrige sehen.      Ueberhaupt laße dich ja nicht um etwas verkürzen, und gehe lieber ab, nach Leipzig oder hieher, doch wäre das erstere beßer, bis nicht meine Sache ganz entschieden ist. Aber sie werden Dich in Prag nicht fort laßen.      Ja mein lieber Muks vor der Hand sehe ich keine Möglichkeit uns zu sehen, da ich keinen Augenblik abkommen kann, du hättest freilich die Charwoche frei, aber es würde kurios aussehen, und die Strapaze und das Geld – – laß uns in Geduld faßen in Kurzem muß ja alles entschieden sein, dann siehst du mich und ich dich Gott sei Dank für immer. und lieb hab ich Dich noch ganz paßabel, da kannst Schneefuß schon ruhig sein.      Schmidls grüßen herzlichst, du must doch an die guten Menschen schreiben, und ihnen sagen wie sehr ich dir erzählte von ihrer freundschaftlichen Aufnahme. Er zappelt sich wirklich die Beine für mich ab. Nun muß ich geschwind noch an Grünbaums und Gned schreiben. und das nur kurz denn ich muß wieder in die Probe und dann zum Minister. Gott segne dich, sei guten Muthes und froh, sonst wirst du mir wieder mager, und dann weist Du schon. + + + mache ich dir von Herzen. Alles Erdenkliche an Junghs, und an die Mutter.

Ewig dein dich treu liebender Muks bis in den Tod. Carl.

Apparat

Zusammenfassung

Tagebuchbericht vom 20. Januar (bei Böttiger, Bombelles, Besuch im Theater: Schachmaschine); 21. Jan.: Tagebuchbericht (Besuch bei Vitzthum, Probe, Aufwartung bei den Prinzen, beim französ. Gesandten Graf Dillon, abends Egmont); gibt Ratschläge bzgl. Caroline Brandts Anstellung in Prag bzw. zum Konflikt mit Fr. Liebich; erwähnt das Einstellungsproblem (nicht als Kapellmeister, sondern als Direktor der deutschen Oper; Protest bei Vitzthum mit Androhung, die Stelle wieder aufzugeben); erwähnt geplante Aufführung des Joseph geplant; außerdem Tagebuch-Bericht 22.-23. Januar

Incipit

Habe Dank für Deine freundlichen lieben Zeilen

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 75

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
    • Siegelrest
    • bei Bl. 2 ein 4x13 cm großer Streifen abgeschnitten, kein Textverlust

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Faksimile: Hans Schnoor, Vierhundert Jahre Deutsche Musikkultur. Zum Jubiläum der Staatskapelle und zur Geschichte der Dresdner Oper, Dresden o. J. [1948], S. 154 (nur Teilfaks. der NS vom 23. Januar)

Textkonstitution

  • „ich“durchgestrichen
  • um„und“ überschrieben mit „um
  • s„ß“ überschrieben mit „s

Einzelstellenerläuterung

  • „… du noch im Phantasus? :/“Weber spielt hier auf die Rolle Böttigers in Ludwig Tiecks „Kindermärchen in drei Akten“ Der gestiefelte Kater (in: Phantasus, Bd. 2, Berlin 1812) an.
  • „… Karl Ruf , recht brav“Vgl. den Bericht in der Abend-Zeitung vom 30. Januar 1817.
  • „… umziehen, und zu denen Prinzen“Wohl eher die jüngere Generation (Prinz Friedrich, Clemens und Johann) als die ältere (Prinz Anton und Maximilian) gemeint.
  • „… Graf Dillon . Abends Egmont“Vgl. den Bericht in der Abend-Zeitung vom 31. Januar 1817.
  • „… der H: Triebensee sie begreifft“Die dreiaktige Silvana wurde am 2. Februar 1817 in Prag unter der Leitung von Webers Nachfolger Triebensee gegeben; zu dessen Stellung in Prag vgl. den Bericht in der Abend-Zeitung Nr. 92 (17. April 1817), Bl. 2v; zu den Prager Silvana-Aufführungen vgl. die Besprechungen im Sammler vom 8. und 10. April 1817.
  • „… somit wird es wohl gehen“Im Notizen-Buch hatte Weber neben C. Brandt (Titelpartie) Th. Grünbaum als Mechtilde und J. C. Grünbaum als Albert vorgesehen.
  • „… am besten auf diese Art“Offenbar erwog Louis Brandt einen Wechsel vom Mainzer ans Prager Theater, ging dann noch im selben Jahr aber nach Mannheim. Christiane Brandt musste somit doch von Prag wegziehen.
  • „… das geht alles gar langsam“Möglicherweise bereits Planungen für das 1824 eröffnete privatwirtschaftlich organisierte Theater am Alexanderplatz (Königsstädtisches Theater)?
  • „… der Wolf habe ich erhalten“Wohl das laut Tagebuch am 11. Januar 1817 von Wolf erhaltene Geld.
  • „… ppp Wegen Grünbaums und Gned“Das Ehepaar Grünbaum gastierte im Mai 1817 in Dresden, Georg Gned sang dort am 29. April im Zwischenakt, wurde aber nicht engagiert.
  • „… will, und meinen Rath erfragte“F. Schirmer gastierte in Berlin vom 28. April bis 17. Mai; vgl. den Kommentar zu Webers Brief an C. von Brühl vom 16. Februar 1817.

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