Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Sonntag, 10. bis Montag, 11. August 1817 (Nr. 76)

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An

Mademoiselle

Carolina Brandt.

Mitglied des Ständischen
Theaters

zu

Prag.

Kohlmarkt 514. 2t Stok

Mein geliebtes Bräutlein!

Gestern war ich also bei dem H. Pater Superior, und Heute werden wir beide zum erstenmal von der Kanzel verlesen*. da den 15t Feyertag* ist, so kann diese 3 malige Ceremonie schon d: 17t beendiget sein, und ich dir Morgen über 8 Tage schon das Attestat darüber schikken, damit der Dr: die Güte hat alles nöthige zu besorgen, und kein Hinderniß irgend einer Art waltet, k wenn ich Ende Sept: eintreffe. So rükt denn der wichtigste Zeitpunkt unsres Lebens immer näher heran, und freudig aber auch mit jener gewißen Beklommenheit mit der man jedem großen Schritt entgegen geht, erwarten wir ihn. Mit Gottes Hülfe soll uns nach ihm desto freyer und sicherer ums Herz werden, und immer mehr und mehr bis ins Grab. Aber das erst nach ein paar 100 Jahren, das versteht sich.          d: 8t aß ich Mittags mit Bassi und Siboni bei Benelli, nach Tische sang die Tochter recht brav. Dann hat ich mancherley Lauferey um das für Sibonis Hof Concert in Ordnung zu bringen, was mein College Morlachi in Konfusion gebracht hatte*, und Abends war Dichter KreißT bey Förster.     Von Bruder Edmund habe ich wieder einen Brief bekomen. Er ist jezt wieder recht brüderlich zutraulich, gebe Gott daß ich ihm bald einmal zu einem sicheren Brod helfen könne.           Gestern d: 9t habe ich fleißig gearbeitet, und Gott sei Dank, es geht. war in Böttgers Vorlesung über Antiken*. Mittag im Engel, dann beim Pater Superior, dann gearbeitet. in Cosi fan tutte* und dann noch zum Graf Dillon mit Siboni, und Musik gemacht bis 12 Uhr.           Was meine AngelegenheitT betrifft, so habe ich mir fest fortgenommen gar nicht mehr zu thun als ob sie mich was angienge, und das gelingt mir recht gut, ich mache meine Geschäfte, arbeite, und denke nur manchmal daran ob ich nicht bald was Neues erfahren werde, wie man allenfalls auf eine KriegsNachricht von der Südsee neugierig ist. Wenn ich es aber nicht so machte und mich einzulullen suchte, so würde ich zu zerstreut sein um nur das geringste thun zu können, und wahrlich ich brauche jezt meinen Kopf nothwendiger als jemals, denn es ist die höchste Zeit einmal wieder etwas in die Welt zu schikken welches beweißt, daß ich meine Zeit nicht auf der faulen Bärenhaut verlebt, sondern fleißig Honig gesamelt habe. Erfahre ich etwas entscheidendes, ja nun so geht es doppelt thätig über alles her, sei’s hier oder dort, und was ich nicht allein zu stande bringe, das ja nun das macht die Mukkin dann später fertig. Die junge Spröde, geht mit dem Dienstags Postwagen ab, denn ich habe sie schnellstens copiren laßen, und erhalte sie heute noch.

Unterdeßen empfehle ich mich für jezt gehorsamst, geh zu andern Bräuten und Leuten*, und küße meinen geliebten Schneefuß in Gedanken aufs innigste. ade, ade, ade.

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Einen schönen guten Morgen, wie hast du geschlafen, gut? hast du dir nicht wehe gethan wie du von Kanzel Gestern gefallen bist? Die Prinzen waren so gütig nach der Kirche Ihren KammerDiener zu mir zu schikken und gratulieren zu laßen. Sie sind wirklich gar Herzens Gut. Mittag war Siboni mein Gast im Engel, und Bassi ließ eine Bout. Champagner geben, und trank das Wohl der heute erklärten Verbindung, deine Gesundheit ppp dann ging ich aufs Bad um den Director zu sprechen, und gleich nach dem Theater in Bett.      Nach Berlin muß in aller Eile das Buch der Silvana geschikt werden. Ein Zeichen daß sie da auch wieder dran kommen soll*. bon! ich habe meine Opern auch an unsre Direction verkauft, und krieg dadurch wieder ein bißel kleines Geld*, was ich höchst nothwendig brauche, denn die Tischzeuge haben mich ganz Ratten kahl gemacht.      Siboni wird für mich an die ersten Theater in Italien schreiben, und vielleicht bekomme ich dadurch die Auffoderung eine Oper da zu componieren. gelt das würde dich recht kränken wenn du mit nach Italien reisen müstest? O da wär die Mamsell gleich dabey, aber da wird nichts draus, da gehe ich allein – Nu da würde ich schöne Gesichter und Briefe kriegen, sei nur still, wenn du artig bist ohne Eigensinn, – so nehme ich dich vielleicht mit. Wenn wir nehmlich den Bären erst haben. Heute ist HofConcert und Oper in Pillnitz*. ich gehe aber nicht hinaus weil mir meine Zeit zu lieb ist. Hab auch heute noch viel zu schreiben und zu besorgen. muß meine Hymne an Edmund schikken pp      bald komt ein Briefel von meiner lieben Lina, unterdeßen freß ich einige Pillen, und gehe zu der andern Braut. empfehle mich schönstens.

Da ist der H: v. 79 angekomen! Es macht mir großes Vergnügen daß du eine solche Freude über das Tischzeug hast, was das aber betrifft daß wir davon satt werden sollen, hoffe ich daß die weise Oekonomie der Hausfrau dieser Augen Mahlzeit zuvor kommen soll. Ich bin auch so kindisch mit solchen Sachen, daß ich beinah einmal Lust hatte, dir es gleich nach Prag mitzubringen, was übrigens eine ganz blanke Tollheit wäre. Ueber die Berliner Vergeßung wollen wir schweigen, doch begreiffe ich recht gut wie es gekommen, und bitte auch gehörig meine Sanftmuth zu bewundern. Der arme Dr: war also so übel dran? Mein Gott, ich dachte es wäre nur eine kleine Unpäßlichkeit, Gott erhalte ihn ja den Seinigen. versichere ihn ja meiner innigsten Theilnahme. Für die Grüße und das Verfrißmirnicht der nekkischen Kleinwächter danke ich, und es thut mir wirklich recht leid, daß ich sie alle nicht sehen soll.      Die Berliner AngelegenheitT wird immer zweifelhafter da weiter keine Nachricht von dort kömt. du hast sehr Unrecht geliebte Lina Dir nur einen Augenblik durch den Glauben zu trüben daß du Ursache seyst wenn ich hier Verdruß habe. Verdruß ist überall. wenn du es dir aber um deßwillen zu Herzen nimmst daß [du] dir vorsezest mir nicht nur allen Verdruß zu versüßen, sondern mir auch selbst nie welchen zu machen, so werde ich das hoch verdanken. Es ist wahr daß der Dr. Recht hat. doch geht es schon beßer. Und wenn ich einmal so viel frohe als trübe Zeit verlebt habe, wird’s schon | ganz gut sein. Halserl beßert sich, und übrigens ist mir wirklich recht wohl.

Die Gnedsche Geschichte hat mich recht ergriffen. Gute Menschen, ohne Grundsäzze, ohne Stüzze der Religion und des Kopfes. Leichtsinniger Champagner Liebe, Strohfeuer – – aber sehr rührend auf Augenblikke.

Das arme Mädchen.       Er hat wohl Ursache mich zu bitten nicht böse zu sein ich brauche jezt mein Geld so nothwendig, aber er vielleicht noch nothwendiger*, in Gottes Namen.      Werden den[n] die Leipziger daß mit dem Löwe so hingehn laßen?*      Nach dem Zeuge zu deinem Kleide habe ich mich gleich umgesehen, und hoffe es recht schön zu bekommen, und auch sogar wohlfeiler als in Prag. Aber so ein MußlinKleid mit rothen Blumen für die Dr:in, kömt beinah eben so hoch, daß werde ich also wohl bleiben laßen. mit was wirst du denn das Kleid garniren? ich denke ein paar Ellen mehr werden nicht schaden, das kann man immer brauchen. Den Schrank schikke wenn du willst, mir ist das ganz gleich. Die Kaffee Maschine brauchen wir auf der Reise nicht, denn wir reisen nicht in Böhmen und Polen. Mit der Toilette halt es wie du willst, mir scheint es ist nicht viel an ihr, und hier hast du ja auf jeden Fall deinen Secretair. Der Gedanke mit dem in die Stadt WienT ziehen, ist so übel nicht. Nim nur gleich 2 Zimmer, eins für dich und die Mutter und eines für mich*. Den Tag wenn ich eintreffe weis ich noch nicht, ihr könnt also ohngefähr vom 20 an, oder noch später hinziehen. viel früher als ich komme wäre nicht ganz anständig und ich werde schwerlich vor dem 26 oder 27t eintreffen.       Was hast du denn noch zu nähen??? schreibe mir doch bald und ausführlich was du aus dem Koffer brauchst. deine Kleinodien muß ich ja auf jeden Fall auf die Reise mitbringen. – – Zu dem Mahlen gratulirte ich. du must den ersten Tag viel in Roth gearbeitet haben, denn dein ganzer Brief trägt die Spuren davon.

Der Ausschlag wird doch nichts zu bedeuten haben? halt dich nur hübsch warm. bei mir darfst du nicht mehr ausschlagen. Jezt weiß ich niz mehr als daß der Brief auf die Post muß. ich muß mich recht in acht nehmen nicht zu viel Geld auszugeben, denn der Geschmak und Eleganz Teufel plagt mich immer das schönste und Kostbarste folglich auch – theuerste haben zu wollen. So war ich heute in der Porzelän Fabrik, ja du mein Gott – – wenn sich die Entscheidung mit meiner Anstellung noch lange hinausschiebt, so weiß ich wirklich nicht was ich anfangen soll, ins Neue Quartier ziehen, aus und einpakken – im Gasthoff leben, und das Quartier bezahlen, in meinem jezigen Nest bleiben und 2 Monate leer stehen bezahlen, und das ander Quartier auch? überall Schaden, Unruh und Unbequemlichkeit. Nun Gott wird es ja wie immer nach seiner unendlichen Weisheit zum Guten und unserm Besten lenken.

Gott segne dich + + + sei hübsch gesund und brav, Grüße die Mutter, Dr: pp bestens. dich küßt Millionenmal dein dich über alles liebender Carl.

Apparat

Zusammenfassung

betr. das Aufgebot; Tagebuch 8.-10. August; habe Böttigers Vorlesung über Antike gehört; habe „Die junge Spröde“ kopieren lassen u. werde sie demnächst abschicken; habe „Silvana“ und „Abu Hassan“ an die Dresdener Direktion verkauft; teilt mit, dass Siboni sich an ital. Theatern einsetzen wolle, um ihm einen Opernauftrag zu verschaffen; betr. Prager Bekannte; Reisevorbereitungen; nimmt Bezug auf Carolines Vorschlag, mit ihrer Mutter in das Hotel „Stadt Wien“ zu ziehen; Privates

Incipit

Gestern war ich also bei dem H: Pater Superior

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 114

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
    • Siegelreste und -loch
    • Rötel- und Bleistiftmarkierungen von Max Maria von Weber

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Muks, S. 462–468

Textkonstitution

  • „k“durchgestrichen
  • „fortgenommen“sic!
  • „das“durchgestrichen
  • d„s“ überschrieben mit „d
  • „vielleicht“dreifach unterstrichen

Einzelstellenerläuterung

  • „… erstenmal von der Kanzel verlesen“Öffentliche Verlesung des Aufgebots zur Hochzeit.
  • „… da den 15 t Feyertag“Mariä Himmelfahrt.
  • „… Morlachi in Konfusion gebracht hatte“Siboni trat am 11. August 1817 vor dem Hof in Pillnitz auf; vgl. Tagebuch sowie den folgenden Briefteil vom 11. August. Dirigent war Morlacchi; vgl. die Notizen im Pillnitzer Hoftagebuch für die Sommersaison 1817 (Dresden, Sächsisches Hauptstaatsarchiv, Bestand 10006, Oberhofmarschallamt O 05, Nr. 50, Bl. 25r).
  • „… in Böttgers Vorlesung über Antiken“Vgl. den Kommentar zum Tagebucheintrag vom 9. August 1817.
  • „… gearbeitet. in Cosi fan tutte“Vgl. den Bericht in der Abend-Zeitung vom 21. August 1817.
  • „… zu andern Bräuten und Leuten“Gemeint ist die Arbeit am Freischütz; laut Tagebuch beendete Weber an diesem Tag den Entwurf zum Terzett mit Chor Nr. 2.
  • Bout.Abk. von „Bouteille“.
  • „… auch wieder dran kommen soll“Die letzte Aufführung der Oper zu Webers Lebzeiten hatte am 4. Januar 1816 stattgefunden.
  • „… wieder ein bißel kleines Geld“Zum Verkauf vgl. die Tagebuchnotizen vom 7. August 1817; das Honorar erhielt Weber laut Tagebuch am 22. August.
  • „… Concert und Oper in Pillnitz“Gegeben wurde Morlacchis Il barbiere di Siviglia.
  • „… aber er vielleicht noch nothwendiger“Weber hatte Gned laut Tagebuch am 3. Mai 1817 Geld geborgt, nachdem dessen Hoffnungen auf ein Engagement in Dresden sich zerschlagen hatten.
  • „… dem Löwe so hingehn laßen?“Ludwig Löwe hatte, wie sein Bruder Ferdinand, mit Küstner einen Vertrag abgeschlossen, der ihn 1817 ans neu gegründete Leipziger Theater verpflichtete, brach diesen Kontrakt jedoch und blieb am Prager Ständetheater; vgl. Karl Theodor von Küstner, Vierunddreißig Jahre meiner Theaterleitung in Leipzig, Darmstadt, München und Berlin. Zur Geschichte und Statistik des Theaters, Leipzig 1853, S. 16.
  • „… Mutter und eines für mich“Webers Brief vom 24. Oktober 1817 ist noch an Caroline Brandts Quartier Kohlmarkt 514 adressiert; anschließend zog Caroline Brandt offenbar tatsächlich ins Hotel Stadt Wien (vgl. die Adresse des nachfolgenden Briefes), wo auch Weber laut Tagebuch am 31. Oktober 1817 abstieg.

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